Das Ziel ist klar, da gibt es eigentlich keinen Streit: Wohnen muss einerseits bezahlbar sein, andererseits auch klimafreundlich. Beides gehört schließlich zur Nachhaltigkeit, die Umwelt genauso wie das Soziale. Nur beides zugleich, auch das ist ziemlich klar, wird schwierig. "Wir müssen es einfacher machen, in Deutschland schneller und günstiger zu bauen", sagt Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) - und erntet dafür ungetrübte Zustimmung von Vonovia-Chef Rolf Buch, dem größten Vermieter im Land.
Nur: So einig sich die beiden oben auf der Bühne sind, so zäh geht es draußen auf den Baustellen voran. Fast 650 000 Wohnungen seien genehmigt, aber noch nicht gebaut, sagt Geywitz. Und wann sie fertig werden, ist ziemlich unsicher. Es fehlt nicht nur an Bauarbeitern und Handwerkern, auch die Kosten sind in den vergangenen Monaten fast ungebremst in die Höhe geschossen. Die Preise für Materialien wie Stahl, Glas oder Zement sind enorm gestiegen, einiges war wegen Lieferschwierigkeiten gar nicht zu bekommen. Beim Holz allerdings entspannte sich die Lage zuletzt wieder deutlich - was zumindest etwas Hoffnungen auf eine Trendumkehr bei den Preise weckte.
Der Trend am Bau zeigte deshalb zuletzt eindeutig nach unten: Bereits im vergangenen Jahr sank die Zahl der neu gebauten Wohnungen, im laufenden Jahr fiel nun auch die Zahl der erteilten Baugenehmigungen. Die Branche ist ebenfalls seit Monaten in Krisenstimmung, so stecken das Geschäftsklima und vor allem die Geschäftserwartungen der Baufirmen spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine tief im Minus, hat das Münchner Ifo-Institut ermittelt.
Aber nicht nur Krieg, Corona und Fachkräftemangel drücken die Laune, ein Teil der Schwierigkeiten ist auch hausgemacht: So stoppte die Bundesregierung die Neubauförderung in diesem Jahr bereits zwei Mal, weil das Geld aufgebraucht war. Und auch der letzte verbliebene Fördertopf für die besonders anspruchsvollen neuen Häuser könnte bald leer sein.
Man habe bereits einen Teil der Förderung umgestellt, sagt Geywitz. Es stehe nun sehr viel mehr Geld bereit, um zumindest das Ziel Regierungsziel von 100 000 Sozialwohnungen im Jahr zu schaffen. 14,5 Milliarden will der Bund hier bis Ende 2026 verteilen. Um das andere große Ziel, nämlich jedes Jahr insgesamt 400 000 Neubauwohnungen fertigzustellen, ist es dagegen zuletzt ziemlich ruhig geworden.
Inzwischen setzt Geywitz dafür einen stärkeren Akzent beim Klimaschutz am Bau. Nachdem sie erst am Mittwoch ein Wärmepumpen-Bündnis gemeinsam mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf den Weg brachte, kündigt sie auf dem SZ-Nachhaltigkeitsgipfel am Donnerstag nun eine Holzbau-Initiative mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen an.
Auch der Konsum von Wohnraum hat Folgen
Dem Vonovia-Chef reicht das aber nicht aus. "Wir werden uns auch unterhalten müssen über die Reduzierung von Anforderungen und die Finanzierbarkeit", mahnt Buch. Die hohen Zinsen und die enorm gestiegenen Preise machten es eben "gerade nicht einfach" zu bauen - zumal, wenn auch das Material nachhaltig sein soll. Was Buch vorschwebt, wären deshalb etwa CO₂-Gutschriften für klimafreundliche Baustoffe. Ein Holzbau sei noch immer teurer als ein Betonhaus. Sanierungen seien wegen der hohen Energiekosten schon jetzt interessant, der Konzern habe deshalb einen kompletten Plan bis 2045 für alle seine Häuser erstellt. "Das Thema Neubau ist aber immer noch ungelöst."
Das weiß auch die Ministerin. Um die sozialen und die ökologischen Probleme in den Griff zu bekommen, brauche es deshalb auch eine Debatte über "gute Formen des Wohnens", sagt Geywitz. Die Folgen der eigenen Ansprüche und des Konsums seien bei der Mobilität und beim Essen oft bereits ein Thema, aber fast nie beim Wohnen. Dabei brauche jede Person heute durchschnittlich weit mehr als 50 Quadratmeter, mehr als doppelt so viel wie nach dem Zweiten Weltkrieg.
Bauen allein löst deshalb nur einen Teil der Probleme - und schafft zugleich neue. Heute stehe der Sektor für 50 Prozent des Ressourcen- und sogar 70 Prozent des Flächenverbrauchs im Land, sagt Lamia Messari-Becker von der Universität Siegen. Dabei sei es gar nicht in jedem Fall nötig, immer neue Häuser hochzuziehen. "Die Stadt der Zukunft ist schon gebaut", sagt die Bauingenieurin. Nun gehe es vor allem darum, den Bestand so um- und auszubauen, zu verdichten und zu sanieren, dass mehr Menschen genauso klima- wie sozialverträglich leben könnten. Der Bau könne dabei sogar zum "Motor für mehr Nachhaltigkeit" werden, weil er eng mit anderen Wirtschaftsbereichen wie Industrie und Verkehr verwoben sei.