Süddeutsche Zeitung

Modulares Bauen:Schnell, smart, nachhaltig

Lesezeit: 3 min

Der Düsseldorfer Architekt Ulf Bohne will das Bauen digitalisieren, so dass möglichst viel Material registriert und recycelt wird. Kann das gelingen?

Von Steffen Uhlmann

Es ist ja immer so eine Sache mit der großen Vision. Wer eine hat, wird von vielen auch schnell als Träumer abgestempelt. Ulf Bohne aber lässt sich davon scheinbar nicht verunsichern, er hält einfach an seinem Ziel fest: Bohne will das Bauen revolutionieren.

Schließlich ist der Architekt aus Düsseldorf davon überzeugt, dass sich am Planen und Bauen, an Architektur, Städte- und Wohnungsbau ganz wesentlich die Zukunft unseres Planeten festmacht. "An der Art des Bauens aber", sagt Bohne, habe sich seit den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrhunderts "nicht wirklich etwas grundlegendes verändert" - mit all seinen dramatischen Folgen für Klima, Umwelt, Lebensqualität und Ressourcen.

Fast 40 Prozent der CO -Emissionen weltweit gehen auf Gebäude zurück. Und beim Müll macht in Deutschland allein der Bauschutt mehr als die Hälfte des Gesamtmüllaufkommens aus. "Wir brauchen dringend viele neue Wohnungen, keine Frage, die aber müssen ökologisch vernünftig, ökonomisch erschwinglich und qualitativ hochwertig sein", sagt Bohne. "Und da setzen wir mit unserem Unternehmen Imti an."

Der Schlüssel: die Verbindung zwischen realer und digitaler Welt

Bei einem Törn im Mittelmeer im Sommer 2018 pflügte Bohne mit seinem gerade erworbenen Großsegler auf hoher See bisweilen stundenlang durch ausgedehnte Plastikmüll-Teppiche. "Das hat mich verstört und aufgeweckt", sagt er.

"Die Baubranche hatte und hat zumeist auch heute noch wenig Interesse an bahnbrechenden Veränderungen. Warum auch, sie verdient ja mit dem Status quo sehr viel Geld." Dass sich der Architekt schließlich auf eine "Rebellion" gegen die vorherrschenden Verhältnisse am Bau einließ, hat viel mit seiner Leidenschaft für technische und technologische Neuheiten zu tun.

Bohne war fasziniert, wie andere Branchen sich digitalisiert haben. Ob Pharmaindustrie, Auto- oder Flugzeugbau - die Unternehmen hätten fast durchweg die Idee des "digitalen Zwillings" aufgenommen, sagt er. Eine Technologie, die eine Verbindung zwischen realer und digitaler Welt schafft und es ermöglicht, Produkt- und Lebenszyklen optimal zu steuern. "So können geschlossene Stoffkreisläufe entstehen - von der ersten Idee für ein Produkt bis hin zu seinem Recycling", sagt Bohne.

Ihm schwebt vor, die gesamte Wertschöpfungskette des Bauens zu digitalisieren. In etwa so: Das Haus, die Wohnung am Computer entwerfen, simulieren und testen, dann in eine komplett automatisierte Fertigung von Gebäudemodulen überführen, schließlich nach der Montage die gesamte Lebensphase der Gebäude überwachen und steuern bis hin zum Recycling der bei einem abrissreifen Haus anfallenden Materialien. Mit Intelligent Modultecture Industries, kurz Imti, hatte Bohne auch bald einen Arbeitstitel für sein Projekt gefunden.

"Von der Planung bis zu Fertigstellung vergehen nur noch Monate anstatt Jahre"

Der Zufall brachte ihn Ende 2019 zunächst mit Sven Rickes zusammen. Der Bauunternehmer hatte gerade in Stadthagen bei Hannover ein stillgelegtes Werksgelände übernommen, das er zu einem Industrie- und Gewerbepark umwidmen wollte. Bohne habe ihn schnell von der Idee einer digitalen Fabrik für das Bauwesen überzeugt, sagt Rickes. "Und wenn sie verwirklicht wird, das war mir klar, dann nur hier auf meinem Gelände." Zu den beiden Bauleuten stieß bald Boris Beckmann, ein ausgewiesener Experte für Digitalisierung und Unternehmensentwicklung. Schließlich auch noch der Architekt André Pilling, den Bohne kennen und schätzen gelernt hatte, als Pilling in seinem Architekturbüro als Werkstudent gearbeitet hatte.

Im Mai 2020 gründeten sie Imti, ein halbes Jahr später hatten sie nicht nur die ersten beiden Investoren für sich gewonnen, sondern mit der Technischen Hochschule Aachen (RWTH) auch den ersten Kooperationspartner.

Bohne und Co. wollen mit ihrer inzwischen zum Patent angemeldeten digitalisierten Modulbauweise schnell, rentabel und klimafreundlich bauen. "Von der Planung bis zu Fertigstellung vergehen nur noch Monate anstatt Jahre", sagt Rickes. Zu der Bauzeitverkürzung kommen deutlich geringere Kosten: Nach Berechnungen von Imti sind gegenüber der konventionellen Bauweise für die Häuser und Wohnungen mindestens 20 Prozent Kostensenkung möglich. Die Gebäude selbst bestehen im Wesentlichen aus Holz, energieintensive Baustoffe wie Stahl oder Beton werden durch erneuerbare Materialien ersetzt.

Die Lieferung der ersten 50 Wohneinheiten ist schon vereinbart

Die Gebäudehülle wird begrünt, auf dem Dach installierte Photovoltaik übernimmt die Stromversorgung des gesamten Hauses und liefert zudem anfallenden überschüssigen Strom an E-Auto-Ladestellen vor dem Haus. "Selbst wenn das Gebäude in Gebrauch ist, kann es sich bei Bedarf weiter verändern", sagt Bohne.

Ende Oktober 2021 hat das Imti-Team einen ersten Schritt in die reale Bauwelt getan und den Prototyp ihres Wohnmoduls "I'm One" vorgestellt. "Schon in wenigen Monaten", kündigt Bohne an, könne die Produktion der Module in ihrem Stadthagener Werk anlaufen. Auch für die Finanzierung des etwa 100 Millionen Euro teuren Investments stünden jetzt Geldgeber bereit. Zudem habe man mit einer westdeutschen Kommune auch die Lieferung der ersten 50 Wohneinheiten vertraglich vereinbart.

Der Auftakt von Bohne und seinen Kollegen hat ein gehöriges Echo in der Baubranche ausgelöst. Die Gründer wollen nun herausfinden, wie ernsthaft das Interesse anderer ist, sich zu beteiligen. Gemeldet hat sich zu ihrer Überraschung auch der Franzose Alexandre Missoffe, der weltweit Investoren sucht, die helfen, das Pariser Wohnungsproblem zu lösen.

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