Baubranche:Mit äußerster Brutalität

Baustelle Stuttgart 21

Komplex und teuer: Arbeiten am Bahnhofsprojekt Stuttgart 21

(Foto: dpa)

Aus dem Plan geratene Großprojekte wie die Elbphilharmonie oder der Berliner Flughafen, Razzien auf Baustellen: Die Bauindustrie hat ein schlechtes Image. Zu Unrecht, sagen die Unternehmer selbst. Schuld sei die Politik.

Von Elisabeth Dostert

Thomas Bauer neigt nicht zu schnellen Urteilen. Er wiegt die Dinge ab. Und so will er am Tag danach auch kein Urteil über Roland Koch fällen, den Mann, der als Chef des Baukonzerns Bilfinger scheiterte. Bauer hat Koch ein paar Mal getroffen, schon von Amts wegen. Bauer ist seit 2011 Präsident des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie und selbst Bauunternehmer, er führt die börsennotierte Bauer AG aus Schrobenhausen in der siebten Generation. "Ich habe Bilfinger sogar manchmal bewundert für den radikalen Schwenk in das Dienstleistungsgeschäft", sagt Bauer. "Ich kann verstehen, dass jemand die Bauindustrie satt hat."

Das Geschäft ist nicht einfach. "Wir verkaufen ja kein definiertes Produkt wie ein Auto", sagt Bauer. Und das Geschäft schwankt stark. Die Branche werde "von der Politik als Instrument zur Konjunktursteuerung missbraucht", sagt er. Mal sollen KfW-Programme oder die Eigenheimzulage die Nachfrage ankurbeln, dann geht wieder eine Weile gar nichts mehr. "Angebot und Nachfrage werden ständig manipuliert. Dabei ist doch das Einzige, was sich meine Branche wünscht, eine gleichmäßige Nachfrage", sagt Bauer und klagt: "In den vergangenen 15 Jahren ist die Bauindustrie systematisch kaputt gemacht worden."

Das Ergebnis: Viele Namen sind einfach vom Markt verschwunden wie zum Beispiel Holzmann und Walter Bau. Die am Umsatz gemessen größte deutsche Baufirma Hochtief gehört mehrheitlich zum spanischen Konzern ACS. An zweiter Stelle rangiert immer noch Bilfinger mit sehr vielen institutionellen und wenigen privaten Anlegern. An dritter Stelle folgt Strabag aus Köln, die mehrheitlich zur österreichischen Strabag SE gehört. Zu deren Großaktionären zählen unter anderem der russische Oligarch Oleg Deripaska und die Familie von Hans Peter Haselsteiner. An vierter Stelle rangiert die Ed. Züblin AG, an der wiederum mehrheitlich Strabag beteiligt ist.

Erst auf den mittleren Rängen folgen mit Bögl und Goldbeck Firmen, die vollständig im Besitz von Familien sind. Dann kommt Bauers Firma, die zwar börsennotiert ist, aber mehrheitlich seiner Familie gehört.

Ohne Zweifel zählt das Bauhauptgewerbe, vertreten durch Bauers Verband, aber auch den Zentralverband des deutschen Baugewerbes, zu den wichtigsten Branchen des Landes. Rund zehn Prozent steuert sie zum Bruttoinlandsprodukt bei; das waren im vergangenen Jahr 270 Milliarden Euro. Auf das Baugewerbe entfallen mehr als vier Prozent der Bruttowertschöpfung. Mit etwa 2,6 Millionen Beschäftigten ist es einer der größten Arbeitgeber.

"Die echten Baufirmen am Flughafen sind alle fertig"

Und doch hat die Branche ein gewaltiges Imageproblem, an dem sie teilweise nicht ganz unschuldig ist. Schlagzeilen macht sie mit fehlgeschlagenen Großprojekten wie dem neuen Flughafen in Berlin, der Elbphilharmonie oder Razzien auf Baustellen. "Zu Unrecht", klagt Bauer. "Die echten Baufirmen am Flughafen sind alle fertig." Schuld an den Verzögerungen seien die Gebäudeausrüstung mit Brandschutz und auch die elektronische Steuerung.

Große komplexe Bauvorhaben lassen sich Bauer zufolge zunehmend schwieriger verwirklichen, weil es schon lange kein faires Miteinander zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer mehr gebe. "Keiner gönnt dem anderen was. Häufig geht es nur noch um den Preis, mit äußerster Brutalität." Die Auftraggeber verlangen Nachbesserungen oder verändern den ursprünglichen Auftrag. Von außen sehe ein Bau dann noch so aus, wie ursprünglich geplant, innen sei alles anders. Trotzdem gelinge es den Auftraggebern immer wieder, der breiten Bevölkerung den Eindruck zu vermitteln, die Baufirmen seien schuld an Verzögerungen und Mehrkosten. "Wir haben uns in diese Ecke drängen lassen", sagt Bauer.

Man kann sich den Risiken entziehen, indem man die Branche wechselt, wie es Bilfinger versucht hat, nicht erst mit dem Amtsantritt von Roland Koch. Die Weichen haben schon seine Vorgänger gestellt. Das Dienstleistungsgeschäft wie den Betrieb von Kraftwerken oder Industrieanlagen hat der Konzern aus Mannheim allerdings nicht erfunden, auf dem Markt agieren Firmen wie Dussmann, Wisag und Piepenbrock schon seit Jahren.

Bauer bleibt seiner Branche treu. "Wir arbeiten daran, dass wir das schlechte Image loswerden." Auch deshalb wurde er Präsident.

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