Süddeutsche Zeitung

Baubranche:"Mit 67 muss ein Arbeiter nicht mehr aufs Dach"

Lesezeit: 6 min

Baupräsident Herbert Bodner über das Los der Vermieter in Deutschland und die Zukunft der Jobs in seiner Branche.

S.Haas u. D.Deckstein

Seit seinem Amtsantritt hält die Wirtschaftskrise Herbert Bodner, 61, auf Trab. Der Chef des Baukonzerns Bilfinger Berger ist seit Januar 2009 zugleich Präsident des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie und hofft, dass die Konjunkturprogramme in seiner Branche bald wirken. Die deutsche Bürokratie stört ihn gewaltig: Die Politik verabschiede immer wieder neue "unnötige" Gesetze, die die Wirtschaft belasteten.

SZ: Herr Bodner, Sie sind seit einem halben Jahr Baupräsident. Womit wollen Sie sich profilieren?

Bodner: In den vergangenen Monaten war ich vor allem mit den Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise beschäftigt. Da ging es um das operative Geschäft und nicht ums Profilieren. Ich hoffe, dass die Konjunkturprogramme bald greifen, zumal es im Bereich der öffentlichen Infrastruktur einen echten Nachholbedarf gibt. Die Programme für die Bauwirtschaft sind nicht zu vergleichen mit der Abwrackprämie für Altautos. Das ist künstlich erzeugter Bedarf.

SZ: Viele Firmen haben Schwierigkeiten, an Kredite zu kommen. Gibt es eine Kreditklemme am Bau?

Bodner: Nein. Es ist für die Baufirmen nicht schwieriger, an Kredite zu kommen, als vor einem Jahr. Die Unternehmen befürchten aber, dass es in Zukunft eng werden könnte. Da die kleinen Betriebe - und das ist das Gros - jedoch nicht von den Großbanken, sondern von Sparkassen und Volksbanken versorgt werden, haben sie es bei der Kreditbeschaffung leichter.

SZ: Reichen die Konjunkturprogramme aus, um Jobs zu erhalten?

Bodner: Der Umsatz wird in diesem Jahr nominal um etwa drei Prozent zurückgehen. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Arbeitsplätze. Aber eine Entlassungswelle sehe ich nicht. Es ist klar, dass die öffentliche Baunachfrage nicht reicht, um die Umsatzausfälle im privaten Wirtschafts- und Wohnungsbau auszugleichen.

SZ: Die Konjunkturprogramme sind im ersten Halbjahr kaum in Gang gekommen. Woran liegt das?

Bodner: Bauprojekte benötigen einen Vorlauf. Sie müssen genehmigt und ausgeschrieben werden, bevor es an die Umsetzung geht. Das Geld wird auch erst abgerufen, wenn die Rechnung gestellt ist. Im zweiten Halbjahr werden die Konjunkturprogramme aber wirken. 2010 werden sie dann richtig spürbar sein.

SZ: Sie fordern ein spezielles Konjunkturpaket für den Wohnungsbau. Was erwarten Sie konkret?

Bodner: Dass der Wohnungsbau in Deutschland eingebrochen ist, erstaunt uns nicht. Denn in Wohnungen zu investieren ist unattraktiv. Es gibt derzeit keine staatlichen Anreize. Die Eigenheimzulage wurde abgeschafft. Außerdem ist die rechtliche Position der Vermieter sehr schwach.

SZ: Was muss sich ändern, damit der Wohnungsbau attraktiver wird?

Bodner: Man könnte die Abschreibungsbedingungen ändern. Abschreibungszeiten von 50 Jahren sind nicht realistisch. Sie müssen verkürzt werden. Außerdem muss sich im Mietrecht einiges ändern. Es ist uninteressant für einen Vermieter, seine Mietwohnung energetisch zu sanieren. Denn er kann die Investitionen, durch die der Mieter Energiekosten einspart, nur schwer über die Kaltmiete refinanzieren. Das ist schlecht.

SZ: Im Deutschland-Plan der SPD spielt die energetische Sanierung eine große Rolle. Das müsste Sie doch zufrieden stimmen.

Bodner: Alles, was mit energetischer Sanierung zu tun hat, bietet Chancen für die Bauwirtschaft, auch für kleine Unternehmen. Das ist ein Aspekt, der uns an dem SPD-Papier gefällt, ebenso wie das klare Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland. Aber es fehlt in dem Papier auch einiges.

SZ: Was vermissen Sie besonders?

Bodner: Zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und dessen Finanzierung steht nichts im Programm, obwohl das bisher ein wichtiger Schwerpunkt der SPD war. Auch zu den öffentlich-privaten Partnerschaften wird jetzt nichts gesagt, obwohl das von der SPD bisher forciert wurde. Da frage ich mich natürlich, warum das so ist.

SZ: Sie haben als Lobbyist doch sicher die besten Kontakte. Haben Sie bei der SPD mal nachgefragt?

Bodner: Es ist für alle Lobbyisten derzeit schwierig, mitten im Wahlkampf mit den Politikern ins Gespräch zu kommen. Sie sind momentan mit der Bundestagswahl beschäftigt.

SZ: Sind die von der SPD versprochenen vier Millionen neuen Arbeitsplätze bis 2020 realistisch?

Bodner: Mir sind die Grundlagen dieser Berechnung nicht ganz klar geworden. Dass neue Arbeitsplätze entstehen, halte ich für realistisch. Aber man muss dagegenrechnen, in welchen Bereichen Arbeitsplätze wegfallen. Das ist nicht geschehen.

SZ: Die Baubranche klagt seit Jahren über Fachkräftemangel. Hat die Wirtschaftskrise daran etwas geändert?

Bodner: Nein. Bei den Bauingenieuren ist die Zahl offener Stellen größer als die der Arbeitslosen. Das gibt es normalerweise nur in wirtschaftlich guten Zeiten. Auch der Facharbeitermangel ist nach wie vor da. Viele ältere Facharbeiter scheiden aus, dadurch fehlt der qualifizierte Nachwuchs.

SZ: Der Dachdecker muss also mit 67 Jahren doch noch aufs Dach?

Bodner: Nein, das muss er nicht. Aber angesichts der Alterspyramide werden wir länger arbeiten. Die Rentenreform ist richtig. Wir müssen jedoch darüber nachdenken, wie Arbeitsplätze für Ältere gestaltet werden.

SZ: Gibt es entsprechende Gespräche mit der Gewerkschaft IG BAU?

Bodner: Es gibt Gespräche, aber sie gehen über einen allgemeinen Meinungsaustausch nicht hinaus. Wir wollen jedoch strategische Initiativen mit der IG BAU auf den Weg bringen. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingen wird. Wir haben traditionell ein gutes Verhältnis zur Gewerkschaft.

SZ: Sie sind sich ja auch beim Mindestlohn einig. Sie haben ihn gerade erst im Tarifvertrag verlängert. Ist der Mindestlohn für Ihre Branche segensreich oder ein notwendiges Übel?

Bodner: Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftszweigen können die Arbeitsplätze der Baubranche nur schwer exportiert werden. Die Baubranche ist mit dem Mindestlohn gut gefahren. Sie hat dadurch die schwierige Phase der Verdrängung des Facharbeiters durch osteuropäische Arbeitskräfte bewältigt.

SZ: Der Mindestlohn hat aber in Ihrer Branche die Schwarzarbeit geradezu gefördert.

Bodner: Schwarzarbeit ist konkurrenzlos billig, und sie wird nicht auszurotten sein. Der Unterschied zwischen offizieller Arbeit und Schwarzarbeit liegt in den Steuern und Abgaben. Der springende Punkt sind die hohen Nebenkosten in Deutschland.

SZ: Neben der Schwarzarbeit ist die Scheinselbständigkeit ein großes Problem in Ihrer Branche.

Bodner: Es ist schwierig, Scheinselbständigkeit zu identifizieren, wenn alle Formalien in Ordnung sind. Irgendwann stellt sich dann vielleicht heraus, dass das von einem Vermittler organisiert wurde und dass der sogenannte Selbständige nur für ein Unternehmen arbeitet. Da wünsche ich mir schon, dass es mehr Durchsetzungswillen in der öffentlichen Verwaltung gibt. Wenn die Behörden innerhalb kürzester Zeit in einer Sache ein Dutzend Gewerbescheine ausstellen, kann ich mich nur wundern. Da muss doch ein Beamter hellhörig werden.

SZ: Der Ruf der Manager ist so schlecht wie schon lange nicht mehr. Stört Sie das?

Bodner: Natürlich stört mich das. Aber dass die Manager derzeit einen schlechten Stand in der Bevölkerung haben, ist kein Wunder angesichts einzelner Exzesse, die es zweifellos gegeben hat. Managerschelte kommt auch im Wahlkampf gut an, wie man sieht. Nahezu kein Politiker lässt es in seinen Reden aus, auf die Manager zu schimpfen. Das ist schlecht und schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland.

SZ: Was wünschen Sie sich von der neuen Bundesregierung?

Bodner: Die Politik sollte sich endlich entschlossen dem Bürokratieabbau widmen. Seit Jahren kündigt sie das an. Stattdessen schafft sie aber immer wieder neue, unnötige Gesetze, die der Wirtschaft zusätzliche Kosten aufbürden.

SZ: Zum Beispiel?

Bodner: Nehmen Sie das seit 1. Januar 2009 geltende Bauforderungssicherungsgesetz. Es ist völlig wirklichkeitsfremd, dass neuerdings Einnahmen immer nur für ein bestimmtes Projekt verwendet werden dürfen. Wenn ein Handwerker also vom Kunden A Geld bekommt, um Gips zu kaufen, darf er davon nicht etwas für den Kunden B kaufen und intern verrechnen. Damit soll das Geld im Insolvenzfall abgesichert werden. Für die Unternehmen bedeutet dies eine enorme zusätzliche Belastung der Liquidität - und das mitten in der Finanzkrise. Hinzu kommt eine Liquiditätsbuchhaltung, die mit großem Aufwand aufgebaut werden müsste. So ein Unfug

SZ: Der Ruf der Manager ist so schlecht wie schon lange nicht mehr. Stört Sie das?

Bodner: Natürlich stört mich das. Aber dass die Manager derzeit einen schlechten Stand in der Bevölkerung haben, ist kein Wunder angesichts einzelner Exzesse, die es zweifellos gegeben hat. Managerschelte kommt auch im Wahlkampf gut an, wie man sieht. Nahezu kein Politiker lässt es in seinen Reden aus, auf die Manager zu schimpfen. Das ist schlecht und schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland.

SZ: Was wünschen Sie sich von der neuen Bundesregierung?

Bodner: Die Politik sollte sich endlich entschlossen dem Bürokratieabbau widmen. Seit Jahren kündigt sie das an. Stattdessen schafft sie aber immer wieder neue, unnötige Gesetze, die der Wirtschaft zusätzliche Kosten aufbürden.

SZ: Zum Beispiel?

Bodner: Nehmen Sie das seit 1. Januar 2009 geltende Bauforderungssicherungsgesetz. Es ist völlig wirklichkeitsfremd, dass neuerdings Einnahmen immer nur für ein bestimmtes Projekt verwendet werden dürfen. Wenn ein Handwerker also vom Kunden A Geld bekommt, um Gips zu kaufen, darf er davon nicht etwas für den Kunden B kaufen und intern verrechnen. Damit soll das Geld im Insolvenzfall abgesichert werden. Für die Unternehmen bedeutet dies eine enorme zusätzliche Belastung der Liquidität - und das mitten in der Finanzkrise. Hinzu kommt eine Liquiditätsbuchhaltung, die mit großem Aufwand aufgebaut werden müsste. So ein Unfug

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Quelle:
SZ vom 25.08.2009
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