Sie duzen sich schon mal, der Martin und der Markus, sie haben auch Großes vor: BASF und RWE wollen in der Nordsee einen der größten Windparks der Welt errichten. Das gaben sie am Freitag in einer Pressekonferenz bekannt. Die Chemie-Industrie gehöre zu den energieintensivsten Branchen überhaupt, sagt BASF-Chef Martin Brudermüller. Und wenn er das konzerneigene Ziel erreichen will, bis 2050 klimaneutral zu werden und die CO₂-Emissionen schon vorher stark zu senken, braucht BASF viel Ökostrom. Der geplante Windpark soll eine Kapazität von zwei Gigawatt haben, erläutert Markus Krebber, Chef des Energiekonzerns RWE. Zum Vergleich: Zuletzt kamen alle installierten Windparks in der deutschen Nord- und Ostsee zusammen auf eine Kapazität von knapp 7,8 Gigawatt. "Unser Plan ist, das Projekt bis 2030 zu realisieren", sagt Krebber.
Den Großteil des Ökostroms wollen die Partner von der Nordsee nach Ludwigshafen transportieren. Dort, im Stammwerk von BASF, werde sich der Strombedarf bis 2035 verdreifachen, erwartet Brudermüller. Die Windräder in der Nordsee sollen ein Viertel des künftigen Bedarfs decken. BASF wolle sich mit bis zu 49 Prozent an dem Windpark beteiligen, den RWE bauen und betreiben will.
Finanzielle Hilfen vom Bund wünschen sich die beiden Dax-Konzerne zwar nicht, aber vieles andere: Die Pressekonferenz ist gespickt mit Ermahnungen und Forderungen an die Politik. Es sei an der Zeit, wettert Brudermüller, "dass die Politik ihre 10 000 Meter Flughöhe der Ambitionen verlässt und sich endlich an die Arbeit macht, diese Ziele und ambitionierten Ideen auf den Boden der Realität bringt." Auch Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, stellt sich in der Pressekonferenz demonstrativ hinter das Vorhaben. Es geht auch um Arbeitsplätze.
Die Dax-Konzerne haben Sonderwünsche
Doch Konzerne können nicht einfach frei entscheiden, wann und wie viele Windräder sie im Meer bauen. Zunächst prüft das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, welche Flächen dafür taugen mit Rücksicht auf Schifffahrtsstraßen, Böden, Strömung, Meerestiere und -pflanzen. Anschließend schreibt die Bundesnetzagentur den Betrieb der Windparks fünf Jahre im Voraus aus: Wer mit der niedrigsten staatlichen Förderung auskommt, erhält in der Regel den Zuschlag. So will der Staat die Kapazität aller Windräder in der deutschen See bis 2030 auf gut 20 Gigawatt erhöhen.
RWE und BASF fordern für ihren Plan eine zusätzliche Auktion, die eigens "auf die Transformation der chemischen Industrie ausgerichtet" sein solle. Sie wollen Flächen nutzen, die "bisher erst für die Zeit nach 2030" vorgesehen sind. Eine solch spezielle Sonderausschreibung gab es bislang noch nie in der Windkraft auf deutscher See. RWE-Chef Krebber verweist darauf, dass Deutschland erst kürzlich seine CO₂-Reduktionsziele für die nächsten Jahrzehnte erhöht hat, nachdem das Bundesverfassungsgericht dies angemahnt hatte. Da brauche es eben auch mehr grüne Energie für die Industrie als bislang geplant. Insgesamt beziffert RWE den Investitionsbedarf in dem Projekt auf etwa vier Milliarden Euro. RWE will mit einem kleineren Teil des in der Nordsee erzeugten Stroms "grünen" Wasserstoff für andere Industrieunternehmen erzeugen.
Der Druck auf die Konzerne steigt, auch weil die CO₂-Emissionsrechte in der EU zuletzt deutlich teurer geworden sind. Wie BASF schließen immer mehr Konzerne direkte Abnahmeverträge mit Ökostrom-Anbietern. So will der Waschmittel- und Klebstoffkonzern Henkel von 2022 an den gesamten Strombedarf seiner Fabriken in den USA mit Windstrom decken. Auch der Kunststoffhersteller Covestro will von 2025 an einen Teil des Bedarfs seiner deutschen Fabriken mit Strom eines neuen Windparks in der Nordsee decken. Doch der schiere Energiebedarf von BASF in Ludwigshafen stellt die bisherigen Dimensionen in den Schatten: Covestro plant zunächst mit einer Kapazität von 0,1 Gigawatt.