Was macht Markus Kamieth am 1. Mai, dem Tag der Arbeit und einen Tag vor der virtuellen Hauptversammlung? Er fährt mit dem Rad auf den höchsten Berg im Pfälzer Wald, den Kalmit, rund 674 Meter hoch. Ein Foto davon hat er im Netzwerk Linkedin gepostet. Die Anstrengung ist dem Vorstandschef des Chemiekonzerns BASF durchaus anzusehen. So eine Tour, schreibt er, mache den Kopf frei und lasse das Herz höher schlagen. Kamieth liebt das Radfahren, und er mag Hashtags, also jene Begriffe, mit denen Menschen ihre Posts in virtuellen Netzwerken versehen, so wie „#ilovebasf“. Seit gut einem Jahr ist er Vorstandsvorsitzender des Konzerns.
Vielleicht ist so eine Tour einen Tag vor der Hauptversammlung auch ein Zeichen von Resilienz. Davon brauchen Manager gerade besonders viel. US-Präsident Donald Trump erschüttert mit Zöllen den Welthandel. „Diejenigen, die etwas mehr Ruhe an den Tag legen, haben sich in den vergangenen Wochen besser geschlagen als diejenigen, die gleich hektisch und reflexartig reagiert haben“, sagte Kamieth kürzlich im SZ-Interview. Er neige nicht zu extremen Ausschlägen. „Ich bin weder euphorisch noch bin ich schnell deprimiert. Das hilft in solchen Zeiten“, so Kamieth.

BASF:„Donald Trump hat alle wachgerüttelt“
Markus Kamieth will sich nicht verrückt machen lassen, auch nicht von US-Präsident Donald Trump. Der BASF-Chef erklärt, wie er mit den vielen Krisen in der Welt umgeht und warum Deutschland ein großer Chemie-Standort bleiben muss.
Die vergangenen Wochen seien sehr steinig gewesen, sagt Kamieth noch vor Beginn der Hauptversammlung in einem Linkedin-Post. Das Marktumfeld sei sehr unberechenbar. Noch sei nicht klar, wie sich die Zölle entwickeln würden. Die Strategie „local for local“, also die Produktion in der Region für die Region, mache BASF „sehr resilient“. Wichtige Botschaften hat Kamieth schon versendet, bevor das virtuelle Aktionärstreffen beginnt.
„BASF steht an einem Wendepunkt.“
„Wir erleben eine geopolitische Zeitenwende, gerade nicht zum Besten“, sagt Kamieth dann in der Hauptversammlung, „BASF steht an einem Wendepunkt.“ Da müsse man sich für eine Richtung und ein Ziel entscheiden. Das Ziel hat BASF schon vor einer Weile formuliert, der Konzern will fokussierter und schneller werden, das bevorzugte Unternehmen seiner Kunden und diese bei der grünen Transformation unterstützen. Sparen will der Konzern auch, gut zwei Milliarden Euro jährlich bis Ende 2026, davon rund die Hälfte am Standort Ludwigshafen.

Exklusiv BASF in Ludwigshafen:Was ist mit uns?
Sinischa Horvat arbeitet seit drei Jahrzehnten für den Chemiekonzern BASF, seit 2016 ist er Betriebsratschef. Kein leichter Job in diesen Zeiten. Der Konzern muss sparen und will Stellen abbauen. Über einen Mann und seinen Kampf für den Industriestandort.
Bei rund einem Fünftel der Anlagen in Ludwigshafen sieht Kamieth ein Risiko in puncto Wettbewerbsfähigkeit. „Manche Anlagen werden wir schließen“, kündigt er an. Die Produktivität solle auch durch den Abbau von Stellen erhöht werden.
Welche Anlagen werden in Ludwigshafen stillgelegt? Wie viele Stellen fallen weg? Solche Fragen treiben natürlich die Mitarbeiter, aber auch die Aktionäre, ihre Vertreter und institutionelle Investoren um. Konkrete Zahlen nannte der Vorstand auch am Freitag nicht. Derzeit schmerze der Umbau die Aktionäre noch, so Christiane Hölz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, DSW. Der BASF-Aktienkurs hat sich in den vergangenen Monaten schlechter entwickelt als der DAX. Die Dividende für 2024 fällt mit 2,25 Euro je Aktie kleiner aus als im Vorjahr mit 3,40 Euro.
Kamieth und seine Vorstandstruppe bekommen auch Lob. Die BASF besinne wieder auf das, „was sie am besten kann und was sie ist“, sagt Arne Rautenberg von der Fondsgesellschaft Union Investment. Das Management habe gezeigt, „der Dinosaurier BASF lebt“, lobte Linus Vogel von Deka Investment. Der Vorstand habe dem Konzern eine „Frischzellenkur“ verordnet.
Fast alle, die sich am Freitag in der Hauptversammlung zu Wort meldeten, kritisieren, dass diese nur virtuell stattfindet. „Vorstand und Aufsichtsrat sollen den Aktionären persönlich Rede und Antwort stehen, statt sich im virtuellen Raum zu verschanzen und wegzuducken“, kritisierte Union-Experte Rautenberg. Kamieth kann sich künftig einen Wechsel zwischen virtuellem und physischem Format, vorstellen, und zum Beispiel mindestens alle vier Jahre ein Treffen in Präsenz. Ein hybrides Format, also eine Veranstaltung sowohl in Präsenz als auch virtuell, lehnt er ab. So bekam dann auch in der Abstimmung der Tagesordnungspunkt, der den Vorstand dazu ermächtigt, auch künftig virtuelle Hauptversammlungen durchzuführen, von den Aktionären die geringste, aber mit knapp 86 Prozent der abgegebenen Stimmen immer noch eine deutliche Zustimmung.