Süddeutsche Zeitung

Konjunktur:Wie die Gewinnwarnung von BASF die gesamte Branche belastet

Lesezeit: 4 min

Von Elisabeth Dostert, München

In ihrer Wucht übertraf die Nachricht alle Erwartungen: Der Chemiekonzern BASF hat für das Geschäftsjahr 2019 eine Gewinnwarnung herausgegeben. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Sondereffekten werde um bis zu 30 Prozent unter dem Vorjahr liegen, kündigte der Konzern am Montagabend an. Bislang war der Vorstand noch von einem leichten Anstieg ausgegangen. Der Handelskonflikt zwischen den USA und China und die Folgen für Autoindustrie und Agrarwirtschaft belasten die BASF. Hinzu kommt, dass die Bauern in den USA wegen des schlechten Wetters weniger wichtige Feldkulturen angebaut haben wie Mais oder Soja und weniger Pflanzenschutz kaufen.

Die Wirkung der Nachricht reicht weit über das Unternehmen hinaus. Wie weit, das zeigte sich an der Börse. Am Dienstag brach der Aktienkurs des Ludwigshafener Konzerns in der Spitze um 6,5 Prozent auf 58,55 Euro ein. BASF riss andere Chemietitel mit sich wie Covestro, Lanxess oder Wacker Chemie. Auch sie verbuchten kräftige Kursverluste. Am Nachmittag bestätigte Lanxess seine Ergebnisprognose für das Jahr. BASF ist nicht der erste Konzern, der seine Prognose revidiert. In den vergangenen Wochen haben Autohersteller und Zulieferer ihre Planungen zum Teil deutlich nach unten korrigiert. Mit jeder neuen Warnung wächst die Furcht vor einem wirtschaftlichen Abschwung in Deutschland.

Nicht die Korrektur bei BASF an sich überrascht, wohl aber das Ausmaß. "Die Größe und die Dauer des Nachfrageeinbruchs liegt weit über unseren ursprünglichen Erwartungen", sagt Thomas Wrigglesworth, Analyst der Citigroup, zu Bloomberg. Für ihn sieht das nach Großreinemachen aus, nach dem Motto: Besser jetzt ein Paukenschlag, als über Monate hin verteilt viele kleine Trommelwirbel. Schon vor der Nachricht am Montag hatte die Privatbank Berenberg die Aussichten für BASF gedämpft. Das zweite Quartal des Konzerns dürfte schwach ausfallen und die Konsensschätzungen klar verfehlen, schrieb Analyst Sebastian Bray in seiner Anfang Juli veröffentlichten Studie. Als Gründe hatte Bray das schwierige Umfeld für die Industrieproduktion und die Autobranche in China, wartungsbedingte Produktionspausen an mehreren Standorten und ein extrem schwaches Agrargeschäft genannt.

Die Chemieindustrie bekommt eine Konjunkturwende besonders früh zu spüren

Bereits Ende Juni hatte BASF angekündigt, bis Ende 2021 weltweit 6000 Stellen zu streichen, die Hälfte davon in Deutschland, sehr viele am Stammsitz in Ludwigshafen. Erst vergangene Woche hatte der Chemie-Branchenverband VCI nach einem schwachen Halbjahr seine Prognose für 2019 gesenkt. Im März ging der VCI noch von einem Rückgang um 3,5 Prozent aus, jetzt rechnet er mit minus vier Prozent.

Die Chemieindustrie ist ein Frühzykliker, ebenso wie große Anlageproduzenten wie Siemens oder ABB. Diese bekommen eine Konjunkturwende also besonders früh zu spüren. Die Abnehmer investieren, wenn sich die Aussichten verschlechtern weniger oder im schlimmsten Fall überhaupt nicht mehr in neue Produktionsanlagen oder bestellen weniger Rohstoffe und Vorprodukte, um sie zu eigenen Produkten zu verarbeiten, die dann Wochen, manchmal auch erst Monate später auf dem Markt und beim Endverbraucher landen.

BASF beispielsweise beliefert die Autoindustrie mit Lacken. Häufiger ist die Kette bis zum fertigen Produkt länger. Zum Produktportfolio des Konzerns gehören auch Vorprodukte, aus denen die Abnehmer Leichtbauteile herstellen, etwa Frontblenden für Lkw oder Stoßfänger. Ein wichtiges Produkt im Sortiment sind Isocyanate, aus denen BASF wiederum Polyurethane herstellt. Die gehen dann unter anderem an die Hersteller von Armaturenbrettern oder Schaumstoffen, mit denen dann Autositze gepolstert werden. Abnehmer solcher Produkte sind nicht die großen Autohersteller selbst, sondern deren Zulieferer. Werden weniger Autos gebaut, wie jetzt, braucht es weniger Lacke, Armaturenbretter, Sitze und vieles mehr.

Bereits das zweite Quartal lief mies

Die Autoindustrie ist - direkt oder indirekt über Zulieferer - der größte Kunde von BASF. Schon in der zweiten Jahreshälfte kühlte der Markt spürbar ab, berichtete BASF-Vorstandschef Martin Brudermüller schon bei der Vorlage des ersten Quartalsberichts. Brudermüller hatte in den vergangenen Wochen seine Prognose stets an Bedingungen geknüpft. Die Entschärfung des Handelsstreits zwischen China und den USA war ein sehr großes "Wenn". Aber die Beziehungen zwischen den beiden Staaten haben sich in den vergangenen Monaten nicht entspannt, sondern tendenziell verschärft. Der G 20-Gipfel Ende Juni habe gezeigt, dass nicht mit einer schnellen Entspannung im zweiten Halbjahr 2019 zu rechnen sei, heißt es in der Mitteilung von Montagabend: "Insgesamt bleibt die Unsicherheit hoch." Unter solchen Annahmen war die bisherige Prognose nicht zu halten.

Das zweite Quartal lief bereits mies. Der Umsatz sank um vier Prozent auf 15,2 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis (Ebit) vor Sondereinflüssen werde voraussichtlich eine Milliarde Euro betragen, im gleichen Vorjahresquartal war es doppelt so hoch. Der Konzern nennt mehrere Gründe. Wegen, wie es heißt, turnusmäßiger Wartungsarbeiten standen Steamcracker in Port Arthur im US-Bundesstaat Texas und im belgischen Antwerpen still. Cracker sind der Anfang von allem, in ihnen wird Rohbenzin in kürzere Kohlenstoffmoleküle wie Propen und Ethen zerlegt, sie sind der Ausgangsstoff für eine Reihe von Produkten, etwa Lacke, Kunstharze, Pflanzenschutzmittel oder Vitamine. Noch deutlicher brach im zweiten Quartal der Gewinn vor Zinsen und Steuern ein - um 71 Prozent auf voraussichtlich eine halbe Milliarde Euro. Heftig zu Buche schlagen die Abschreibung einer auf Erdgas basierenden Investition an der US-Golfküste und die Kosten für das im November angekündigte Exzellenzprogramm, das den Konzern profitabler machen soll. Brudermüller will alte Strukturen aufbrechen und den Konzern transparenter, schneller, digitaler, innovativer, effizienter und nachhaltiger machen. "Wir gehen jetzt in den Maschinenraum der BASF", sagte der Vorstandschef im Herbst: "Manche Mitarbeiter fühlen heute nicht den Puls des Kunden."

Brudermüller, 58 und Chemiker, ist seit Frühjahr 2018 Vorstandschef, er macht Druck. Es gibt viel zu tun im Maschinenraum: Brudermüller muss auch die Digitalisierung vorantreiben und den Konzern auf den Klimawandel einstellen.

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Quelle:
SZ vom 10.07.2019
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