Chemieindustrie:BASF legt in Ludwigshafen Anlagen still

Chemieindustrie: Ludwigshafen werde der größte und am stärksten integrierte Standort der Gruppe bleiben, sagt BASF-Vorstandschef Martin Brudermüller bei der Bilanzpressekonferenz.

Ludwigshafen werde der größte und am stärksten integrierte Standort der Gruppe bleiben, sagt BASF-Vorstandschef Martin Brudermüller bei der Bilanzpressekonferenz.

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Der Dax-Konzern leidet unter den hohen Erdgaspreisen in Europa. Nun zieht BASF die Konsequenzen. Tausende Stellen fallen weg und in Ludwigshafen wird eine der beiden Anlagen für Ammoniak abgeschaltet. 

Von Elisabeth Dostert, Ludwigshafen

An den Wänden des Konferenzzentrums von BASF am Stammsitz in Ludwigshafen stehen Sprüche, die so recht nach dem Geschmack von Vorstandschef Martin Brudermüller sein dürften. "The future is not what you dream, but what you make", lautet einer der Sätze: "Die Zukunft ist nicht das, was Du träumst, sondern das, was Du machst." Brudermüller ist auch so ein Macher. Und bis zu seinem Ausscheiden im Frühjahr 2024 gibt es viel zu machen.

Die infolge des Angriffskrieges Russlands in der Ukraine gestiegenen Preise für Erdgas, das der Chemiekonzern sowohl als Rohstoff, als auch als Energieträger einsetzt, belasten das Geschäft stark. Märkte brachen ein. Rund vier Prozent des gesamten deutschen Gaskonsums entfielen laut BASF im Jahr 2021 auf Ludwigshafen. 2022 habe BASF weltweit 3,2 Milliarden Euro höhere Energiekosten gehabt, davon entfielen 2,7 Milliarden Euro auf Europa und da vor allem auf den Verbundstandort in Ludwigshafen.

Brudermüller erwartet, dass die Erdgaspreise in Europa "auf Dauer" deutlich höher bleiben als in früheren Jahren, vor allem im Vergleich zu anderen Regionen, insbesondere den USA und dem Mittleren Osten. "Wettbewerbskraft ist keine absolute, sondern eine relative Größe", sagt Brudermüller am Freitag bei der Bilanzpressekonferenz. Wie stets beklagt er die "Überregulierung" in Europa, die "langsamen und bürokratischen Genehmigungsverfahren" und die hohen Kosten für viele Produktionsfaktoren. Das sei seit vielen Jahren so. Die Energiepreise belasteten zusätzlich.

"Den meisten" werde man einen Job in einem anderen Betrieb anbieten können

BASF muss sparen. Der Konzern will Strukturen straffen, zentrale Dienste wie etwa Beschaffung oder IT in seinen "Hubs" bündeln. Dadurch fallen konzernweit 3500 Stellen weg, gut die Hälfte in Ludwigshafen. Allerdings sollen auch 900 Stellen in den Hubs aufgebaut werden. In der Produktion in Ludwigshafen trifft es durch die Stilllegung von Anlagen weitere 700 Stellen. Betriebsbedingte Kündigungen gibt es dort bis Ende 2025 aufgrund einer Betriebsvereinbarung nicht. Brudermüller äußerte sich zuversichtlich, dass man "den meisten" der betroffenen 700 Mitarbeitenden aus Ludwigshafen in anderen Betrieben von BASF Jobs anbieten könne. Das liege vor allem an einem Grund: "Die Baby-Boomer-Generation schlägt voll zu", sagt Melanie Maas-Brunner, Technologievorstand und zuständig für Ludwigshafen. Die Zahl der Mitarbeiter, die in Rente gehen, steigt, und es gebe offene Stellen. Währenddessen kritisierten der Betriebsrat und die Gewerkschaft IGBCE in einer eigenen Pressekonferenz am Freitag den Stellenabbau. Die Ankündigung habe in der Belegschaft "Angst, Wut und Verzweiflung ausgelöst", sagt Sinischa Horvat, Chef des Konzernbetriebsrates und Mitglied im BASF-Aufsichtsrat. BASF brauche Menschen für die geplante Transformation zu grüner Energie und Kreislaufwirtschaft.

In Ludwigshafen werden einige Anlagen stillgelegt, auch eine der beiden zur Produktion von Ammoniak. Für seine Herstellung würden in Ludwigshafen die größten Mengen an Erdgas als Rohstoff verbraucht, so Brudermüller. Ammoniak ist Ausgangsstoff für viele Produkte, zum Beispiel für Dünger und sehr viele Kunststoffe. Die meisten Anlagen seien schon älter und längst abgeschrieben. Das gilt nicht für die TDI-Anlage, die ebenfalls abgeschaltet werden soll, sie ist nicht so alt. Auch sie liefert Vorprodukte für Kunststoffe, aus denen dann beispielsweise Schäume für Matratzen und Polster für Autositze hergestellt werden. Mehr als eine Milliarde Euro hat sie gekostet. Zur Einweihung im November 2015 kam der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der sie, so wird er in Berichten von damals zitiert, als "wichtiger Baustein zum Erhalt der industriellen Basis in Deutschland" bezeichnete. Aus heutiger Sicht muss man wohl sagen, richtig rund lief die TDI-Anlage nie.

Anpassungen habe es in Ludwigshafen schon immer gegeben. Es werde der größte und am stärksten integrierte Standort der Gruppe bleiben, sagt Brudermüller. "Wir fahren Ludwigshafen nicht runter." Er werde sich künftig jedoch stärker auf die Versorgung des europäischen Marktes konzentrieren.

Brudermüller hält an China fest und baut einen neuen Standort

Erste Zahlen zum Geschäftsjahr 2022 hatte der Konzern schon Mitte Januar veröffentlicht. Der Umsatz stieg um gut elf Prozent auf 87,3 Milliarden Euro, das Ergebnis vor Zinsen und Steuern sank um knapp 15 Prozent auf 6,5 Milliarden Euro. Nach Steuern machte der Konzern 627 Millionen Euro Verlust nach 5,5 Milliarden Euro Gewinn im Vorjahr. In Deutschland machte BASF 2022 operativ Verlust. Im vierten Quartal 2022 sank der Umsatz um 2,3 Prozent auf 19,3 Milliarden Euro, das Ergebnis vor Zinsen und Steuern brach auf 119 Millionen Euro ein, das ist ein knappes Zehntel des operativen Gewinns im gleichen Vorjahreszeitraum. Nach Steuern steht im Quartal ein Verlust von 4,8 Milliarden Euro nach fast 900 Millionen Euro Gewinn im vierten Quartal 2021. Allein bei der Beteiligung am Energiekonzern Wintershall Dea fielen nicht-zahlungswirksame Wertberichtigungen von 4,7 Milliarden Euro an. BASF will die Beteiligung loswerden.

An den Investitionen in China will Brudermüller festhalten. In Zhanjiang baut BASF für zehn Milliarden Euro einen neuen Standort. "So etwas können sie nicht halb oder drei Viertel machen. Das können sie nur ganz oder gar nicht machen", sagt Brudermüller. "Wir sind uns der Risiken bewusst, aber die Chancen überwiegen die Risiken." Er stellt jetzt selbst ein paar Fragen und liefert auch gleich die Antworten. "Gibt es Risiken: Natürlich. Gibt es auch ein Desaster-Risiko eines Überfalls auf Taiwan? Auch das gibt es. Das wäre vermutlich im Extremfall ein Totalausfall unseres China-Geschäftes weit über den Standort hinaus", sagt Brudermüller. "Wenn das passiert, ist das nicht unser einziges Problem. Dann bleibt weltwirtschaftlich kein Stein auf dem anderen."

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