Süddeutsche Zeitung

Altersgerechtes Wohnen:Wie der barrierefreie Umbau gelingt

Elektrischer Treppenlift, breitere Türen, stufenloser Zugang: Ein Haus oder eine Wohnung barrierefrei zu gestalten, kann schnell teuer werden. Je nach Situation gibt es aber auch finanzielle Förderung.

Von Anette Stein

Bis ins hohe Alter selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben - das wünschen sich die meisten Menschen. In Deutschland ist seniorengerechter Wohnraum allerdings Mangelware. Nach Zahlen der Förderbank KfW und des Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat lebten hierzulande Ende 2018 in rund drei Millionen Haushalten Bewohnerinnen und Bewohner mit eingeschränkter Mobilität. Dem standen jedoch nur rund 560 000 barrierearme Wohnungen gegenüber - das sind gerade einmal 1,5 Prozent der 37 Millionen Wohnungen und Einfamilienhäuser in Deutschland.

Diese große Versorgungslücke bleibt der KfW-Studie nach auch in Zukunft weiter bestehen, im Jahr 2035 sollen demnach etwa zwei Millionen barrierearme Wohnungen für Menschen mit körperlichen Einschränkungen fehlen. Zwar sei aufgrund steigender gesetzlicher Auflagen jährlich mit durchschnittlich 52 000 neu gebauten barrierearmen Wohnungen zu rechnen, und es entstünden zusätzlich etwa 12 500 Einheiten, weil immer mehr Häuser altersgerecht umgebaut werden. Der demografische Wandel und der Trend zu Singlehaushalten steigere aber auch den Bedarf. Um das Missverhältnis aus Wohnungsangebot und tatsächlichem Bedarf aufzulösen, seien daher staatliche Investitionsanreize nötig.

Barrieren schränken die Selbständigkeit ein und führen zu Unfällen und Stürzen

Um- und Neubauten können die Lebensqualität von Betroffenen und deren Angehörigen erheblich verbessern, denn Treppenstufen, Schwellen, zu kleine Bewegungsflächen und zu enge Türen erschweren vielen älteren oder beeinträchtigten Menschen das Leben. Sie schränken die Bewohnerinnen und Bewohner aber nicht nur ein, immer wieder kommt es auch zu Unfällen und Stürzen. Oft verhindert die Wohnsituation auch eine Pflege zu Hause durch Angehörige oder Pflegekräfte, sodass der Umzug in ein Heim unvermeidbar wird.

Wer also weiterhin in den vertrauten vier Wänden leben möchte, auch wenn er auf einen Rollstuhl oder Rollator angewiesen ist, sollte die Wohnung oder das Haus rechtzeitig umbauen oder sich nach entsprechendem Wohnraum umschauen. Wichtig zu wissen: Die Grundlage für barrierefreies Bauen und Wohnen legt in Deutschland die Grundnorm DIN 18040-2 fest. Sie steckt ab, unter welchen technischen Voraussetzungen bauliche Anlagen barrierefrei sind, und unterscheidet dabei in "barrierefrei nutzbare" und "uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbare" Wohnungen.

Während rollstuhlgerechte Wohnungen gleichzeitig auch barrierefrei sind, da für sie höhere Maßstäbe, beispielsweise bei der Türbreite und den Bewegungsflächen gelten, trifft das andersherum nicht zwangsläufig zu. Viele Wohnungen erfüllen die Vorgaben der DIN-Norm auch nur teilweise, sodass bei der Wohnungssuche Begriffe wie "barrierearm", "altersgerecht" oder "seniorengerecht" berücksichtigt werden sollten.

Inwieweit angebotener Wohnraum den eigenen Erwartungen entspricht, sollten Betroffene daher immer genau vorab klären. Im Miet-, Kauf- oder Bauvertrag sollte außerdem festgeschrieben sein, welche Ausstattungsmerkmale der DIN-Norm entsprechend in der Wohnung umgesetzt wurden. Nur so erlangen Mieter und Käufer die Rechtssicherheit, dass ihre Wohnung oder das Haus die jeweiligen Kriterien auch erfüllt.

Aufstehhilfen, Nachtleuchten mit Bewegungsmelder, höhenverstellbare Waschbecken

Während sich Barrierefreiheit in Neubauten leicht planen und verwirklichen lässt, ist das in Bestandswohnungen oft schwieriger. Fast überall ist es aber möglich, Barrieren abzubauen. "Oft erfolgt dies leider erst, wenn bereits akuter Bedarf besteht und plötzlich alles ganz schnell angepasst werden muss, beispielsweise, weil ein durch einen Sturz körperlich eingeschränkter Bewohner bald aus dem Krankenhaus entlassen und in seine Wohnung zurückkehren wird", sagt Theo Piltz, Wohnberater in der Region Hannover.

Besser sei es, früher Vorsorge zu treffen. Spätestens wenn absehbar sei, dass die eigene Mobilität oder die von Angehörigen nachlasse, sollte man sich mit notwendigen Umbauarbeiten beschäftigen. Ein erster Schritt könne dabei auch sein, sich professionelle Hilfe für die Planung zu suchen. Kommunale Beratungsstellen und Seniorenbüros bieten umfangreiche Informationen (auch zu Finanzhilfen) kostenlos an, bei Bedarf kommen Beraterinnen und Berater oft auch in die betroffene Wohnung oder das Haus.

Nicht immer müssen aber gleich große Umbaumaßnahmen in Angriff genommen werden. Schon das Entfernen von Stolperfallen wie Teppichen oder Kabeln, eine ausreichende Beleuchtung und Haltegriffe am Bett und im Bad können älteren Menschen den Alltag enorm erleichtern und helfen, Stürzen vorzubeugen. "Gerade bei den kleinen Hilfen besteht oft ein großer Beratungsbedarf", sagt Piltz, "denn vielen Betroffenen ist gar nicht bekannt, was es da alles gibt - von elektrischen Aufstehhilfen oder Nachtleuchten mit integriertem Bewegungsmelder, über höhenverstellbare Waschbecken bis zur Möglichkeit, Fenster oder Jalousien ferngesteuert zu öffnen und zu schließen."

Elementare Voraussetzung für seniorengerechten Wohnraum ist baulich betrachtet der stufenlose Zugang zum Hauseingang und bei Wohnungen auch in die höheren Etagen. Ist kein Fahrstuhl vorhanden, können Treppenlifte helfen. Für den ungehinderten Zugang zum Haus kann ein rollstuhlgerechter Weg oder eine Rampe angelegt werden. Zur Grundausstattung im Wohnraum sollte außerdem eine bodengleiche Dusche gehören. Diese und weitere Umbauten wie breitere Türen oder in der Höhe angepasste Lichtschalter, Steckdosen und Türgriffe lassen sich in vielen Wohnungen gut umsetzen.

Ein Knackpunkt ist auch oft der Zugang zu Terrassen oder Balkonen. Hier erschweren häufig Schwellen den Übergang ins Freie. Liegen Balkon und Wohnraum auf einer Ebene, ist ein Ausgleich relativ einfach möglich, dann muss lediglich eine schwellenlose Tür verbaut werden. Wenn zwischen beiden Bereichen aber ein Höhenunterschied besteht, muss beispielsweise eine Rampe her. Ob und wie sich Maßnahmen umsetzen lassen, können Architektinnen und Architekten prüfen, aber auch Tischler oder Metallbauer, die sich auf seniorengerechtes Wohnen spezialisiert haben.

Besonders der Umbau von Bad und Küche stellt große Herausforderungen an die Planung, denn hier stehen oft nicht die in der DIN-Norm geforderten Flächen zur Verfügung. Ein zu kleines Bad kann kaum zur barrierefreien Nasszelle umgebaut werden. Dennoch lassen sich auch kleine Räume meist so anpassen, dass beispielsweise eine Rollstuhlfahrerin trotz der geringen Fläche besser zurechtkommt. Eine bodentiefe Dusche lässt sich fast überall einbauen und klappbare Haltegriffe an der Toilette ebenfalls. Auch die Türbreite kann meist problemlos verändert und statt einer herkömmlichen Tür eine Schiebetür eingebaut werden.

Wie sieht es mit finanziellen Hilfen aus?

Klar ist: Eine Wohnung oder ein Haus zu einem altersgerechten oder barrierearmen Wohnraum umzugestalten, verursacht Kosten, die je nach Ausgangslage sehr hoch sein können. Für das Entfernen von Türschwellen zahlt man beispielsweise einige Hundert Euro, der Einbau eines Treppenlifts schlägt mit etwa 8000 Euro zu Buche, eine bodengleiche Dusche kann je nach Standard bis zu 10 000 Euro kosten.

Je nach Lebenssituation stehen daher auch finanzielle Hilfen für den Umbau zur Verfügung. Wer solche Maßnahmen plant, kann einen günstigen Kredit der Kreditbank für Wiederaufbau (KfW) im Rahmen des Programms "Altersgerecht Umbauen" bekommen. Bis zu 50 000 Euro vergibt die KfW an Eigentümer, die ihr Haus oder ihre Wohnung barrierefrei oder barrierereduziert gestalten wollen.

Auch Mieterinnen und Mieter, die ihre Wohnung mit Zustimmung des Vermieters umbauen wollen, können ein Darlehen bekommen, ebenso wie Personen, die planen, frisch sanierten altersgerechten Wohnraum zu kaufen. Alternativ bietet das Programm einen Zuschuss von maximal 6250 Euro. Wer diesen nutzen möchte, sollte den Antrag möglichst zum Jahresanfang stellen, da die Mittel dafür vom Bundeshaushalt budgetiert werden. Die Förderung gibt es unabhängig von Alter und körperlichen Einschränkungen, sie stehen allen Bevölkerungsgruppen offen.

Viele Bundesländer fördern außerdem über ihre Landeskreditinstitute barrierereduzierende Umbaumaßnahmen und die Schaffung von barrierefreiem Wohnraum - ebenfalls mit Darlehen, manche Länder auch mit Zuschüssen. Bewohnern mit einem Pflegegrad erstattet zudem die Pflegekasse Kosten für Hilfsmittel und bauliche Verbesserungen. So übernimmt sie beispielsweise Kosten für das Pflegebett oder für einen Hausnotruf.

Erstattet werden auch Ausgaben für das Verbreitern von Türen, den Umbau der Küche, den Einbau einer bodengleichen Dusche oder eines Treppenlifts. Dabei liegt der Zuschuss für Umbauten bei maximal 4000 Euro für alle Maßnahmen, die zum selben Zeitpunkt beantragt werden. Ein Anspruch besteht ab Pflegegrad 1 und kann auch ein zweites Mal gewährt werden, wenn weitere Investitionen für ein barrierefreies Leben notwendig sind.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5483020
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/case
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.