Barilla:Al dente reicht nicht

Barilla: Im Anzug zwischen Hartweizenkorn: Paolo Barilla, einer der Firmenchefs.

Im Anzug zwischen Hartweizenkorn: Paolo Barilla, einer der Firmenchefs.

Die Barilla-Brüder sind davon überzeugt, dass nur gesunde Lebensmittel auch umweltschonend sind und haben die Produktionskette ökologisch nachhaltig ausgerichtet.

Von Ulrike Sauer, Parma

Es ist laut und schwül in der größten Nudelfabrik der Welt. Aus einem Schlund fallen kurze Casarecce auf Transportbänder. Der Hartweizenteig ist lauwarm, weich und duftet. An der Produktionslinie 2 sausen dünne Spaghetti-Fäden durch eine metallisch klappernde, fünf Meter hohe Anlage, die wie ein Webstuhl anmutet. Durchs Barilla-Stammwerk in Parma weht trotz Vollautomatisierung der Charme des alten Maschinenzeitalters.

Was wie ein Bollwerk der old economy wirkt, steckt voller Innovationen. Fahrerlose Gabelstapler kreuzen durch die Hallen. Barilla betreibt einen digitalen 3D-Nudeldrucker. "Unsere Spaghetti sehen genauso aus, wie die Spaghetti unseres Ur-Großvaters, aber wir haben das System von Grund auf geändert", sagt Paolo Barilla, der den Weltmarktführer zusammen mit seinen Brüdern Guido und Luca lenkt. Zukunft ist bei dem 140 Jahre alten Nahrungsmittelhersteller aus Parma ein großes Thema.

"Gebt den Menschen die Nahrung, die ihr auch euren Kindern gebt."

Innovationen fänden sich in der gesamten Produktionskette vom Korn bis zur Nudel, sagt Paolo Barilla. Der frühere Rennfahrer redet über das Konzernprogramm "Gut für Dich, gut für den Planeten". Damit richtet die Pasta-Dynastie in der vierten Generation seit sieben Jahren den Weltmarktführer auf Nachhaltigkeit aus. Der Grundgedanke: Gesunde Lebensmittel sind auch in der Herstellung umweltschonender als die Produkte, die nur selten verzehrt werden sollten. "Nachhaltigkeit ist ein Modewort, aber es ist unentbehrlich", sagt Barilla. Unternehmen seien keine isolierten Einheiten, sondern Teil einer globalen Anstrengung, die Umweltzerstörung zu stoppen. Sein Ur-Opa Pietro, der 1877 einen kleinen Brot- und Pasta-Laden in der Altstadt von Parma gegründet hat, arbeitete noch nach der Devise: "Gebt den Menschen die Nahrung, die ihr auch euren Kindern gebt". Heute reiche die globale Verantwortung von Unternehmern noch weiter, glauben die Ur-Enkel.

Sie fange auf dem Kornfeld hinter der Fabrik an. Um den Anbau des Hartweizens umweltschonender zu machen, setzt der Konzern auf die Zusammenarbeit mit den Landwirten. Barilla kooperiert direkt mit 1500 Landwirten in ganz Italien. In Verträgen sichert das Unternehmen den Weizenbauern für drei Jahre die Abnahme ihrer Ernte zu einem erhöhten Preis zu. Mit der Software Granoduro.net bietet der Nudelhersteller Entscheidungshilfen zur Steigerung der Erträge und der Wettbewerbsfähigkeit an.

Damit analysiert er das Mikroklima und die Bodenbeschaffenheit. Im Gegenzug verpflichten sich die Agrarpartner zur Beachtung der "Zehn Gebote des nachhaltigen Weizenanbaus", die der intensiven Landwirtschaft entgegenwirken sollen. 2016 steigerte Barilla die Menge des Hartweizens aus nachhaltigem Anbau um 30 Prozent auf 190 000 Tonnen. Im laufenden Jahr sollen 250 000 Tonnen erreicht werden. Damit könnte das Unternehmen mehr als ein Drittel seines Bedarfs decken.

Dank der neuen Anbaumethoden und der digitalen Plattform reduzierte sich der Ausstoß von Treibhausgasen pro Tonne Weizen um 28 Prozent. Der Wasserverbrauch wurde gegenüber 2010 um 21 Prozent gesenkt. Die Weizenbauern steigerten ihren Ertrag pro Hektar um 20 Prozent.

In der Welt leiden 2,1 Milliarden Menschen an Übergewicht und 800 000 an Hunger

Die Neuausrichtung nach dem Motto "Gut für Dich, gut für den Planeten" betrifft auch den Kunden direkt. Seit 2010 hat Barilla 360 Produkte unter gesundheitlichen Gesichtspunkten verbessert. Es wurden 740 000 Tonnen Salz eingespart und 360 000 Tonnen Fett, sagt Victoria Spadaro-Grant, Technikvorstand des Konzerns. 2016 beschleunigte man den Prozess durch die Entscheidung, Palmöl aus den Backwaren zu verbannen. Im vergangenen Sommer stellte Barilla die Rezeptur von 150 Produkten um und eliminierte auf einen Schlag 4350 Tonnen des umstrittenen Tropenfetts. "Palmöl enthält den höchsten Anteil an gesättigten Fetten", begründet Spadaro-Grant den Entschluss. Die italienischen Konkurrenten zogen sofort nach.

In Parma rührte sich kein Nischenhersteller, sondern der größte italienische Nahrungsmittelkonzern mit 3,4 Milliarden Euro Umsatz. Barilla ist Weltmarktführer bei Nudeln, die Nummer eins in Europa bei Pasta-Soßen, in Italien bei Backwaren und in Skandinavien bei Knäckebrot. Weltweit stellt Barilla an 29 Standorten 1,8 Millionen Tonnen Lebensmittel her.

Die Barilla-Brüder wollen mit der Änderung ihrer Geschäftsphilosophie ihrer Verantwortung als Unternehmer in einer Welt gerecht werden, in der 2,1 Milliarden Menschen an Übergewicht und 800 000 an Hunger leiden. Nur 47 Prozent der verfügbaren Lebensmittel werde heute für die menschliche Ernährung eingesetzt. "Die Menschen sollten weniger und besser essen", sagt Konzernpräsident Guido Barilla. Das könne zwar fälschlicherweise als ein Widerspruch zu den Interessen eines Unternehmens aufgefasst werden. "Aber wir müssen in der Gegenwart einfach sehr gut die Zukunft planen", sagt das Familienoberhaupt.

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