Barack Obama:Die Billionen-Dollar-Last

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Große Herausforderungen für den neuen Präsidenten: Barack Obama muss eine Weltwirtschaftskrise verhindern - und zugleich ein horrendes Staatsdefizit schultern.

Nikolaus Piper

Vermutlich hat sich das Schicksal von John McCain am 24. September entschieden. An diesem Tag unterbrach der republikanische Bewerber seinen Wahlkampf und fuhr nach Washington, um irgendwie bei der Verabschiedung des 700-Milliarden-Rettungspaketes für die Banken im Kongress zu helfen. Das sah schon damals nach hilfloser Gschaftlhuberei aus. Barack Obama dagegen reagierte kühl und überlegt. Er unterstützte das Paket der Bush-Regierung im Kern und sagte zugleich, was er besser machen würde. "Die Aufgabe des nächsten Präsidenten wird es sein, eine Weltwirtschaftskrise zu verhindern", sagte Obamas oberster Wirtschaftsberater Austan Goolsbee später. Daher sei es so wichtig, einen Präsidenten zu haben, der in schwierigen Zeiten cool bleibe.

Er hat's geschafft: Barack Obama ist neuer Präsident der USA. (Foto: Foto: AP)

Die Fähigkeit Obamas, unter extremem Stress cool zu bleiben, könnte beim Umgang mit der Finanzkrise zu einem entscheidenden Pluspunkt werden. Die Last auf seinen Schultern ist riesig. Anders als andere gewählte Präsidenten vor ihm wird er mit seinen Entscheidungen nicht bis zur Inauguration am 20. Januar warten können. Ein erstes Datum ist der 15. November. An dem Tag kommt in Washington auf Einladung des scheidenden Präsidenten George W. Bush der Weltfinanzgipfel von 20 Industrie- und Schwellenländern zusammen. Für Obama ein schwieriges Abwägungsproblem: Einerseits muss er seine Distanz zu Bush so groß wie möglich halten, andererseits hätte der Gipfel wenig Sinn, wüssten die Teilnehmer nicht, was der neue Mann im Weißen Haus will. Wie wenig Zeit Obama hat, machten die Weltbörsen klar. Die sonst nach einem klaren Sieg bei Präsidentenwahlen übliche Rally blieb aus, die Aktienkurse in Europa und Amerika gingen zurück, weil sich die Zeichen für eine Rezession mehrten.

Schlüsselrolle für Volcker

Eine Schlüsselrolle in Barack Obamas Krisenpolitik hat Paul Volcker. Der 81-Jährige war von 1979 bis 1987 Präsident der Notenbank Federal Reserve und unterstützte Obama im Wahlkampf und hatte mit ihm tagtäglich über die richtigen Schritte im Umgang mit der Krise beraten. 1984 hatte er den Krach um den Zusammenbruch der Bank Continental Illinois gemeistert, bei dem sich im Miniaturmaßstab ähnliche Probleme stellten wie heute. Volcker ist Mitglied der "Gruppe der 30", einem internationalen Club von Notenbankern und Ökonomen.

Anfang Oktober hatte er im Auftrag der Gruppe ein Konzept für die Reform der Bankenregulierung auf globaler Ebene vorgelegt. Ob Volcker tatsächlich, wie einige in Washington vermuten, eine Zeitlang das Finanzministerium leiten wird, war bei Redaktionsschluss noch offen.

Obamas Krisenpolitik hat einen kurzfristigen und einen langfristigen Aspekt.

Kurzfristig wird sein Team mit Noch-Finanzminister Henry Paulson bei der Umsetzung des Bankenpaketes zusammenarbeiten. Das geht hin bis zu der Frage, an welcher Bank der Staat Anteile erwerben soll und an welchen nicht. Schon vor der Wahl hatte Paulson beide Kandidaten regelmäßig vorab über seine Schritte gerichtet. Der Minister hat ein Übergangsteam unter Leitung seines Stabschefs Jim Wilkinson etabliert, das sich mit Obamas Beratern abstimmen wird.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum sich Europäer keine Hoffnungen machen sollten, dass die Unterschiede zu den Amerikaner in Sachen Finanzmarktregulierung über Nacht verschwinden werden.

Noch in diesem Monat wird der alte Kongress zu einer letzten Sitzung zusammenkommen, um ein neues Konjunkturprogramm zu beschließen. Obama hatte im Wahlkampf ein 175-Milliarden-Dollar-Paket gefordert, das unter anderem Barschecks für Verbraucher, Steuernachlässe für die Schaffung neuer Arbeitsplätze und staatliche Bauprogramme enthalten soll. Angesichts der neuen Macht der Demokraten könnte der Umfang des Programms 200 Milliarden Dollar erreichen. Außerdem könnte Obama ein von vielen Demokraten gewünschtes 90-Tage-Moratorium für Zwangsversteigerungen durchsetzen.

Streit mit den Bankern

Vielleicht wird der neue Präsident auch einen anderen alten Wunsch der Demokraten im Kongress erfüllen und ein Gesetz zur Änderung des Konkursrechts einbringen. Dadurch sollen Richter die Möglichkeit bekommen, geltende Kreditverträge nachträglich zu ändern. Der Plan wird von den Banken vehement abgelehnt. Langfristig geht es in Washington um eine "Generalüberholung" (Zitat Obama) der Bankenaufsicht. Diese wird viele technische Details umfassen, die nur von Fachleuten zu verstehen sind. Unstrittig ist aber, dass die zersplitterte Finanzmarktaufsicht vereinheitlicht und eine zentrale Regulierungsbehörde geschaffen werden muss. Wahrscheinlich werden die Kompetenzen der Börsenaufsicht SEC entsprechend erweitert. Der einflussreiche demokratische Senator Charles Schumer sprach sich dafür aus, Hedgefonds künftig ebenso zu regulieren wie normale Banken. Diese Forderung hatte die deutsche Regierung schon im vorigen Jahr erhoben, aber in Washington kein Gehör gefunden.

Darüber hinaus sollten sich die Europäer aber keine Hoffnungen machen, dass die Unterschiede zu den Amerikaner in Sachen Finanzmarktregulierung über Nacht verschwinden werden. Einer der wichtigsten Wirtschaftsberater Obamas, der frühere Finanzminister Larry Summers, machte schon vor Wochen klar, dass die USA nicht die Alleinschuld an der Krise akzeptieren und immer darauf achten werden, dass bei aller Regulierung das freie Spiel der Marktkräfte nicht eingeschränkt wird.

Washingtoner Geflecht

Eine Lösung muss Obamas Team schließlich für die beiden unter staatlicher Zwangsverwaltung stehenden Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac finden. Unstrittig ist, dass deren Zwitterstatus - private Aktiengesellschaften, die aber mit einer impliziten Staatsgarantie versehen sind - zur Spekulationsblase auf dem Häusermarkt und damit zur jetzigen Krise beigetragen hat. Ob Obama diese im Washingtoner Interessengeflecht fest verankerten Institute zerschlagen wird, ist ungewiss. Untrennbar mit der Finanzkrise verbunden ist die Solidität des amerikanischen Staatshaushalts. Obama wird im nächsten Jahr vermutlich ein Staatsdefizit in der bis vor kurzem noch unvorstellbaren Höhe von einer Billion Dollar verantworten. Es muss darauf achten, dass angesichts dieser Zahlen nicht das Vertrauen in die amerikanische Finanzpolitik komplett verloren geht.

Ex-Finanzminister Robert Rubin, der ebenfalls zu Obamas Team gehört, baute hier noch vor dem Wahlsieg auf bemerkenswerte Weise vor. Zusammen mit Jared Bernstein, einem Ökonomen von dem gewerkschaftsnahen Economic Policy Institute in Washington, warnte Rubin in einem Meinungsbeitrag für die New York Times die Demokraten davor, alte Fehler zu wiederholen. Das neue Konjunkturprogramm müsse verbunden werden mit einem "Mehrjahres-Programm zur Rückkehr zu soliden Haushaltsbedingungen".

© SZ vom 06.11.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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