Süddeutsche Zeitung

Bankmanager nach der US-Finanzkrise:Die Unantastbaren

Die US-Börsenaufsicht SEC schafft es nicht, kriminelle Finanz-Bosse hinter Gitter zu bringen - sie haben sich der Justiz entzogen. Jetzt nominierte die US-Regierung die frühere Strafverfolgerin Mary Jo White als Chefin der SEC. Das ist als Warnung zu verstehen.

Von Moritz Koch, New York

Vergangene Woche weilten die Unantastbaren in den Schweizer Bergen. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos waren die Herren der Wall Street gern gesehen. Manager von Goldman Sachs, Bank of America, JP Morgan, Citigroup und Morgan Stanley philosophierten über die Konjunktur im fünften Jahr nach dem großen Crash.

Die Bilanz der Finanzkrise von 2008 ist längst gezogen. Sie hat Hunderte Milliarden Dollar gekostet und ungezählte Existenzen zerstört. Nur eine Frage bleibt: Wo sind die Handschellen? Kein amerikanischer Spitzenbanker ist wegen betrügerischer Geschäftspraktiken vor der großen Krise in einem Strafverfahren verurteilt worden. Auch Zivilverfahren wurden in den meisten Fällen beigelegt, bevor es zum Richterspruch kommen und die Schuldfrage geklärt werden konnte. Das Establishment hat sich der Justiz entzogen.

Doch die Amerikaner haben nicht vergessen. Die offenkundige Immunität der Hochfinanz erregt die Gemüter immer noch. Das spürt auch die US-Regierung. Am Donnerstag nominierte sie die frühere Strafverfolgerin Mary Jo White als Chefin der Börsenaufsicht SEC. Die Personalentscheidung war als Warnung zu verstehen: Die Wall Street möge sich in Acht nehmen. "Man legt sich besser nicht mit Mary Jo an", sagte Präsident Barack Obama, als er die zierliche 65-Jährige im Weißen Haus vorstellte, die in ihrer langen Karriere schon Terroristen und Mafiabosse hinter Gitter gebracht hat.

Nur Strafen gegen Anlagebetrüger

Doch die Furcht der Wall Street vor ihren Kontrolleuren hält sich in Grenzen. Zum einen kann White als SEC-Chefin keine Strafverfahren vorbringen. Die Behörde muss sich auf Zivilklagen beschränken und ist für alles Weitere auf die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft angewiesen. Zum anderen hat es in den vergangenen Jahre oft Statements aus Washington gegeben, die bissig klangen, aber folgenlos blieben. Wahrscheinlich sind die Banker selbst überrascht, wie nachsichtig mit ihnen umgegangen wird.

Nicht immer waren die Strafverfolger so zurückhaltend. Ende der achtziger Jahre erschütterte schon einmal eine Finanzkrise die USA. Die Schäden der Savings and Loans Crisis, die etliche Sparkassen in die Pleite riss, waren weitaus geringer als die Auswirkungen des Absturzes von 2008. Doch die Reaktion der Behörden war um ein Vielfaches härter. Mehr als 1000 Banker wurden damals verurteilt. Und heute? Ja, es gab Prozesse gegen Banker und Financiers. Aber wenn Strafen verhängt wurden, standen sie nicht im Zusammenhang mit der Finanzkrise und den Fehlspekulationen am Immobilienmarkt, die sie ausgelöst hatten. Sie richteten sich gegen Anlagebetrüger wie Bernie Madoff und Insiderhändler wie Rajat Gupta.

Dabei gibt es genug Anhaltspunkte für eine Strafverfolgung, die sich gegen die Verursacher der Finanzkrise richtet. Auf allen Ebenen des Finanzsystems finden sich Spuren des Betrugs. Das erste Glied in der Kette bildeten die Hypothekenbanken. Als der Immobilienmarkt boomte, wurden Kreditprüfungen systematisch geschönt. Das Ziel der Hypothekenbanken war es, Darlehen praktisch an jeden zu verschleudern, der zur Tür hineinkam. Die Ramschkredite konnten schließlich an Wall-Street-Institute weiterverscherbelt werden. Die Großbanken wiederum bündelten und tranchierten die Hypotheken und verarbeiteten sie zu Wertpapieren, die sie in alle Welt verkauften.

Mehr Gefährtin als Gegenspielerin

Erst kürzlich musste die Investmentbank Morgan Stanley in einem Gerichtsprozess Dokumente veröffentlichen, die zeigen, dass ihre Angestellten genau wussten, wie toxisch ihre Hypotheken-Produkte waren. Geklagt hatte eine taiwanesische Bank, die mit den Anleihen schwere Verluste erlitt. Der Fall ähnelt den Vorwürfen, die die SEC vor zweieinhalb Jahren gegen Goldman Sachs erhoben hatte - nur um sich letztlich auf einen außergerichtlichen Vergleich einzulassen.

Es ist, als hätten sich die Strafverfolger von frühen Rückschlägen nie erholt. 2009 endete ein Prozess gegen zwei Fondsmanager der untergegangenen Investmentbank Bear Stearns mit Freisprüchen. Ob die Ernennung Whites den Finanzermittlern Mut machen wird, ist zweifelhaft. Die einstige Staranklägerin ist an der Wall Street weniger als Gegenspielerin, sondern als Gefährtin bekannt. Nachdem sie sich 2002 aus der Staatsanwaltschaft zurückzog, verdingte sich White zehn Jahre lang als Rechtsanwältin. Dabei verteidigte sie den früheren Bank-of-America-Chef Ken Lewis und stritt an der Seite von JP Morgan und Morgan Stanley. Das sind Finanzkonzerne, die sie künftig überwachen soll.

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SZ vom 28.01.2013/hgn
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