Diskussion über Rettungsschirm:Wie der Geldzauber funktionieren soll

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Showdown bei der Euro-Rettung: Länder wie Frankreich und Italien wollen den neuen Rettungsschirm ESM mit unbegrenzter Kraft ausstatten. Deutschland ist empört, denn das könnte sehr teuer werden. Doch der Druck, eine ultimative Lösung zu finden, ist groß.

Catherine Hoffmann und Markus Zydra

Die Euro-Rettung ist ein schwieriges Geschäft, gepflastert mit Enttäuschung. Nun wollen Länder wie Frankreich und Italien zum großen Befreiungsschlag ausholen: Der neue Rettungsschirm ESM soll mit einer praktisch unbegrenzten Feuerkraft ausgestattet werden. Die Deutschen sind empört. Doch der Druck, eine ultimative Lösung zu finden, ist groß. Das zeigt allein schon die massive Kapitalflucht aus Krisenländern wie Spanien: Seit Jahresanfang haben Anleger mehr als 160 Milliarden Euro außer Landes geschafft, ein Misstrauensvotum. Ob ein ESM mit Banklizenz die Zweifel zerstreuen kann? Die SZ beantwortet die sieben wichtigsten Fragen zu diesem Plan.

Wie funktioniert die Lösung?

Europa erwägt, den neuen Euro-Schutzschirm ESM mit einer Banklizenz auszustatten, die es ihm erlaubt, sich praktisch unbegrenzt bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zu leihen. Technisch funktioniert das so: Der ESM kauft an den Finanzmärkten Anleihen finanzschwacher Staaten. Dadurch sinkt der Zinssatz etwa für Spanien und Italien. Anschließend reicht der ESM diese Anleihen an die EZB als Sicherheit weiter; im Gegenzug erhält er dafür von der Notenbank einen Kredit.

Braucht der ESM eine extra Banklizenz?

Nein, das ist im ESM-Vertrag Artikel 32 eindeutig geregelt, demnach ist der ESM von der Pflicht befreit, sich als Kreditinstitut lizenzieren zu lassen. Die entscheidende Frage ist vielmehr, ob die EZB den ESM als Geschäftspartner akzeptiert. Das ist umstritten. In einer rechtlichen Stellungnahme hat der frühere EZB-Chef Jean-Claude Trichet am 17. März 2011 erklärt, dass der ESM kein Geschäftspartner der Notenbank sein könne. Hintergrund ist die besondere Rolle des ESM als Financier von Staaten. Der EZB ist die monetäre Staatsfinanzierung verboten, deshalb könne man dem ESM keine Kredite geben, so Trichet damals.

Der Ökonom Thomas Mayer, früher Chefvolkswirt der Deutschen Bank, ist anderer Meinung: "Der Internationale Währungsfonds hat auch Zugang zu Notenbankkrediten; die Bundesbank kann dem IWF Kredit geben. Ich erwarte, dass dies auch auf den ESM zutrifft." Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, meint: "Wenn die EZB das mitmacht, dann widerspricht das dem Geist der Notenbank, nämlich dem der politischen Unabhängigkeit - aber es würde mich nicht wundern, wenn die EZB mitspielt."

Ist das jetzt der große Wurf?

Der ESM kann die Krise entschärfen - zunächst zumindest. "Falls der Fonds EZB-Kredite bekommen sollte, wird das extrem positiv von den Märkten aufgenommen werden", sagt Jochen Felsenheimer, Geschäftsführer des Vermögensverwalters Assenagon. "Die Renditeaufschläge in den Problemländern werden zurückgehen."

Allerdings sei die Gefahr groß, dass die Zentralbank dabei ihre Unabhängigkeit verliert und faktisch zum Staatsfinanzierer mutiert. Untergräbt die Aktion die Glaubwürdigkeit der Währungshüter, wird die Erleichterung nur von kurzer Dauer sein. Zudem bleibt die Frage, ob die angeschlagenen Staaten die gewonnene Zeit für Reformanstrengungen nutzen, oder ob sie den nötigen Umbau verschleppen, sobald der Druck hoher Zinsen nachlässt.

In jedem Fall gilt: "Anleihekäufe des ESM sind kein Befreiungsschlag - der muss von den überschuldeten Staaten selbst kommen; sie müssen ihre Staatsfinanzen konsolidieren und ihre Wirtschaft flexibilisieren", sagt Mayer. "Der ESM kann bei der Aufarbeitung der Probleme nur behilflich sein."

Wer haftet am Ende?

Wenn etwas schiefläuft, haften die Eigentümer des ESM im festgesetzten Rahmen, Deutschland also mit bis zu 190 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt beträgt rund 300 Milliarden Euro. Allerdings dient der ESM ja genau dazu, die Wahrscheinlichkeit zu senken, dass ein Land in die Insolvenz rutscht und der Haftungsfall eintritt. "Wenn der ESM unbegrenzte Mittel hat, dann geht kein Staat pleite", glaubt Felsenheimer.

Gibt es historische Vorbilder?

Die EZB denkt über nichts nach, was im internationalen Vergleich außergewöhnlich wäre", sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg-Bank. Die amerikanische Fed habe bisher Anleihen im Umfang von 18 Prozent der US-Wirtschaftsleistung gekauft, die Bank von England sei bei knapp 23 Prozent angelangt, während die Anleihekäufe der EZB sich bislang auf etwa drei Prozent der Euro-Wirtschaftsleistung summierten. "Es geht darum, dass Deutschland der EZB erlaubt, ein bisschen normaler zu werden", glaubt Schmieding, eben auf dem Umweg über den ESM.

Werden die Parlamente ausgehebelt?

Hätte der ESM das Mandat, alles Nötige zu tun, ohne sich bei den nationalen Parlamenten rückzuversichern, wäre das Demokratiedefizit mit Händen zu greifen. So ist es aber nicht. Bevor strauchelnde Staaten Kredithilfe bekommen oder der ESM ihre Anleihen kauft, müssen die Euro-Finanzminister als Gouverneure des ESM einen einstimmigen Beschluss fassen. Das heißt, jeder Minister kann durch sein Veto die Hilfe vereiteln. Der deutsche Vertreter darf wesentlichen Hilfszusagen nur zustimmen, wenn der Bundestag dies zuvor abgesegnet hat. "Stellt nun der ESM einen Antrag auf Finanzierung seiner Maßnahmen durch die EZB, gibt es im Zentralbankrat immer noch die Möglichkeit, die Finanzierung abzulehnen", sagt Ökonom Mayer.

Sind Hilfen an Bedingungen geknüpft?

Wer um Unterstützung des ESM bittet, muss Gegenleistungen erbringen. Es dürfte für die Krisenländer also schwer sein, Geld ohne Limit und ohne Bedingungen zu bekommen, wie so mancher befürchtet.

Was sagt das Verfassungsgericht?

Strittig ist die Frage, ob die unbegrenzte Refinanzierung des ESM über die EZB einen Rechtsbruch darstellt, weil dadurch die deutsche Haftung weiter wächst. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnte Klarheit schaffen.

© SZ vom 01.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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