Süddeutsche Zeitung

Steuerbetrug:Was Nordrhein-Westfalen mit den Steuer-CDs verdiente

  • Nordrhein-Westfalen hat trotz heftiger Kritik von abtrünnigen Bank-Managern mehr CDs erworben als jedes andere Bundesland.
  • Von den Steuerhinterziehern im eigenen Lande kassierte NRW rund 1,4 Milliarden Euro.
  • Hinzu kamen Bußgelder in Höhe von gut 600 Millionen Euro von den Banken vor allem aus der Schweiz, die Beihilfe zum Betrug am Staat geleistet hatten.

Von Klaus Ott und Hans Leyendecker, Düsseldorf

Die Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen, vor allem jene aus Wuppertal, sind gefürchtet in ganz Deutschland und darüber hinaus. Sie bearbeiten große Fälle, in denen es um Tausende Schwarzgeldkonten im Ausland geht. Sie knöpfen sich zahlreiche Banken vor, die gut betuchten Deutschen helfen, Vermögen vor dem Fiskus zu verstecken. Und sie verbreiten so viel Angst und Schrecken, dass Steuerhinterzieher reihenweise Selbstanzeigen stellen, um sich Ärger mit der Justiz zu ersparen.

Die Bilanz der Ermittler von Rhein und Ruhr kann sich sehen lassen. Nordrhein-Westfalen hat nach Angaben des Finanzministeriums in Düsseldorf von 2010 bis 2015 dank der Steuerverfahren und der Selbstanzeigen zwei Milliarden Euro kassiert. Durch das "hartnäckige und konsequente Vorgehen" gegen Steuerhinterziehung habe man "hohe Mehreinnahmen" erzielt, sagt Staatssekretär Rüdiger Messal (SPD). Der Ankauf von CDs mit Daten ausländischer Schwarzgeldkonten habe sich genauso "bezahlt gemacht" wie die Ablehnung des von der Bundesregierung in Berlin geplanten Abkommens mit der Schweiz. Der Vertrag mit den Eidgenossen hätte zu "großzügigen Amnestie-Angeboten für Steuerhinterzieher" geführt, sagt Messal.

120 000 Selbstanzeigen

Nordrhein-Westfalen hat, trotz heftiger Kritik vor allem von CDU/CSU und aus der Schweiz, von abtrünnigen Bank-Managern mehr CDs erworben als jedes andere Bundesland. Ausgewertet hat die Daten dann vor allem das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Wuppertal, das im Stadtteil Barmen an der Trasse der Schwebebahn liegt. In einem grauen Kasten, für den der Begriff Zweckbau eine beschönigende Umschreibung wäre. Dort wird weiter intensiv ermittelt, derzeit gegen rund 30 Banken aus der Schweiz, Österreich und Liechtenstein, wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Die Wuppertaler Fahnder haben Selbstanzeigen deutscher Bürger systematisch daraufhin ausgewertet, bei welchen Geldinstituten das Schwarzgeld lag, und gegen diese Banken Verfahren eingeleitet.

Über 120 000 Selbstanzeigen sind nach Angaben des Düsseldorfer Finanzministeriums seit 2010 beim deutschen Fiskus eingegangen, davon mehr als 22 000 in Nordrhein-Westfalen. Von den Steuerhinterziehern im eigenen Lande kassierte NRW rund 1,4 Milliarden Euro. Hinzu kamen Bußgelder in Höhe von gut 600 Millionen Euro von den Banken vor allem aus der Schweiz, die Beihilfe zum Betrug des Staates geleistet hatten (bei deutschen Banken sind inzwischen rund 80 Millionen Euro an Geldbußen absehbar). Zuletzt zahlte die Basler Kantonalbank knapp 40 Millionen Euro. Die NRW-Fahnder sind ein rotes Tuch in der Schweiz. Gegen einige von ihnen, darunter Peter Beckhoff, den Chef der Wuppertal Ermittler, erließen die dortigen Behörden 2012 sogar Haftbefehle wegen Gehilfenschaft zum wirtschaftlichen Nachrichtendienst, also Wirtschaftsspionage, sowie Verletzung des Bankgeheimnisses. Das hält Beckhoff und seine Kollegen aber nicht davon ab, weiter gegen Banken aus Zürich, Basel und anderswo vorzugehen, mit Rückendeckung aus Düsseldorf.

Dort hofft man im Finanzministerium, auch der geplante automatische Informationsaustausch über Bankkonten zwischen immer mehr Staaten werde "sehr viel" bringen, wie Staatssekretär Messal sagt. "Beim Kampf gegen die Steuerhinterziehung und Steuergestaltung müssen alle Staaten mitziehen, damit das ein scharfes Schwert wird." Vor allem, wenn es gegen große Unternehmen geht. " Nur so können wir verhindern, dass Konzerne wie Amazon weiterhin die Staatengemeinschaft austricksen."

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Quelle:
SZ vom 15.10.2015/hgn
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