Süddeutsche Zeitung

Bankfilialen:Heute rot, morgen blau

Pakt der Rivalen: Im Raum Frankfurt legen Sparkasse und Volks­bank etliche Filialen zusammen. Das geht so weit, dass die Farbe der Beleuchtung hin- und herwechselt.

Von Meike Schreiber, Sulzbach

Wenn es künftig blau leuchtet im Schaufenster der örtlichen Bankfiliale, dann wissen die Menschen im hessischen Hochtaunus- und im Main-Taunus-Kreis: Heute ist Volksbank-Tag. Leuchtet es rot, dann ist klar: Heute ist Sparkassen-Tag. Über dem Eingangsbereich der Filialen in 26 Ortschaften steht dann auch nicht mehr der Name Volksbank oder Sparkasse, sondern "Finanzpunkt". Allenfalls an den Fenstern kleben noch die alten Markennamen.

Es ist eine kleine Revolution - für die Kunden der beiden Institute und für die Bankenwelt: Die Frankfurter Volksbank und die Taunus-Sparkasse aus Bad Homburg, bislang Konkurrenten, legen in großem Stil Filialen zusammen. Es ist ein Schritt, den es in diesem Umfang noch nie gab und der ein Vorbild für die gesamte deutsche Bankenbranche sein könnte, in der Volksbanken, Sparkassen und Privatbanken seit jeher getrennte Wege gehen.

Der Kostendruck aber hat die Konkurrenten nun zusammengeführt: "Wir wollten nicht dem üblichen Reflex folgen und die Filialen schrittweise schließen", sagte Sparkassen-Chef Oliver Klink am Dienstag bei der Vorstellung des Konzepts in Sulzbach bei Frankfurt. "Wir mussten dafür über unseren Schatten springen, aber herausgekommen ist eine gute Initiative." Der Kunde gewinne, die Region gewinne, die Mitarbeiter gewinnen. Eigentlich sei es ganz klar eine "Win-win-win-Situation". Seine Kollegin Eva Wunsch-Weber, Chefin der Frankfurter Volksbank, nennt die Sache gar einen "Anstoß für die Kommunen, um zu zeigen, dass die Infrastruktur auf dem Land stabil ist". Wenn die Bank vor Ort bleibe, dann würde wohl auch das ein oder andere Ladengeschäft bleiben.

Immer mehr Banken und Sparkassen schließen Filialen, vor allem auf dem Land

In zahlreichen Regionen Deutschlands sah es zuletzt anders aus: Weil die Menschen ihre Bankgeschäfte zunehmend auf das Smartphone oder den Computer verlagern, rechnen sich viele Filialen nicht mehr, gerade auf dem Land. Hinzu kommen hohe Kosten für die Regulierung und fallende Erträge im klassischen Kreditgeschäft angesichts der Niedrigzinsen. 2018 sank die Zahl der Zweigstellen von Banken und Sparkassen um 7,4 Prozent auf knapp 27 900, ein deutlich stärkerer Rückgang als in den Vorjahren. Allen voran die öffentlich-rechtlichen Sparkassen müssen aber eigentlich auch einen öffentlichen Versorgungsauftrag erfüllen und können - trotz Kostendruck - nicht beliebig viele Niederlassungen schließen. In manchen Gemeinden auf dem Land ist die Filiale der Sparkasse oder Volksbank der einzige Begegnungsort für ältere Menschen.

Was liegt da näher, als sich einen großen Teil der Filialen zu teilen? An 17 der 26 gemeinsamen Standorten wollen die Institute im Taunus daher künftig an jeweils unterschiedlichen, aber festen Tagen in der Woche Beratung anbieten. Die restlichen Zweigstellen werden gemeinsame Selbstbedienungsterminals sein. Da die Kunden heutzutage stets Termine vereinbaren würden, bevor sie sich beraten ließen, sei das kein Problem, sagt Wunsch-Weber. In den Finanzpunkt-Filialen gebe es weiterhin für beide Kundengruppen Geldautomaten und Selbstbedienungsstellen für Kontoauszüge. Es fielen außerdem keine Gebühren an, wenn Kunden am Automaten der anderen Bank Geld abheben.

Die beiden Vorstandschefs versicherten, es gehe bei dem Programm nicht darum, Stellen zu kürzen. "Wir bauen im Zuge der Kooperation kein Personal ab", sagt Wunsch-Weber. "Natürlich benötigen wir in den gemeinsamen Filialen weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als vorher. Die übrigen Kolleginnen und Kollegen werden dauerhaft in anderen Zweigstellen in der Region eingesetzt". Auch das Filialnetz werde nicht ausgedünnt - im Gegenteil: "Jeder Partner wird künftig an vier zusätzlichen Standorten vertreten sein", sagt Wunsch-Weber. Über die nächsten drei Jahre wollen die Institute gemeinsam bis zu fünf Millionen Euro in das neue System investieren. Gespart werde durch niedrigere Personalkosten, weil die Institute weniger neue Mitarbeiter einstellen müssen, aber auch durch die gemeinsame Nutzung der Immobilien. Diese Kostenvorteile überstiegen die Projektkosten bei Weitem.

Noch in diesem Jahr wollen die beiden Institute zehn gemeinsame Filialen eröffnen. Weitere 16 solcher "Finanzpunkte" sollen bis spätestens Ende 2021 folgen. Nur vier Monate habe man an dem Konzept gearbeitet, so Sparkassen-Chef Klink. Ganz bewusst habe man im großen Stil losgelegt und nicht nur mit ein, zwei Pilotfilialen. Zu einem späteren Zeitpunkt könnten auch "dritte Partner" dazustoßen, etwa andere Unternehmen aus den beiden Finanzgruppen. Weitere Geschäftsbereiche wollen die beiden Institute vorerst aber nicht zusammenlegen, eine komplette Fusion sei überhaupt nicht geplant.

Wird die Kooperation bundesweit Nachahmer finden, was einem Dammbruch gleichkäme im streng getrennten deutschen Bankenwesen? Volksbank-Chefin Wunsch-Weber sagt, sie sei von "Volksbank-Kollegen angesprochen worden, die sich darüber freuen, weil sie jetzt auch mit ihren Sparkassen-Kollegen sprechen können". Im Geschäftsgebiet der Volksbank Frankfurt gebe es sieben weitere Sparkassen, mit denen man diskutieren werde.

Nicht jeder in der Branche aber scheint hellauf begeistert von dem Konzept. Ein Sprecher des hessischen Sparkassenverbands bezeichnete die Kooperation zwar als "spannendes Experiment". Es müsse sich aber zeigen, ob die Kunden und Mitarbeiter dies wirklich annehmen würden: "Wie läuft das im Alltag, jagt man sich gegenseitig wirklich keine Kunden ab?" Beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband in Berlin hieß es, die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur sei nichts Ungewöhnliches. Es sei zudem ein wichtiges Signal von Sparkassen und Genossenschaftsbanken, "die Region nicht im Stich zu lassen und Bankdienstleistungen in der Fläche aufrechtzuerhalten". Für die Marke Sparkasse allerdings sei es "problematisch", dass das Institut an einzelnen Tagen auf die Marke verzichte. Damit könne man Kunden enttäuschen, die sich bewusst für einen Anbieter entschieden hätten.

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Quelle:
SZ vom 04.09.2019
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