Bankfilialen:Der große Schwund

Sparkasse und Volksbank kooperieren erstmals

Besucher stehen zur Eröffnung vor dem „Finanzpunkt“ in Bad Soden im Taunus bei Frankfurt. In der bislang ersten Bankfiliale dieser Art kooperieren seit Jahresanfang die Taunus Sparkasse und die Frankfurter Volksbank. Das Projekt komme bislang sehr gut an, heißt es bei den Instituten.

(Foto: Boris Roessler/picture alliance/dpa)

In der Corona-Krise mussten Banken und Sparkassen wegen Infektionsschutz Filialen schließen. Nun bleiben viele Niederlassungen wohl dauerhaft geschlossen.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Walter Beller ahnte wahrscheinlich, dass seine Entscheidung vor Ort nicht überall gut ankommen würde. Wegen der Corona-Krise hatte der Vorstandschef der genossenschaftlichen VR-Bank Werdenfels in Oberbayern einen Großteil seiner 18 Filialen vorübergehend geschlossen. Als aber im Mai nach und nach wieder Bankfilialen öffneten, entschied sich Beller, sechs der Standorte, welche am wenigsten von Kunden besucht wurden, dauerhaft zu schließen. Ohne Corona-Krise hätten die Filialen wohl noch ein Weilchen bestehen können. Corona aber habe die Entwicklung beschleunigt. Die höchsten Zuwachsraten im Online-Banking gebe es in der Altersgruppe ab 60.

Beller wird wohl nicht der einzige Bankchef bleiben, der "nach Corona" einen Teil seiner Filialen dauerhaft schließt. Da ist nicht nur die beschleunigte Digitalisierung, weil sich nun auch ältere Kunden zunehmend an Online-Banking gewöhnen. Da ist auch der Spardruck, der spätestens dann steigen wird, wenn jetzt vermehrt Kredite ausfallen. Auch Bankenpräsident Martin Zielke erwartet, dass sich das Filialsterben beschleunigen wird. "Wir werden nach dieser Krise viel mehr Menschen haben, die offener sind für andere Zugangs- und Vertriebswege", sagt Zielke, der hauptamtlich Chef der Commerzbank ist. Die Zahl der Filialen sei seit Jahren rückläufig. "Hier wird es noch einmal eine Beschleunigung geben". Allein im Mai haben zum Beispiel die Commerzbank-Kunden zehn Millionen Überweisungen online ausgeführt, das war deutlich mehr als früher.

Bereits 2018 sank die Zahl der Zweigstellen von Banken und Sparkassen um 7,4 Prozent auf knapp 27 900, das war ein deutlich stärkerer Rückgang als in den Vorjahren und wird sich in diesem Jahr dann noch stärker fortsetzen. Oliver Mihm, Chef der Unternehmensberatung Investors Marketing, schätzt, dass die Zahl der Filialen bis 2025 auf dann nur noch 16 000 sinken wird - beschleunigt durch Corona. "Aus Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten werden Institute sich daher teilweise entscheiden, den sowieso geplanten Filialabbau aufgrund des geänderten Kundenverhaltens vorzuziehen", sagt Mihm.

Durch die Corona-Krise haben sich auch viele ältere Menschen an Online-Banking gewöhnt

Andererseits: In vielen Ortschaften auf dem Land ist die Filiale der örtlichen Volksbank oder Sparkasse ein wichtiger Ort der Begegnung für ältere Menschen; Teil der notwendigen Infrastruktur. Wenn die Bank vor Ort bleibt, dann bleibt vielleicht auch das ein oder andere Ladengeschäft. Zudem müssen zumindest die öffentlich-rechtlichen Sparkassen auch einen öffentlichen Versorgungsauftrag erfüllen und können - trotz Kostendrucks - nicht beliebig viele Niederlassungen schließen.

Im Taunus bei Frankfurt wählten die örtliche Volksbank und die Sparkasse daher einen radikalen Weg: Die Frankfurter Volksbank und die Taunus-Sparkasse aus Bad Homburg, bislang Konkurrenten, kündigten vor einem Jahr an, im großem Stil Filialen zusammenzulegen. Eine solche flächendeckende Kooperation zwischen Sparkasse und Volksbank, eine Art "Volks-Sparkasse", war neu. Zwar gibt es bundesweit bereits viele Fälle, in denen sich eine Sparkasse und eine Volksbank eine Selbstbedienungsfiliale oder einen Geldautomaten teilen, aber meist geht es dabei allenfalls um einige wenige Standorte oder sogar nur um eine Geschäftsstelle. An perspektivisch 17 von 26 gemeinsamen Standorten wollen die Institute im Taunus daher an jeweils unterschiedlichen, aber festen Tagen in der Woche Beratung anbieten. Die restlichen Zweigstellen werden gemeinsame Selbstbedienungsterminals sein. Die gemeinsamen Filialen heißen Finanzpunkt. Wenn es künftig blau leuchtet im Schaufenster der Bankfiliale, dann wissen die Menschen: Heute ist Volksbank-Tag. Leuchtet es rot, dann ist Sparkassen-Tag.

Vormals harte Konkurrenten arbeiten zusammen, um das Filialangebot aufrecht zu erhalten

Seit Jahresanfang sind die ersten zwölf gemeinsamen Filialen in Betrieb, bis zum Jahresende sollen wie geplant weitere Filialen umgebaut sein. Die Kunden hätten das Konzept gut angenommen, sagt Ulrich Hilbert, Vorstand der Frankfurter Volksbank. "Natürlich haben wir uns anfangs mit der Frage beschäftigt, wie wir damit umgehen, wenn ein Kunde der Sparkasse an den Öffnungstagen der Volksbank kommt." Es habe sich aber schnell gezeigt, dass das gar kein Thema sei. "Die Kunden kennen die Öffnungszeiten ihrer Bank und haben sich daran gewöhnt", sagt Hilbert. Man sei trotz Corona voll im Zeitplan und haben unheimlich viele positive Rückmeldungen auch von anderen Banken bekommen. Gespart werde durch niedrigere Personalkosten, weil die Institute weniger neue Mitarbeiter einstellen müssen, aber auch durch die gemeinsame Nutzung der Immobilien.

Allzu viele Nachahmer hat das Modell noch nicht gefunden. "Sparkassen und Volksbanken agieren traditionell als Wettbewerber", sagt Bankenexperte Mihm. Insofern sei eine weitgehende Kooperation für viele Vorstände schwer vorstellbar. Auf dem Land biete es sich zwar an, aber oft seien die Standorte dann für beide nicht mehr so attraktiv, sodass sich eine Besetzung mit Beratern nicht mehr lohne. Daher fiele die Wahl dann eher auf gemeinsam genutzte Selbstbedienungsfilialen. Beim Sparkassenverband in Berlin fürchtet man zudem die Verwässerung der Marke. Es sei problematisch, wenn eine Sparkasse an einzelnen Tagen der Woche auf ihre Marke verzichte. "Dies birgt die Gefahr, die Erwartungen der Kunden, die sich bewusst für einen Anbieter entschieden haben, zu enttäuschen", sagte ein Sprecher. Andererseits sei auch das Signal der Institute wichtig, die Region nicht im Stich zu lassen.

Für Harald Weiß von der Sparkasse Mittelholstein und seinen Kollegen Peter Jungjohann von der Dithmarscher Volks- und Raiffeisenbank hingegen war die Sache irgendwann einfach nur noch naheliegend - im wahrsten Sinne des Wortes: Die Filialstandorte der örtlichen Volksbank und Sparkasse im Örtchen Lunden sind ohnehin nur 180 Meter voneinander entfernt; in Wesselburen liegen sie sogar auf der gegenüberliegenden Seite des Marktplatzes. Nun prüfen Weiß und Jungjohann, die Geschäftsstellen nach dem Vorbild im Taunus künftig unter einem Dach zu betreiben. Auch in Oberbayern kann man sich so etwas vorstellen. "Wir sind für alles offen", heißt es bei der VR Bank Werdenfels.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: