Verbandsarbeit ist im Prinzip nichts, was sich ein Manager wünscht, und obwohl er sich mutmaßlich in seinem Haupterwerb als Chef der Deutschen Bank nicht über Unterbeschäftigung beklagen kann, hat sich Christian Sewing am Montag zum Präsidenten des Bankenverbandes wählen lassen - der wohl wichtigsten Finanzlobby des Landes. Dafür hat der 50-jährige Westfale sogar seine Arbeitsmatrix neu sortiert und gibt Zuständigkeiten ab. Nach der Hauptversammlung des Konzerns im Mai glaubt er, dann genügend Zeit freigeschaufelt zu haben, um den Bankenverband ab Juli führen zu können. Bis dahin muss der amtierende Präsident Hans-Walter Peters dann noch einige unschöne Dinge erledigen, zum Beispiel die Kunden der Pleite-Bank Greensill entschädigen, für die alle 170 Mitgliedsinstitute in einen Sicherungstopf eingezahlt hatten.
Mit diesem Thema wird Sewing dann nicht mehr allzu viel zu tun haben; bei seiner Vorstellung als designierter Präsident machte er am Montag jedenfalls rasch deutlich, worauf es ihm in seiner Amtszeit ankommen wird: etwa, dafür zu sorgen, dass die strengeren Eigenkapitalvorschriften nicht verschärft werden. Oder dass die Banken weniger an den europäischen Abwicklungsfonds zahlen müssen, der 2014 eingerichtet wurde, um die Finanzbranche im Ernstfall an ihrer Rettung zu beteiligen, also nicht allein die Steuerzahler zur Kasse zu bitten. Von 2016 und 2020 seien die Beiträge der deutschen Institute für den Fonds von 1,8 auf 2,2 Milliarden Euro gestiegen, rechnet der Bankenverband vor. Das schränke die Institute bei der Kreditvergabe ein. Allein die Deutsche Bank musste 2020 rund 600 Millionen Euro in den Fonds bezahlen, wo die Milliarden "ungenutzt herumliegen" würden.
Seine Verhandlungsposition ist einerseits stark: Sewing hat die Deutsche Bank scheinbar aus dem Gröbsten herausmanövriert. Zumindest ist der Aktienkurs schon fast wieder so hoch wie vor drei Jahren, als er den Posten übernommen hat. "Jetzt sind wir in der Deutschen Bank so weit, dass ich mir diese Rolle zutraue", sagte er.
Andererseits aber hat Sewing gerade die Boni für seine Investmentbanker erhöht, sich also ausgerechnet für jene Sparte großzügig gezeigt, welche das Geldhaus fast an den Abgrund brachte - und das, obwohl Aufseher die Banken gebeten hatten, in der Corona-Krise maßzuhalten. Insgesamt zahlte die Bank für 2020 fast zwei Milliarden Euro an Boni, bei einem Minigewinn von 113 Millionen Euro. Schwächt derlei Freigiebigkeit in eigener Sache nicht die Glaubwürdigkeit seiner Lobbybotschaften? Schließlich würde eine gewisse Bescheidenheit bei den Boni die Kreditvergabe-Kraft der Banken ebenso stärken wie eine gesenkte Bankenabgabe. Sewing freilich ficht das nicht an. Der Verband habe gute Beziehungen in Berlin und Brüssel und werde sicherlich "auch zukünftig den ein oder anderen Erfolg verbuchen". Dass die Deutsche Bank die Senkung der Bankenabgabe trotz warnender Stimmen bereits in ihren Kostenplanungen einkalkuliert, zeugt ohnehin von dem ganz eigenen Selbstbewusstsein des Geldhauses.
In jedem Fall dürfte nun auch mehr Kontinuität in die Verbandsarbeit kommen, zumindest wurde Sewings Vertrag bei der Deutschen Bank gerade bis 2026 verlängert. Zuvor gab es an der Spitze des Verbandes Unruhe: Im April 2020 war zunächst Martin Zielke, damals Chef der Commerzbank, an die Spitze gerückt. Mit seinem Rücktritt bei der Bank stellte er auch das Lobbyamt zur Verfügung. Daraufhin wurde Peters zum neuen Präsidenten gewählt, der das Amt erst wenige Monate zuvor abgegeben hatte. Geht alles gut, bleibt Sewing nun drei Jahre im Amt. Viel Zeit für Lobbyerfolge.