Bankenkrise in Europa:"Wir wollen keine Zombie-Banken mehr"

EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia räumt bei den Geldhäusern auf, deren Rettung schon 1,6 Billionen Euro kostete. Es gebe immer noch einige Banken, die trotz der Krise nicht bereit seien, "ihre Umstrukturierung zu akzeptieren", sagt er. Die Banken sollen sich endlich an die Vorgaben halten - das seien sie den Steuerzahlern schuldig.

Cerstin Gammelin, Brüssel

EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia will im europäischen Bankensektor zielstrebig aufräumen. "Wir können uns keine Zombie-Banken mehr leisten in einer Zeit, in der wir um Wachstum kämpfen und viele Regierungen die Bürger darum bitten, den Gürtel enger zu schnallen", sagte der Spanier in Brüssel.

Zombies Walk Sydney City Streets

Australier demonstrieren in Zombie-Verkleidung in Sydney gegen die Machenschaften der Banken.

(Foto: Getty Images)

Almunia zufolge haben die europäischen Staats- und Regierungschefs allein von 2008 und 2010 mehr als 1600 Milliarden Euro in die Hand genommen, um ihre Banken zu retten. "Das entspricht mehr als 13 Prozent des Bruttosozialprodukte der Europäischen Union", sagte er. Hinzu kämen die Finanzspritzen für 2011, deren Umfang derzeit noch geprüft werde. Drei Viertel der gesamten Finanzhilfen, also rund 1200 Milliarden Euro, seien als Garantien und zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit der Banken verwendet worden; die restlichen 400 Milliarden Euro wurden für öffentliche Kapitalspritzen und zur Stützung von Anleihen genutzt.

Die oberste Wettbewerbsbehörde Europas arbeitet mit Nachdruck an Vorgaben für die Banken, damit diese ohne staatliche Hilfen existieren und ihrem traditionellen Geschäft nachgehen können: der Finanzierung der realen Wirtschaft und zwar unter Wettbewerbsbedingungen. "Wir gehen die strukturellen Probleme an, die es auch schon vor der Krise gab", sagte der Kommissar.

Almunia kritisierte, dass sich trotz der Krise einige Banken noch immer schwertun, nötige Umstrukturierungen zu akzeptieren und sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Beispielsweise tue sich die BayernLB noch immer schwer damit, "ihre Umstrukturierung zu akzeptieren". Die Gespräche zwischen der Kommission und Verantwortlichen in München darüber dauerten nun schon seit drei Jahren an. "Das ist zu lange", sagte er.

Nach Angaben aus Verhandlungskreisen wird immer noch darüber gestritten, ob die Bank eine in der Krise erhaltene Finanzspritze von zehn Milliarden Euro zurückzahlen soll, und welchen Beitrag die bayerischen Sparkassen als früherer Großgesellschafter leisten müssen.

Almunia stellt Forderungen

Almunia zufolge hat die 2008 ausgebrochene Finanzkrise einen gravierenden Fehler in der Binnenmarktpolitik der Europäischen Union sichtbar gemacht. Die Europäer hätten schlicht versagt dabei, sich gemeinsame Instrumente an die Hand zu geben, um grenzüberschreitende Finanzgeschäfte zu koordinieren und mit nationalen Maßnahmen abzugleichen.

Schon lange vor dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers musste sich die Wettbewerbsbehörde um die Restrukturierung europäischer Banken kümmern, beispielsweise um die Northern Rock in Großbritannien, die dänische Roskilde Bank sowie die deutschen Sorgenkinder: die Sächsische Landesbank, die WestLB und die Deutsche Industriebank IKB. Und im September 2008, direkt nach der Eskalation der Finanzkrise, standen große Banken praktisch Schlange, um gerettet zu werden, darunter die britische Lloyds, die deutsche Commerzbank, die Hypo Real Estate aus München sowie die französischen und belgischen Banken Dexia, Fortis und ING.

Nur mit Hilfe von kurzfristig verabschiedeten Notfallregeln, die es unter bestimmten Voraussetzungen erlauben, die Banken staatlich zu stützen, sei es gelungen, die Institute schnell zu retten. Diese Notfallregeln umfassen drei Hauptziele: Sie sichern die finanzielle Stabilität, sie bewahren den europäischen Binnenmarkt vor Schäden, und sie zwingen die Hilfsempfänger dazu, ihr Geschäft so umzubauen, dass sie langfristig ohne staatliche Hilfen existieren können.

Drei Jahre später, so Almunia weiter, seien die Notfallregeln immer noch in Kraft - "und sie sind das einzige Instrument zur europaweiten Koordination geblieben, auf das sich die Mitgliedsstaaten überhaupt einigen konnten", kritisiert der Wettbewerbshüter. Seit der Einführung der Regeln im Jahr 2008 wurden insgesamt 42 Banken gerettet, mit weitere 23 Instituten laufen die Verhandlungen noch, darunter mit den spanischen Sparkassen.

Almunia forderte die Banken auf, alle Vorgaben einzuhalten. Das seien sie den Millionen von Steuerzahlern in Europa schuldig, deren Anstrengungen es überhaupt zu verdanken ist, "dass die europäischen Banken seit dem Beginn der Krise eine so riesige finanzielle Unterstützung erhalten konnten", sagte der spanische Kommissar.

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