Nach zwölf Minuten war bei der First Republic Bank in San Francisco eigentlich alles schon vorbei, und doch ging es dann erst richtig los. Zwölf Minuten lang monologisierte der Chef des strauchelnden Instituts in einer Telefonkonferenz am Montag über die Lage der Bank, dann beendete er den Call abrupt. Fragen von Analysten? Nicht zugelassen. "Sie dürfen sich nun auswählen", warf die Stimme einer Ansagerin noch knapp hinterher. Wie freundlich.
Seit dieser missglückten Telefonaktion ist die Aktie der First Republic Bank um 60 Prozent eingebrochen, die Sorgen um das US-Bankwesen sind wieder in den Vordergrund getreten. War die US-Bank selbst in Übersee bis vor wenigen Wochen nur Spezialisten bekannt, ist sie nun die Hauptsorge an der Wall Street und in Washington. Viele Experten fragen sich: Kann der kollabierende Aktienkurs dazu führen, dass Kunden noch mehr Geld abziehen?
Wer das verstehen will, muss in den Bauch des Instituts schauen: Seit Dezember haben die Kundinnen und Kunden massiv Einlagen abgezogen, von einstmals 176 Milliarden Dollar auf den Bankkonten der First Republic Bank sind kaum noch 105 Milliarden Dollar übrig. Selbst diese Zahl fällt eigentlich zu gut aus, weil elf große US-Banken im März 30 Milliarden Dollar als Vertrauenssignal auf einem Bankkonto parkten, unversichert wohlgemerkt. Würde man diese 30 Milliarden auch noch abziehen, sähe die Bilanz weit verheerender aus. Immerhin: Würden alle Kundinnen und Kunden ihre Einlagen oberhalb der gesetzlichen US-Einlagensicherung auf einen Schlag abziehen, könnte die Bank sie nach aktuellem Stand wohl auszahlen.
Auch dazu hat die Bank seit Jahresbeginn rund 92 Milliarden Dollar an Krediten aufgenommen, hauptsächlich bei der Notenbank. Was im ersten Augenblick für Beruhigung sorgt, ist auf den zweiten Blick jedoch gefährlich, weil es mittelfristig das Geschäftsmodell der Bank in Bedrängnis bringt: Eigentlich holen sich Banken Geld der Sparerinnen und Sparer mit vergleichsweise gering verzinsten Konten hinein, gleichzeitig vergeben sie Kredite zu weit üppigeren Zinsen. Muss sich die Bank nun allerdings selbst teuer Geld leihen, schrumpfen ihre Erträge und machen das Geschäft kaputt.
Gleich elf Regionalbanken hat die Ratingagentur Moody's in der vergangenen Woche in ihrer Bewertung herabgestuft, kein gutes Omen für den US-Bankensektor. Denn insgesamt wird es für die regionalen Institute tatsächlich immer schwieriger, das Geld der Sparer auf ihren Konten zu halten. So verschoben bereits im März viele Kundinnen und Kunden Milliardensummen zu den US-Großbanken, die der Staat im Falle einer Schieflage wohl deutlich eher retten dürfte als mittelgroße Regionalbanken. Dazu kommen Geldmarktfonds, die das Geld der Anleger in besonders kurz laufende Papiere stecken und ihnen in den USA bereits wieder vier bis fünf Prozent Rendite versprechen - besser als manches Bankangebot. Allein im März haben Investorinnen und Investoren 367 Milliarden Dollar in diese Anlagevehikel geschoben, einen Teil wohl schlicht von ihren Bankkonten.
Für die Institute kommt diese Konkurrenz um das Sparergeld einer Zwickmühle gleich: Wollen die Banken ihre Kunden zum Bleiben motivieren, müssen sie mit besseren Zinsen locken. Das allerdings belastet das eigene Geschäft und schmälert die Gewinne. Bankmitarbeiter dürften deswegen bei der Kreditvergabe künftig wohl genauer hinschauen und allzu riskante Kredite meiden - was am Ende auf die Realwirtschaft durchschlagen könnte.
Gleichzeitig haben viele US-Regionalbanken mit ihren Krediten vor allem Immobilienprojekte finanziert. Besonders gerne liehen sie den Entwicklern von Gewerbeimmobilien Geld, also Projektmanagern neuer Bürobauten, Einkaufszentren oder Hotels. Weil viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach den Corona-Lockdowns aber im Homeoffice geblieben sind, kommt nun ausgerechnet dieser Markt zunehmend unter Druck - und könnte auch manche Kredite der Regionalbanken platzen lassen.
Noch halten Experten die meisten Regionalbanken für stabil. Ein Börsenindex der wichtigsten US-Regionalinstitute ist seit Jahresbeginn zwar um rund 20 Prozent gefallen, im Schnitt haben die Institute jedoch nur rund ein Prozent ihrer Einlagen verloren. Auch spezielle Hilfskredite der US-Notenbank flossen zu rund der Hälfte an die kriselnde First Republic Bank. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass andere Banken weit weniger betroffen waren.
Die Geschäftszahlen der First Republic Bank und die missglückte Telefonkonferenz haben nun jedoch wieder einen Keim der Angst an den Börsen gesät. Sollten Sparer aufgrund der erneuten Kursverluste diese Woche weitere Milliardensummen abziehen, könnte die Krise erneut aufflackern.
Die Bank versuchte ihre Sparerinnen und Sparer am Montag mit einer simplen Rechnung zu beruhigen: Auf den Bankkonten lägen derzeit nur rund 20 Milliarden Dollar an Spareinlagen, die die Grenze der gesetzlichen US-Einlagensicherung überschreiten. Demgegenüber hätte die Bank 45 Milliarden an Cash und ungenutzten Kreditlinien, mit denen sie die Kunden im Fall des Falles auszahlen könnte.
Hinter den Kulissen arbeitet die Bankführung jedoch an dem, was Manager "strategische Optionen" nennen. Bislang sind viele US-Finanzpolitiker auffällig still, wenn es um eine staatliche Rettung geht. Sie wollen offenbar, dass sich zunächst andere private Banken bei einer Rettung engagieren. Dass jedoch ein anderes Institut die First Republic Bank als Ganzes übernehmen will, gilt als nahezu ausgeschlossen.
Beobachter sehen diesen Streit zwischen Washington und der Wall Street bereits als "Feiglingsspiel". Die Verfilmung dieses Dilemmas mit James Dean in "Denn sie wissen nicht, was sie tun" kennen viele US-Amerikaner. Dabei rasen zwei Autos ungebremst auf eine Klippe zu. Viele fragen sich nun, wer zuerst bremst.