Süddeutsche Zeitung

Bankenkrise:Am Ende muss der Staat doch wieder Banken retten

Das größte Problem der Finanzbranche ist auch acht Jahre nach Ausbruch der Krise nicht gelöst.

Kommentar von Markus Zydra

Es gibt für ehrgeizige Banker wohl kaum eine schlimmere Demütigung, als den Staat um Hilfe anzubetteln. Der frühere Vorstandschef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, brachte seine Abscheu im Jahr 2008 so auf den Punkt: "Ich würde mich schämen, wenn wir in der Krise Staatsgeld annehmen würden." Diese Worte brachten dem vorwitzigen Investmentbanker auf dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise viel berechtigte Kritik ein, denn die Finanzmärkte wussten sehr genau, dass kein Politiker die Deutsche Bank je würde pleitegehen lassen. Es existierte also ein imaginärer staatlicher Schutzschirm für Deutschlands größte Bank. Der Schweizer hatte dann auch Glück. Er musste keine direkten Steuerhilfen beantragen.

Der aktuelle Deutsche-Bank-Chef John Cryan darf sich jetzt mit dem schlechten Erbe von Ackermann und Nachfolger Anshu Jain herumschlagen. Es ist eine schwere Aufgabe. Die Deutsche Bank machte 2015 einen Rekordverlust, sie muss Milliarden-Strafen zahlen und sitzt auf gefährlichen Derivate-Wertpapieren. Die Börse meidet die Aktie, der Kurs ist auf dem tiefsten Stand seit 1992. Die Bank, die Vertrauen so sehr braucht, wird geächtet.

Cryan fehlen die Profite. Gleichzeitig sind die Kosten für Strafzahlungen und den Umbau der untauglichen IT sehr hoch. Die Börsen unken schon, Cryan müsse irgendwann um Staatshilfen bitten. Der bekannte Ökonom Martin Hellwig sprach sich in einem Interview mit der FAS dafür aus, "die Deutsche Bank notfalls zu verstaatlichen". Muss der Steuerzahler im Ernstfall also wieder ran? So wie 2008/09 bei Hypo Real Estate und Commerzbank?

Ein großes Problem der Finanzmärkte ist weiter ungelöst

Der Gedanke daran mag viele Bürger verärgern. Für die hochbezahlten Zocker der Deutschen Bank haften, und das noch acht Jahre nach Ausbruch der Krise? Doch Europas Bankensektor leidet unter den Altlasten. In Italien diskutiert man bereits über mögliche Staatshilfen für den heimischen Bankensektor. Dieser hat faule Kredite in Höhe von 360 Milliarden Euro in den Büchern, angehäuft über das letzte Jahrzehnt. Soll der italienische Steuerzahler die Zeche übernehmen? Darf er das überhaupt?

Es war eine der großen Lehren aus der Finanzkrise, dass Steuerzahler künftig nicht mehr für marode Banken haften sollten. Die EU hat ein entsprechendes Gesetz beschlossen. Es gilt seit Jahresanfang: Bei der Sanierung einer Bank müssen zunächst Eigentümer (Aktionäre) und Gläubiger (also die Kreditgeber der Bank) zur Kasse gebeten werden. Man spricht in einem Fachausdruck von bail-in  .

In Italien zeigte sich jedoch sehr schnell, dass unter den Gläubigern viele Kleinsparer und damit potenzielle Wähler waren. Es besteht politisch also wenig Interesse, das neue Gesetz so anzuwenden, wie es gedacht war. Man liebäugelt stattdessen mit Staatshilfen, für die es ein gesetzliches Schlupfloch gibt, dann nämlich, wenn die Stabilität des ganzen Finanzsystems gefährdet ist.

Im Kern zeigt sich nun, dass ein großes Problem der globalen Finanzkrise bis heute ungelöst ist. Man kann Großbanken nicht einfach pleitegehen lassen. Auch dann nicht, wenn die Abwicklung einem genauen gesetzlichen Procedere folgt. Man braucht in diesen Situationen immer noch den Staat als letzten Garanten.

Der Staat ist kein guter Banker

Natürlich ist das internationale Bankensystem seit 2008 insgesamt stabiler geworden. Die Regeln wurden verschärft, Banken müssen mehr Eigenkapital haben, um Verluste besser ausgleichen zu können. Die Europäische Bankenaufsicht bei der EZB sorgt zudem dafür, dass der Sektor einem einheitlichen Regelwerk unterworfen wird. Das ist gut so.

Doch riesige Kreditinstitute wie die Deutsche Bank sind undurchschaubare Monster, und sie machen viele Geschäfte untereinander. Wenn da die eine Bank plötzlich für die Pleite der anderen mithaften muss - steht sie dann selbst am Abgrund? Muss nicht, kann aber sein. Keine Regierung wird dieses Risiko eingehen wollen. Zu groß wäre die Furcht vor einem möglichen Bankensturm, verängstigten Sparern, einer Wirtschaftskrise und einer verlorenen Wahl.

Der Staat ist kein guter Banker. Das war er noch nie. Aber er kann in der Krise helfen. In Schweden sind die Banken 1992 in der schlimmsten Krise verstaatlicht und saniert worden. Der schwedische Steuerzahler machte damals keinen Verlust. Man muss sich an den Gedanken gewöhnen, dass auch in Deutschland im Ernstfall der Steuerzahler wieder ran muss. Es sei denn: Die Staaten verbieten die gefährlichsten Finanzgeschäfte und zerschlagen die Hochrisiko-Sparten der Großbanken. Doch nach einer solchen Initiative sieht es nicht aus.

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SZ vom 09.08.2016/hgn
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