Süddeutsche Zeitung

Bankenfusion:Unbeliebte Champions

Die Skepsis unter Experten wächst: Ein Aufseher der Europäischen Zentralbank plädiert für einen offenen europäischen Bankenmarkt - prompt fallen die Aktienkurse der Fusionskandidaten aus Frankfurt.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Die Euphorie über die seit Sonntag offiziellen Fusionsverhandlungen von Deutscher Bank und Commerzbank hielt am Aktienmarkt nur einen Tag an. Waren die Kurse beider Banken am Montag deutlich gestiegen, ging es mit ihnen am Dienstag schon wieder bergab - ungeachtet des freundlichen Gesamtmarktes. Andrea Enria, Chef der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB), hatte sich in der Financial Times kritisch zu der Idee geäußert, nationale oder europäische Bankchampions könnten im globalen Wettbewerb besser bestehen. "Ich mag die Idee von einem nationalen, europäischen Champion nicht besonders", sagte der Italiener, der im Januar von der europäischen Bankenaufsicht EBA zur EZB gewechselt war. Enria plädierte für einen Bankenmarkt, der offen sei für Wettbewerb, Kapital und Investoren. Zur Fusion sagte er lediglich, für die Aufseher sei wichtig, dass ein Zusammenschluss tragfähig sei.

Ähnlich äußerte sich der für Banken zuständige Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling. Zusammenschlüsse seien für Geldhäuser ein Mittel, um profitabler zu werden, sagte er auf einer Finanzkonferenz in Frankfurt. Sie seien allerdings nicht das einzige Mittel, um für mehr Effizienz zu sorgen. Die im Vergleich zu den Wettbewerbern zu hohen Kosten gelten als eines der Probleme der beiden deutschen Großbanken. Gegenüber den großen Wall-Street-Banken haben sie damit stark an Boden verloren.

Die Aussagen von Enria und Wuermeling spiegeln die Skepsis hinsichtlich der geplanten Großfusion in Teilen der Finanzaufsicht wider. Enria vollzieht damit außerdem einen Paradigmenwechsel. Seine Vorgängerin Danièle Nouy hatte sich regelmäßig für grenzüberschreitende Fusionen europäischer Banken ausgesprochen. Enria wirkt nun eher skeptisch. Die europäische Bankenaufsicht bei der EZB überwacht seit 2014 die 115 wichtigsten Banken der Eurozone. Sie könnte eine Fusion quasi verhindern, indem sie zum Beispiel besonders hohe Anforderungen stellt.

Oppositionspolitiker kritisierten derweil die Rolle von Finanzstaatssekretär Jörg Kukies (SPD) bei einer möglichen Fusion der beiden Kreditinstitute. Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Kukies begleiten die Fusion sehr wohlwollend, wenn nicht gar als Treiber des Ganzen. Ausgerechnet aber Kukies früherer Arbeitgeber Goldman Sachs berät nun die Commerzbank bei den Fusionsgesprächen. Der FDP-Abgeordnete Florian Toncar nannte es "unglaublich unsensibel", dass die Commerzbank von Goldman beraten werde. Das erwecke den Anschein, als habe ein Ehemaligen-Netzwerk den Deal eingefädelt. "Es ist wichtig, den Eindruck eines Interessenkonflikts zu vermeiden", sagte auch der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4373817
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.03.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.