Bankenfusion:Lieber allein zu Haus

European Banks Face Climate Of Growing Unease

Bloß keine Zwangsehe: Viele sehen eine Fusion kritisch. Der Wettbewerb zwischen Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken ist hierzulande zwar groß. Für die Kunden ist das aber ein Vorteil.

(Foto: Ralph Orlowski/Getty Images)

Finanzminister Olaf Scholz will eine deutsche Großbank, damit der Mittelstand einen starken Partner im Ausland hat. Doch dieses Argument für eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank ist nur vorgeschoben.

Von Katharina Wetzel

Deutschland soll eine Großbank bekommen, und zwar eine richtige. Eine, die es mit der ausländischen Konkurrenz aufnehmen kann, die dem Mittelstand als Partner im Ausland zur Seite steht und auch bei einem Konjunkturabschwung nicht gleich alle Zelte abbricht. Die Debatte um eine mögliche Fusion zwischen Deutscher Bank und Commerzbank ist entbrannt. Mitten im Handelsstreit und noch offenen Brexit-Ausgang erwachen nationale Champion-Fantasien.

Seit Monaten halten sich die Gerüchte, die Politik forciere so einen Megadeal. "Die Bundesregierung steht wirtschaftlich sinnvollen Optionen offen gegenüber", geht aus einer Antwort auf eine Parlamentarischen Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Danyal Bayaz hervor. Dieser zufolge haben sich hochrangige Vertreter der Deutschen Bank schon mehrfach mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und dessen Staatssekretär Jörg Kukies zu Gesprächen getroffen. Scholz treibt offenbar die Sorge um, dass mittelständische Firmen bei einer Expansion ins Ausland kein großes deutsches Finanzinstitut an ihrer Seite haben. "So sehr wir das Engagement internationaler Unternehmen schätzen, müssen natürlich auch deutsche Institute im Wettbewerb mit anderen die Fähigkeit, die Kompetenz und die Kraft entwickeln, die global tätigen deutschen Unternehmen auf den Weltmärkten zu begleiten", lässt er mitteilen. Doch fehlt dem Mittelstand tatsächlich eine Großbank? Ist die Deutsche Bank mit einer Bilanzsumme von 1,3 Billionen Euro (Ende 2018) nicht groß genug?

Fachleute sehen keinen finanziellen Engpass im Auslandsgeschäft

Für Stefan Bender ist es keine Frage der Größe, ob Betriebe gut betreut werden. Bender leitet bei der Deutschen Bank das Firmenkundengeschäft Deutschland. Die Bedürfnisse des Mittelstands kennt er bestens: "Wie eröffne ich ein Konto in China? Welche regulatorischen Anforderungen gibt es? Wie tausche ich Euro in Renminbi und Renminbi in Euro?", sind Fragen, die er immer wieder in Kundengesprächen hört. In mehr als 60 Ländern ist die Deutsche Bank aktiv, in den wichtigsten hat sie eigens Teams für den Mittelstand.

Die Deutsche Bank begleitet DAX-Unternehmen wie Siemens oder BMW ins Ausland. "Wir wollen aber vor allem auch für den Mittelstand da sein. Und ich habe noch kein Gespräch erlebt, in dem der Kunde sagt, 'Die Deutsche Bank kann das nicht'", sagt Bender. Die Deutsche Bank sei unter den fünf größten Banken beim Handel mit Währungen, bei der Abwicklung von Euro-Zahlungen sei sie führend, und außerhalb der USA auch in der Abwicklung von Dollar-Transaktionen. Bei der Handelsfinanzierung ist sie laut Greenwich Associates die Nummer drei in Europa. "Die Deutsche Bank und die Commerzbank sind in allen wesentlichen Märkten der Welt vertreten, sodass wir hier keinen Engpass haben", bestätigt Professor Martin Faust von der Frankfurt School of Finance and Management. Auch die DZ-Bank habe ihre internationale Präsenz ausgebaut. Und die Landesbanken seien in wichtigen Märkten aktiv.

Der Wettbewerb zwischen Privatbanken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen ist hierzulande relativ stark, was für Kunden vorteilhaft ist, den Instituten aber die Geschäfte zunehmend erschwert. Ein Grund, so Faust, warum die Deutsche Bank gemessen am Kreditvolumen nur einen Marktanteil von unter zehn Prozent aufweist, während Großbanken in Frankreich und Großbritannien in ihrem Heimatmarkt auf Marktanteile von 20 Prozent kommen. Faust vermutet: "Die Gefahr, dass die Deutsche Bank oder die Commerzbank bei einer ausländischen Übernahme der Juniorpartner wäre, ist recht groß. Das will die Politik verhindern." Die Hypovereinsbank gehört bereits zum italienischen Bankkonzern Unicredit. Hier zeige sich, dass immer mehr strategische Entscheidungen von Italien aus getroffen werden.

Von einer Megabank, wie es der Politik vorschwebt, hält Faust wenig: "Wenn es zu einer Fusion käme, würde eine Bankverbindung verloren gehen. Aus Sicht eines Mittelständlers ist es eher eine komfortable Situation, wenn mehr Banken zur Auswahl stehen." In der jüngsten Finanzkrise waren Fusionen oft das Mittel, um notleidende Institute zu retten. "Die Regierungen haben keine andere gute Möglichkeit, um mit Banken umzugehen, die Schwierigkeiten bekommen. Sie fördern lieber einen Zusammenschluss zwischen einer stärkeren und einer schwächeren Bank. Doch das Ergebnis ist dann häufig, dass die stärkere Bank ebenfalls geschwächt wird", sagt der Ökonom Charles Goodhart.

Dass der Mittelstand eine Großbank brauche, um ins Ausland zu gehen, sieht Goodhart nur als Vorwand. Dahinter stehe vielmehr die Sorge, die Deutsche Bank könne aufgrund von Skandalen und eines fehlenden Geschäftsmodells in Schwierigkeiten geraten: "Dabei ist die Hoffnung der Regierung, dass sie sich bei einer Fusion nicht beteiligen muss. Der Wunsch ist, dass man weder das Geld der Steuerzahler braucht, um die Institute zu retten, noch die Banken verstaatlichen muss." Experten nennen Institute wie die Deutsche Bank auch "too big to fail", zu groß, um sie scheitern zu lassen, weil der Schaden für die Volkswirtschaft nicht absehbar wäre. Würde die Deutsche Bank in große Schwierigkeiten geraten, könnte eine Fusion mit der Commerzbank quasi eine Auffanglösung sein. "Damit sind die Schwierigkeiten jedoch nur auf morgen verschoben", warnt Goodhart. So könnten einige Probleme, die bei der Deutschen Bank aus dem New Yorker Bereich des Investment Banking herrührten, durch eine Fusion mit der Commerzbank kaum gelöst werden. Zwar steht die Commerzbank derzeit wirtschaftlich etwas besser da. Beide Institute befinden sich aber im Umbau und auf der Suche nach einem tragfähigen Geschäftsfeld. Die Deutsche Bank muss zudem die Integration der Postbank noch bewältigen.

Ein Zusammenschluss der Institute wäre alles andere als einfach

"Vorteile gibt es, wenn die fusionierte Bank eine Monopolstellung bekommt. Aber wollen wir eine Bank mit Monopolstellung?", fragt Goodhart. Eine Großbank, die dann die Preise diktiert? Abgesehen davon würde ein Koloss mit noch weitaus größeren Risiken entstehen. "Die Risiken für den Bundeshaushalt würden wohl deutlich steigen", warnt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Danyal Bayaz. Ein Zusammenschluss würde sich über Jahre hinziehen und einen massiven Jobabbau zur Folge haben. Müssten etwa 30 000 Stellen wegfallen, damit sich die Fusion rechne?

"Fusionen können schon allein an der Frage scheitern, wer künftig das Unternehmen leitet", warnt Professor Faust. An der Commerzbank ist der Bund seit der Finanzkrise der größte Aktionär. Bei einer Fusion könnte der Bund seinen Anteil abstoßen. "Am Ende müssen aber auch die Anteilseigner zustimmen", sagt Faust.

Das Finanzministerium führt auch Gespräche mit der Commerzbank, US-Fonds Blackrock und dem US-Investor Cerberus, wie aus einer Antwort an verschiedene Abgeordnete der Linken hervorgeht. Für Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing ist der Druck gestiegen. Cerberus findet zunehmend Gefallen an einer Fusion. Die Private-Equity-Firma ist an der Deutschen Bank und der Commerzbank beteiligt, beide Investments sind bisher wegen der schlechten Aktienperformance ein Verlustgeschäft. Lukrativer dürfte das Beratungsmandat sein, das Cerberus bei der Deutschen Bank hat. Wie das Wallstreet Journal berichtete, ist Cerberus auch ein großer Kreditkunde der Deutschen Bank. Diese Interessenskonflikte zu managen, dürfte nicht einfach sein. Auf der Bilanzpressekonferenz im Februar vermied es Sewing partout, sich zu einer möglichen Fusion zu äußern. Er strengt sich an, eine Zwangsehe mit der Commerzbank zu verhindern. Sein Haus will er lieber allein auf Kurs bringen.

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