Bankenaufsicht:Querdenken, bitte!

Bankenaufseher gelten bei manchen als Menschen, die nur Häkchen machen. Das stimmt nicht. Eine Studie fordert aber: Sie sollen ihr Wissen teilen.

Von Markus Zydra

Wer es nicht gut meint mit dem Berufsstand der Bankenaufseher, bezeichnet sie abschätzig als Häkchenmacher. Die böse Unterstellung zielt auf den Umstand, dass die Kontrolleure ihre Prüflisten Punkt für Punkt durchgehen und die Informationen einer Bank etwa zur Höhe des Eigenkapitals mit den gesetzlichen Vorgaben abgleichen. Das "Häkchen machen" ist aber nur ein Teil der Aufgabe, denn natürlich nehmen die Experten auf Basis ihrer Erfahrung auch qualitative Beurteilungen vor.

Allerdings haben sich in den Behörden bestimmte Arbeitsabläufe und Routinen eingeschliffen, die nicht mehr zeitgemäß erscheinen. Die wachsende Komplexität des Finanzsystems erhöhe das Risiko, dass Aufsichtsbehörden nicht mehr alles sehen und in ihrer Arbeit "blinde Flecken" ausbilden, schreibt die Beratungsfirma Oliver Wyman in einer aktuellen Untersuchung, die sich mit dem neuen Anforderungsprofil eines Bankenaufsehers beschäftigt. Tenor: Künftig wird allein die Fachexpertise der Belegschaft wohl nicht mehr ausreichen, um das Finanzsystem vor Turbulenzen zu schützen.

"Der Bankaufseher der Zukunft muss sehr technikaffin sein und sich mit künstlicher Intelligenz und Programmiersprachen auskennen", sagt Dominik Weh, der als Partner bei Oliver Wyman die Studie verantwortet hat. Aber damit nicht genug: Die Kontrolleure müssten "agil sein und das Silo-Denken in der Behörde aufbrechen, damit das Expertenwissen einzelner für alle nutzbar wird."

Die Bankenaufseher - egal ob bei der Europäischen Zentralbank, der Bank of England oder bei der Federal Reserve in den USA - haben ähnliche Probleme wie andere Organisationen, in denen Expertenabteilungen ihr Wissen für sich behalten, weil der Vorstand sie nicht einbindet. Oder wo es keine Kultur des Teilens gibt, weil man sauer ist auf die anderen Abteilungen. Oder wo Berührungsängste den Austausch lähmen, weil Fachleute zu kompliziert oder blasiert daherreden.

Diese Wissensverluste kann man sich nicht mehr erlauben. Die Bankenaufseher müssen sich mit Kryptowährungen, Cyber-Kriminalität und Fintechs auseinandersetzen - all das sind Felder, auf denen die Behörden kaum Erfahrung besitzen. Gleichzeitig hinken Kontrolleure oft hinterher, denn sie verlassen sich zum Teil auf Monate alte Daten, was im Ernstfall sehr gefährlich sein kann. Ziel, so die Studie, müsse es sein, dass Aufseher Echtzeitdaten der Banken erhalten. Darüber hinaus sollten Bankenaufseher ihre Fachexpertise "gut kommunizieren können, indem sie die Sachverhalte je nach Adressat verständlich formulieren", sagt Weh. Empfehlenswert sei auch, dass Führungskräfte alle Ideen ihrer Leute wertschätzen. Die moderne Managementtheorie spricht von "Agilität": Hier ermuntern Unternehmen ihre Belegschaft, quer zu denken und angstfrei zu diskutieren.

Behörden sind seit jeher hierarchisch strukturiert. Die empfohlene Umstellung dürfte schwerfallen. Dabei beruhigt Experte Weh, es gebe unterschiedliche Ausprägungsgrade von Agilität. "Aufseher haben ein Stabilitätsmandat, ergo geht es nicht darum, dass eine Behörde so agil wird wie Tesla."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: