Bankenaufsicht:Frankfurter Datensammler

Skyline Frankfurt

Die Banken fürchten den großen Verwaltungsaufwand, wenn sie jeden Dispokredit an die Bundesbank melden müssten.

(Foto: Daniel Reinhardt/dpa)
  • Die Bundesbank wüsste gern über jeden einzelnen Kredit genau Bescheid. Damit würden die Deutschen die von der EZB vorgesehen Regeln noch deutlich verschärfen.
  • Damit wollen die Aufseher verhindern, dass sich wieder unbemerkt große Kreditrisiken in den Bilanzen ansammeln.
  • Die Branche fürchtet dagegen den Aufwand, wenn sie jedes selbst überzogene Konto melden müssen.

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Die Deutschen gelten gemeinhin als sehr verantwortungsvoll im Umgang mit dem Geld. Für den Kauf eines Hauses bringen sie in aller Regel viel Eigenkapital ein. Generell sparen die Menschen hierzulande fleißig, weil sie tendenziell niemandem gern etwas schuldig bleiben. Warum also sollten die hiesigen Finanzaufseher ein Interesse daran haben, genau wissen zu wollen, wie viel Geld sich Bundesbürger bei der Bank geliehen haben?

Bei der Bundesbank denkt man darüber nach, genau diese Daten zu erheben. Jeder Kleinstkredit, egal ob ihn eine Privatperson oder eine juristische Person in Anspruch genommen hat, soll von den Banken, welche die Darlehen vergeben, bei der Bundesbank gemeldet werden, so die Idealvorstellung der Aufseher. Entschieden ist noch nichts, doch der Plan sorgt im Vorfeld für Ärger.

Vorsorge für mehr Finanzstabilität

Durch die Maßnahme soll die Finanzstabilität in Deutschland gestärkt werden. Bislang, so die Bundesbank, erfahre man nichts davon, wenn sich ein Bürger bei vielen Banken mehrere Kredite hat geben lassen. Wenn sehr viele Privathaushalte und Unternehmen sich dadurch in eine Schuldenfalle manövrieren würden, dann könnte dieser Umstand die Finanzstabilität eines ganzen Landes gefährden: zum Beispiel dann, wenn die Kredite ausfallen und die Banken aus diesem Grund ins Wanken geraten.

Der geplante Zugriff auf die Einzeldaten der Kreditwirtschaft ist eine Reaktion der Aufseher auf die globale Finanzkrise. Als die US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 pleiteging, stellte man fest, wie wenig Bankkontrolleure über die Kreditrisiken des Bankensektors wussten. Man hatte diese Gefahren lange unterschätzt. "Die Erfahrung aus den USA zeigt, dass eine Lockerung der Kreditvergabestandards an bonitätsschwache Haushalte eine der wesentlichen Ursachen für Finanzkrisen sein kann", sagt Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch. Eine solche Entwicklung lasse sich nur mit granularen Daten identifizieren.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat deshalb im Juni 2014 beschlossen, ein zentrales Kreditregister für Europas Finanzsektor aufzubauen. Es sollen dazu engmaschige Kundendaten erhoben werden bei den größten Banken Europas, die von der EZB seit knapp einem Jahr beaufsichtigt werden. So wollen die Aufseher in Frankfurt eine vergleichbare Basis haben über alle Großbanken in den 19 Euro-Staaten. Idealerweise würde im Ernstfall ein Blick genügen, um erkennen zu können, wo sich Überschuldungswellen aufbauen, die das System destabilisieren.

Banken fürchten den Aufwand - und protestieren

Doch muss dazu wirklich auch ein 50-Euro-Überziehungskredit erfasst werden? Die EZB hatte ursprünglich eine Meldeschwelle von 50 000 Euro vorgesehen, jetzt sollen es 25 000 Euro sein. Noch im Oktober möchte die EZB einen ersten Beschluss in dieser Sache fassen, dem womöglich noch eine Umfrage bei den betroffenen Banken folgt. Die Umsetzung solle im zweiten Halbjahr 2017 folgen. Zunächst müssten dann Ausleihungen an Firmenkunden und die öffentliche Hand gemeldet werden, später, ab 2020, dann auch weitere Darlehen wie Wohnungsbaukredite oder Dispokredite an private Haushalte.

Eine Meldeschwelle von null Euro, wie ihn die Bundesbank für den deutschen Bankensektor erwägt, ist bei der EZB wohl vom Tisch. Entsprechend groß ist der Ärger in Deutschland. Die Banken wehren sich vehement gegen die Pläne der Aufsicht. Die Institute fürchten nicht nur den großen Aufwand, wenn sie ohne Untergrenze Daten zu allen Kreditnehmern melden müssten, sie halten dies auch für viel zu bürokratisch und datenschutzrechtlich heikel. Die Institute müssen viele Details übermitteln, etwa die Art des Kredits, dessen Laufzeit und Währung. Die Bankenlobby schätzt, dass sich die Zahl der zu meldenden Kreditmerkmale gegenüber heute verdreifachen würde.

In einem Schreiben der Deutschen Kreditwirtschaft an die Bundesbank heißt es, wenn künftig zum Beispiel auch Dispo-Kredite gemeldet werden müssten, seien die Banken gezwungen, die Kunden bereits bei der Eröffnung von Girokonten nach Einkommen und Vermögen zu befragen. "Bei Wohnungsbaukrediten wird dies seitens der Kunden naturgemäß akzeptiert, ob dies jedoch bei der Eröffnung eines Girokontos der Fall ist, erachten wir als fraglich", heißt es in dem Schreiben der Deutschen Kreditwirtschaft, der gemeinsamen Lobbyplattform für Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken.

Bundesbank will schärfere Regeln als die EZB

Der Bearbeitungsprozess werde auf jeden Fall deutlich bürokratisiert, weil die Kunden unter anderem über die Verwendung der Daten und die Meldung an die Bundesbank aufgeklärt und informiert werden müssten. "Unserer Einschätzung nach rechtfertigt der versprochene Nutzen im Sinne Geldpolitik und Finanzmarktstabilität diesen Ansatz in keinster Weise", klagen die Institute. Mehr noch: Bei bestehenden Verbindungen müssten die Attribute nicht nur bei reinen Kreditkunden, sondern bei allen Girokunden, denen ein Dispositionskredit eingeräumt wurde, nacherhoben werden, was zu erheblichem zusätzlichen Aufwand führt.

Die Bundesbank überlegt, ob sie das dennoch durchzieht. Es gibt auch andere Aufsichtsbehörden in der Euro-Zone, die alle Daten zur Kreditvergabe einfordern. Die EZB-Regel ist das eine - auf nationaler Ebene dürfen die Aufseher aber jederzeit noch mehr Daten erheben. Bei der Bundesbank heißt es, man könne sich viele Sonderumfragen bei Banken ersparen, wenn die Datenlage besser wäre.

Datenschutz soll kein Problem sein

Vor allem für die Risikoeinschätzung der hiesigen Immobilienmärkte fehlen Informationen. "Auch wenn es viele Studien dazu gibt: Es ist nach wie vor sehr schwer, wirklich valide Aussagen über die Preise deutscher Wohnimmobilien zu treffen", sagt Peter Barkow, Gründer der Finanzierungsberatung Barkow Consulting, der seit Jahren den Immobilienmarkt analysiert. Es gebe zwar viele Daten und Indizes, aber die Ergebnisse seien zum Teil widersprüchlich. Bei gewerblichen Immobilien, dazu gehörten Büro- oder Logistikimmobilien, sei der Nachholbedarf noch größer. "Für diesen Markt gibt es noch weniger Daten und keinerlei Leitindex. Die Datensammlung der Bundesbank könnte das unter Umständen verbessern", sagt Barkow.

Die Bundesbank würde dadurch auch einen Überblick über die Gesamtverschuldung der Einzelhaushalte erhalten. Datenschutzrechtliche Einwände weist man zurück, da die Daten anonymisiert würden. "Mit deren Hilfe lassen sich Einzelkreditdaten und Bankbilanzdaten verknüpfen", sagt Bundesbank-Vizepräsidentin Buch. "Eine solche Datenbasis würde uns gute Analysemöglichkeiten für viele Anwendungen bieten."

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