Bankenabwicklung:Wer die Zeche zahlt

Werden Europas Steuerzahler künftig tatsächlich nicht mehr für die Pleiten von Großbanken zur Kasse gebeten? Gibt es Ausnahmen? Und für welche Banken gelten überhaupt die neuen Regeln, auf die sich Europas Finanzminister geeinigt haben? Die wichtigsten Antworten zur künftigen Bankenabwicklung.

Von Andrea Rexer und Markus Zydra, Frankfurt

Entlastung für Europas Steuerzahler: Künftig sollen hauptsächlich Eigner und Gläubiger für die Pleite einer Großbank haften. Die EU-Finanzminister einigten sich in der Nacht zum Donnerstag auf Haftungsregeln, mit denen die Abwicklung eines maroden Kreditinstituts künftig geordnet und damit sicher über die Bühne gehen kann. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wer bezahlt künftig für Krisenbanken?

Die EU hat sich auf eine Haftungspyramide geeinigt: Wenn ein Kreditinstitut in Schieflage gerät und nicht mehr gerettet werden kann, dann haften zunächst die Aktionäre mit ihrem Kapitaleinsatz. Danach kommen die Gläubiger an die Reihe, also die Institutionen und Personen, die der Bank Geld geliehen haben. So werden beispielsweise Anleihen zur Haftung herangezogen. Man spricht von einem Bail-in. Innerhalb der Gläubigergruppe gibt es Haftungshierarchien. Es wird aber auch nicht ausgeschlossen, dass der EU-Rettungsfonds ESM unterstützen darf. Er soll Banken direkt rekapitalisieren können.

Müssen Sparer auch zahlen?

Spareinlagen unter 100.000 Euro bleiben grundsätzlich verschont. Wer mehr Geld auf dem Konto hat, ist allerdings im Ernstfall betroffen. Vermögende Sparer sollten ihr Geld deshalb über verschiedene Banken streuen.

Welche Ausnahmen gibt es?

Bestimmte Verbindlichkeiten werden im Fall einer Bankenpleite nicht herangezogen. Dazu gehören etwa Pfandbriefe, Pensionsansprüche der Bankmitarbeiter sowie Inter-Bankenforderungen mit einer Laufzeit von weniger als sieben Tagen. Die nationalen Abwicklungsbehörden haben grundsätzlich das Recht, das Bail-in zusätzlich zu begrenzen, etwa wenn die in Frage stehenden Schulden nicht schnell genug herangezogen werden können oder um Ansteckungseffekte auf andere Banken zu vermeiden.

Wird der Steuerzahler künftig wirklich nicht mehr zur Kasse gebeten?

Darüber gehen die Meinungen auseinander. Kanzlerin Angela Merkel lobte die Einigung: "Wir kommen weg davon, dass die Steuerzahler immer wieder für die Banken gerade stehen müssen." Kritikern jedoch gehen die Ausnahmen zu weit: "Der europäische Steuerzahler muss weiter für Bankenrettungen gerade stehen. Zwar schlagen die EU-Finanzminister die Haftung von Aktionären, Gläubigern und Einlegern vor. Die ist aber auf Druck der Finanzlobby so gestrickt, dass scheunentorgroße Hintertüren offen bleiben", sagt etwa Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion.

Wird es einen gemeinsamen europäischen Abwicklungsfonds geben?

Nein, zunächst ist die Einrichtung nationaler Abwicklungsfonds vorgesehen, die allerdings den gleichen Vorgaben folgen müssen. Kreditinstitute müssen auf Basis ihrer Verbindlichkeiten jährlich entsprechende Beiträge in den Fonds abführen. Die EU-Staaten sollen diese Fonds aus Bankgebühren binnen zehn Jahren ausreichend bestücken. In der kommenden Woche will die EU-Kommission einen Gesetzesentwurf vorlegen, der die engere Verzahnung der nationalen Abwicklungsfonds vorsieht. Dieser Plan ist jedoch umstritten, Deutschland sperrt sich dagegen.

Für welche Banken gelten die Regeln?

Zunächst nur für systemrelevante Institute. Aber die Details sind noch offen. Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon fordert, regional tätige Institute mit einem risikoarmen Geschäftsmodell sollten nicht betroffen sein.

Welche Auswirkungen hat die Regelung auf die Banken?

Für die Großbanken könnte die Refinanzierung teurer werden, denn das Risiko der Gläubiger, ihr Geld zu verlieren, ist durch die Regelung höher geworden. Sie werden daher höhere Prämien, sprich Zinsen, verlangen. Die Ratingagenturen diskutieren bereits, ob sie ihre Bewertungen verändern müssen. Denn bisher rechnen sie den Banken positiv an, dass sie von den jeweiligen Regierungen unterstützt werden. "Wir überprüfen, ob wir nach der endgültigen Entscheidung das Rating der Banken verändern müssen", sagt Markus Schmaus von der Ratingagentur Standard & Poor's.

Ab wann gelten die neuen Regeln?

Voraussichtlich ab 2018, allerdings muss vorher noch das Europäische Parlament zustimmen. Mit einer Einigung wird bis zum Jahresende gerechnet. Zudem müssen noch viele Details ausgehandelt werden.

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