Banken:Teures Schwarzgeld

People enjoy the sunny spring weather aboard a tourist vessel sailing in front of the eastern Swiss Alps on Lake Zurich

Entpannt am Zürichsee - oder droht schon wieder neuer Ärger?

(Foto: Arnd Wiegmann/Reuters)

Viele Kunden, die ihr Vermögen in der Schweiz versteckt hatten, wurden abkassiert. Klagen wollen aber nur wenige.

Von Charlotte Theile, Zürich

Herbert Notz hat schon viele Spitznamen bekommen, fast immer kommt das Wort "Jäger" darin vor. "Jäger des verlorenen Schatzes", "Aus dem Leben eines Schwarzgeld-Jägers", und so weiter. Im Moment jagt der gelernte Unternehmensberater einem besonders komplizierten Finanzkonstrukt nach, Retrozessionen genannt. Diese Provisionen, die von Schweizer Banken beim Hin- und Herschieben von Geldern erhoben wurden, stehen nicht den Banken, sondern den Kunden zu. Das hatte das Schweizer Bundesgericht schon 2012 in zwei Grundsatzurteilen entschieden.

Der Deutsche Herbert Notz, inzwischen spezialisiert auf die Jagd nach verschollen geglaubtem Vermögen, witterte ein Millionengeschäft. Vor allem deutsche Kunden, die ihr Vermögen in der Schweiz vor dem Finanzamt versteckten, könnten noch viel Geld von den Schweizer Geldinstituten zurückholen. Geld, von dem sie gar nicht wussten, dass es existiert. Das Problem ist nur: Kaum einer der Steuersünder, die ihre Konten inzwischen offengelegt haben, wollte in den vergangenen Jahren in den Kampf gegen die Schweizer Banken ziehen. "Es gibt bei vielen eine Hemmschwelle, sich noch einmal mit dem Geld aus der Schweiz zu befassen" beobachtet Notz.

Die Zeit drängt. Viele Ansprüche werden bald verjähren

Dadurch gerät auch das Geschäftsmodell der von Notz gegründeten Zürcher De iure AG unter Druck. Dort hat der Rechtsberater die Ansprüche der betroffenen Bankkunden gesammelt - fast immer läuft das so: Die Kunden haben mit den Konten aus der Schweiz abgeschlossen, ihre Steuern gezahlt, die Angelegenheit bereinigt. Es sind sehr vermögende Kunden, schon kleine Gebühren fallen ins Gewicht.

In seinem Büro, unweit des Zürcher Paradeplatzes, rechnet Notz vor: Wenn einer noch 100 000 Euro an zu Unrecht gezahlten Retrozessionen zu Gute habe, kaufe er ihm diese Rechte für beispielsweise 20 000 Euro ab. Dann erstreitet er das Geld von den Banken zurück - in einem großen, gesammelten Prozess. Doch um so einen Prozess führen zu können, braucht man Schlagkraft. Und um diese Schlagkraft zu erreichen, braucht es viele Kunden, die ihr Geld zurückfordern. "Eine Prozesswelle rollt heran", hieß es 2014 in einem Fachblatt. Doch bisher geht es nur langsam vorwärts. Die Schweizer Großbank Credit Suisse hat sich in einigen Fällen auf eine außergerichtliche Einigung eingelassen, ihre Konkurrentin UBS will Notz dagegen verklagen. Er prüft gerade, ob er die Schweizer Banken auch in Deutschland verklagen kann. Eines braucht der Rechtsberater in jedem Fall: neue Kunden, die den Druck auf die Geldinstitute erhöhen.

Notz, der zu diesem Treffen auch Alexander Amann, Partner einer Liechtensteiner Anwaltskanzlei, geladen hat, schreibt eine Flipchart-Seite nach der anderen voll. Viel edles Holz, ein altes Fenster. Vorlesungsatmosphäre.

Äußert man Bedenken an der Geschichte - zum Beispiel weil Menschen, die so viele Millionen vor der Steuer versteckt haben, dass sich schon kleinste Gebühren zu Hunderttausenden Franken summieren, nicht gerade Sympathieträger sind - schwenkt Notz sofort auf eine andere Geschichte um. Ob nicht stattdessen der deutsche Staat das Geld zurückfordern könne? Schließlich müssten ja auch auf die zu viel einbehaltenen Retrozessionen wieder Steuern gezahlt werden? Der Anwalt aus Liechtenstein schaut skeptisch. Doch auch er hat nur ein Ziel: Die Geschichte der Retrozessionen, über die die Süddeutsche Zeitung bereits im Frühjahr 2015 berichtete, soll wieder in den Medien stattfinden.

Am besten in dem Stil, in dem das Schweizer Magazin Beobachter über den Fall berichtete: "Spezialisten versuchen, für Vermögenskunden Provisionen zurückzuholen, die Banken eingestrichen haben. Mit ziemlichem Erfolg". Herbert Notz schickt den Artikel in diesen Tagen an alle Journalisten, deren E-Mail-Adresse er bekommen kann. Die Sache mit dem Erfolg ist längst nicht so klar, wie es der Beobachter schreibt. Der Mann, der die Schweizer Banken besiegen will, ist mit dem Kauf der Rechte in gewaltige Vorleistungen gegangen: "Die Banken spielen auf Zeit und gehen davon aus, dass wir das Kostenrisiko längerer gerichtlicher Auseinandersetzungen scheuen" sagt er einmal, wechselt dann aber schnell wieder das Thema. Im Prinzip hat Notz Recht: Die Urteile des Bundesgerichts sind da, die Schweizer Banken haben ihre Schwarzgeldkunden zu Unrecht abkassiert - in dem Wissen, dass sich die Menschen in dieser Grauzone kaum wehren konnten. Die meisten kamen nur alle paar Jahre mal nach Zürich, die Briefe der Bank wurden wohlweislich nicht nach Deutschland geschickt, sondern in einem Safe in Zürich gestapelt. Nicht wenige vertrauten ihren Vermögensverwaltern so sehr, dass sie alle Geschäfte in deren Hände legten. Wenn Notz heute Unterlagen von den Banken einfordert, heißt es oft, die existierten nicht mehr. Und wenn doch, lässt sich wenig damit anfangen. Notz kramt Kundenbelege der Großbank UBS hervor - so verklausuliert, dass der Normalkunde keine Chance hatte, zu verstehen, was mit seinem Geld geschieht, wofür er welche Gebühr entrichtet. Eine andere Zeit: Hohe Zinsen, wenig Regulierung, dann die Steuern, die man sich sparte: Das Nicht-so-genau-Hinschauen hatte Konjunktur, auf beiden Seiten.

Dabei scheint es zu bleiben, bis heute. Notz, der angesichts von Zehntausenden Selbstanzeigen in Deutschland mit einigen Hundert Kunden rechnete, wirkt ernüchtert. Nicht wie ein Jäger, nicht wie der Anführer einer Prozesswelle. Es sei jetzt wirklich dringlich, sagt Notz, schließlich lese er in den Schreiben der Banken jetzt immer häufiger den Satz: "Ihre Ansprüche sind verjährt."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: