Banken-Skandal um Libor:EU-Kommission will Zinsmanipulation unter Strafe stellen

Jahrelang haben große Banken wie Barclays offenbar mit einem wichtigen Zinssatz getrickst und so Milliarden eingestrichen. Eine Strafe müssen sie dafür bislang nicht fürchten. Die EU will das nun ändern.

Barclays und mutmaßlich weitere Großbanken haben jahrelang einen wichtigen Zinssatz zu ihrem Vorteil manipuliert. Es geht um Tricks beim Libor. Das ist ein Zinssatz, zu dem sich die Banken gegenseitig Geld leihen. Er dient außerdem als Leitwert für Bankgeschäfte in Höhe von 360 Billionen Dollar und beeinflusst so etwa, wie viel Geld Anleger bekommen oder wie teuer Kredite für Unternehmen sind.

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier will hart durchgreifen: Zinsmanipulationen sollen künftig bestraft werden.

(Foto: REUTERS)

Der Clou: Die Banken legen den Satz in einer Art Spiel selbst fest, indem sie einen Wunschzins anmelden. Die höchsten und die niedrigsten Angebote werden gestrichen, aus dem Rest wird ein Durchschnitt gebildet. Da nur etwas mehr als ein Dutzend Banken an dieser Methode beteiligt sind, ist das Potential für Absprachen groß. Das britische Geldhaus Barclays hat bereits eine Strafe gezahlt - allerdings aufgrund von Verstößen gegen das Kartellrecht. Strafbar sind die Libor-Manipulationen bisher nicht.

Die EU will nun sicherstellen, dass die Großbanken bei Zinsmanipulationen künftig härter belangt werden. Noch gibt es gar keine gesetzliche Grundlage dafür. Die 360 Millionen Euro, die Barclays zahlen muss, waren eine Kartellstrafe, verfügt von britischen und amerikanischen Aufsichtsbehörden.

Künftig soll das Delikt auch von Gerichten bestraft werden können. Dazu muss es in die EU-Regeln über Marktmissbrauch aufgenommen werden, in dem zum Beispiel auch Insiderhandel geregelt ist. "Wir müssen die Lektionen aus dem Libor-Fall lernen", sagte ein Sprecher von EU-Kommissar Michel Barnier, der zuständig ist für Finanzmarktreformen. "Das Vertrauen der Marktteilnehmer ist erschüttert worden", sagte er. Man arbeite an einer Ergänzung der EU-Regeln, "damit sichergestellt wird, dass derartige Manipulationen künftig bestraft werden."

Ob außer Barclays weitere Großbanken in den Strudel um die Manipulationen gerissen werden, ist noch nicht abzusehen. Die Beweislage ist bei anderen Instituten nicht so eindeutig. Erst Ende August könnte Näheres bekannt werden, heißt es in Finanzkreisen. Vor allem auf zwei Händler sollen sich die Ermittlungen konzentrieren: auf einen von Barclays und auf einen, der erst für die Schweizer Großbank UBS arbeitete und dann für die amerikanische Citigroup. Sie könnten die Manipulationen initiiert und Händler anderer Banken mit Mitmachen angestiftet haben.

Ermittlungen gegen ein Dutzend Großbanken

Die EU-Kommission verhandelt derzeit mit dem EU-Parlament und den Regierungen der Mitgliedsländer über neue Gesetze gegen Marktmissbrauch, die Mindeststrafen für Vergehen wie Insiderhandel festlegen. Die Gesetze hätten in allen 27 EU-Staaten Gültigkeit, müssen aber noch vom Parlament und den Regierungen gebilligt werden.

Im Libor-Fall wird gegen insgesamt mehr als ein Dutzend Großbanken ermittelt, darunter auch die Deutsche Bank und die Schweizer UBS. Ihnen wird vorgeworfen, von 2005 bis 2009 den Referenz-Zinssatz Libor und andere Marktzinsen mit falschen Angaben manipuliert zu haben, um ihre wahren Refinanzierungskosten zu verschleiern und Handelsgewinne einzustreichen. Die britische Finanzaufsicht FSA soll außerdem jahrelang zu nachlässig bei der Überwachung des Libor-Zinssatzes gewesen sein. In einigen Fällen soll die FSA sogar von Manipulationen gewusst haben, sei aber zu lax mit dem Vergehen umgegangen.

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