Banken:Schöpfer des Geldes

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Die Schuldenlast der westlichen Welt wächst und wächst. Die Deutsche Bundesbank diskutiert deshalb in ihrem jüngsten Monatsbericht ernsthaft, ob man die ungedeckte Kreditvergabe durch Banken gänzlich stoppen sollte.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die britische Anthropologin Alison Hingston Quiggin hat sich mal auf knapp 500 Seiten über die Ursprünge des Geldes ausgelassen. 1949 war das. In "The Beginnings of Currency" schrieb sie gleich im ersten Satz des ersten Kapitels ein Paradoxon, das sich bis heute als perfektes Aperçu für eine Kaminrede eignet. "Jeder - außer einem Ökonomen - weiß, was man unter Geld versteht."

Die Gescholtenen können mit der Häme gut leben, weil es ihrem Intellekt schmeichelt. Sie wissen um das Wesen des Geldes, das sich schlicht und kompliziert zugleich offenbart. Mit Geld kann man bezahlen. Das ist die schlichte Erklärung. Doch wenn man sich die Frage stellt, wo das Geld herkommt, wer es erschafft und wie es wieder verschwindet, wird die Sache sofort anspruchsvoller. Früher war die sogenannte Geldschöpfung ein Thema für Experten. Doch durch die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die damit seit Jahren viele Billionen Euro in die Finanzmärkte pumpt, wächst das Unbehagen vieler Menschen. Die EZB möchte mit dieser Maßnahme die Kreditvergabe in der Euro-Zone ankurbeln. Allerdings gibt es Zweifel an diesem Modell des schuldenfinanzierten Wachstums.

Die Welt steht bereits tief in der Kreide. "Die globalen Schulden liegen heute bei 199 Billionen Dollar und damit um 57 Billionen Dollar höher als zu Beginn der Finanzkrise 2007", schreibt die Beratungsgesellschaft McKinsey. Gibt es also zu viel Geld in Form von Schulden? Und welche Rolle spielen die Banken dabei? Die Bundesbank hat das gewachsene öffentliche Interesse zum Anlass genommen, den Geldschöpfungsprozess in ihrem Monatsbericht vom Montag unter die Lupe zu nehmen. Erste Lehre: Die Kreditvergabe läuft gar nicht mehr so, wie man es in der Schule und zum Teil auch auf der Universität stets erklärt bekommen hat. Dort hieß es häufig, dass Banken die Einlagen der Sparer an Firmen oder Privathaushalte weiterverleihen. Die Bank als Vermittler, der das Geld der einen an die anderen weiterreicht.

Doch das stimmt so nicht. Die Kreditvergabe kann "grundsätzlich ohne vorherige Zuflüsse von Kundeneinlagen stattfinden", so die Bundesbank. Die Geldschöpfung sei das Ergebnis eines simplen "Buchungsvorgangs, bei dem die Bank den vergebenen Kredit als Gutschrift für den Kunden verbucht." Ein Beispiel: Der Kunde Meier möchte 1000 Euro Kredit. Die Bank stimmt zu und schreibt den Betrag dessen Konto gut. Es entsteht per Knopfdruck Geld aus dem Nichts, wobei die Bank diese Kreditvergabe nicht grenzenlos betreiben kann. Ein Teilbetrag des Darlehens muss bei der Zentralbank als Reserve hinterlegt werden. "Dies widerlegt einen weitverbreiteten Irrtum, wonach die Bank im Augenblick der Kreditvergabe nur als Intermediär auftritt, also Kredite lediglich mit Mitteln vergeben kann, die sie zuvor als Einlage von anderen Kunden erhalten hat", so die Bundesbank. Zusätzliche Spareinlagen erhöhen auch nicht per se die Kreditmittel der Bank. Das wird deutlich, wenn man sich überlegt, was passiert, wenn der Kunde sein Geld, statt zu sparen, ausgeben würde. Dann würde er sich für beispielsweise 10 000 Euro ein Auto kaufen. Das Geld würde er auf das Girokonto des Verkäufers überweisen. Das Vermögen des Sparers wäre nun das Vermögen des Verkäufers. Der Einlagen-Saldo des Bankensektors hätte sich nicht verändert.

Dieses Geldschöpfungsprivileg der Banken ist nach der Finanzkrise ins Gerede gekommen. Immerhin waren es faule Kredite, die das globale Finanzsystem in Schieflage gebracht haben. Was läge da näher, als den Banken hier einen Riegel vorzuschieben. Etwa durch die Vorschrift, dass für einen Kredit in Höhe von einer Million Euro exakt eine Million Euro als Sicherheitspuffer hinterlegt werden müssen. Banken dürften dann nur soviel verleihen, wie sie haben. Das aktuell geltende Teilreservesystem würde dann durch das sogenannte Vollgeld mit 100-prozentiger Reservehaltung ersetzt.

Die Banken wären dann jederzeit in der Lage, den Kunden ihre gesamten Spareinlagen auszuzahlen. Das können sie derzeit nicht. "Wenn mehr Einleger als erwartet ihre Sichtguthaben abziehen, weil sie erwarten, dass andere Einleger ihre Guthaben abziehen und sie daher einen Zusammenbruch der Bank befürchten, kann dies zu einem ,Run' auf Banken führen", so die Bundesbank. Ein solcher Bankenansturm gefährdet das ganze Finanzsystem. Das zeigten die Ereignisse in Griechenland und Zypern während der Euro-Schuldenkrise. Die dortigen Regierungen mussten die Banken schließen, um einen Ansturm der Sparer auf ihre Konten zu unterbinden. Die Bundesbank glaubt nicht, dass allein die Einführung des Vollgelds mehr Sicherheit brächte. Vielmehr müssten die Regeln so geändert werden, "dass eine Geldschöpfung durch Geschäftsbanken de facto nicht mehr möglich ist"

© SZ vom 25.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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