BankenrettungKlingbeils neue Großzügigkeit

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Neuer Job bringt neue Probleme: Der frisch berufene Vizekanzler und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil, hier am 15. Mai im Bundestag.
Neuer Job bringt neue Probleme: Der frisch berufene Vizekanzler und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil, hier am 15. Mai im Bundestag. (Foto: Lisi Niesner/REUTERS)

Die deutschen Banken wollen zwei Milliarden Euro vom Staat zurück. Ex-Finanzminister Lindner wollte sie ihnen geben, durfte aber nicht. Jetzt versuchen es die Institute bei seinem Nachfolger Lars Klingbeil – mit Aussicht auf Erfolg.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Wahrscheinlich hatten die deutschen Banken selbst nicht mehr damit gerechnet, dass ihnen der Weihnachtsmann noch einmal seine Aufwartung machen würde. Und – noch besser: dass er diesmal wohl nicht unverrichteter Dinge wieder abziehen, sondern endlich das ersehnte Milliardengeschenk aus dem Sack ziehen dürfte, das sich die Finanzmanager nun schon so lange wünschen. Nur dass Santa Claus jetzt einen neuen Namen hat, daran mussten sich die Frankfurter Damen und Herren in den vergangenen Wochen erst gewöhnen: Er heißt jetzt nicht mehr Christian Lindner, sondern Lars Klingbeil.

Worum geht es? Seit Jahren schon versuchen die Kreditinstitute, sich jene rund 2,2 Milliarden Euro von der Bundesregierung zurückzuholen, die die Branche nach der Weltfinanzkrise von 2008 in einen nationalen Bankenrettungstopf namens RSF hatte einzahlen müssen. Der Bund hatte die Banken zur Mitwirkung verpflichtet, um nicht noch einmal mit Steuergeldern in Milliardenhöhe einspringen zu müssen, wenn ein Geldhaus in Schieflage gerät. Die Mittel werden allerdings nicht mehr benötigt, weil es mittlerweile den europäischen Abwicklungsfonds SRF gibt.

Die SPD war strikt dagegen – bis jetzt

Schon zu Ampel-Zeiten signalisierte der damalige Bundesfinanzminister Lindner (FDP) den Instituten deshalb, dass er das Geld auf Umwegen an sie zurückzahlen werde. Auch Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) stimmte zu, nachdem Lindner ihm hoch und heilig versichert hatte, die Institute wollten das Geld in Form von Krediten für den klimagerechten Umbau von Industrie, Wohngebäuden und Verkehr wieder in den Wirtschaftskreislauf einspeisen.

Das Projekt scheiterte jedoch am Widerstand der SPD- und der Grünen-Fraktion, die in dem Plan weniger ein innovatives Finanzierungsmodell als vielmehr ein reichlich überflüssiges Milliardengeschenk an die Bankenindustrie sahen. Druck machte auch der bankenkritische Verein Finanzwende. Er forderte, die Mittel an den Finanzmarktstabilisierungsfonds Soffin zu überweisen. Dieser hatte infolge der Krise von 2008 viel Geld mit der Stützung deutscher Banken verloren und Anfang 2024 immer noch Verluste von mehr als 21 Milliarden Euro in den Büchern stehen. Sogar ein vom Finanzministerium selbst in Auftrag gegebenes Gutachten kam zu dem Schluss, dass die Banken ungeachtet allen Lobby-Getöses keinen Anspruch auf die Gelder haben. Lindner gab schließlich klein bei und präsentierte einen Gesetzentwurf, der vorsah, die 2,2 Milliarden Euro in den Soffin zu überführen. Problem: Wegen des Bruchs der Ampel wurde der Entwurf nie verabschiedet.

Seither sieht die Sachlage urplötzlich wieder ganz anders aus. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt nämlich vereinbarten die Ampel-Nachfolger CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag, man werde „die sogenannten Altmittel aus der früheren Bankenabgabe in Höhe von zwei Milliarden Euro gemeinsam mit der deutschen Kreditwirtschaft in einen Mittelstand-Fonds einbringen“. Die Banken sollen nach den Plänen ihrerseits weitere acht Milliarden Euro bereitstellen, sodass insgesamt „bis zu zehn Milliarden Euro Eigen- und Fremdkapital für die digitale und klimaneutrale Transformation großer deutscher Mittelständler mit begrenztem Zugang zum Kapitalmarkt“ zur Verfügung stünden.

Kritiker sehen keinen Grund, die Banken mitbestimmen zu lassen

Klingt gut, wie schon beim letzten Mal, ist nach Ansicht von Finanzwende aber nichts anderes als das alte Milliardengeschenk mit neu gefärbtem Deckmäntelchen. „Mit dem Vorhaben stellt die Bundesregierung die Interessen von Banken über die der Bürgerinnen und Bürger“, sagt Michael Möller, Referent für Banken und Finanzregulierung bei Finanzwende. „Es gibt keinen stichhaltigen Grund, warum die Banken bei der Verwendung dieser Mittel mitreden können sollten.“ Weder mangele es in Deutschland an Förderinstrumenten für die Transformation des Mittelstands noch an Kreditangeboten. „Wir konnten die Bankengeschenke schon einmal verhindern – und wir arbeiten daran, es wieder zu tun“, so Möller. Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Finanzexperte Sascha Müller forderte, die Mittel wie geplant zur Tilgung von Altschulden des Soffin einzusetzen.

In der SPD-Bundestagsfraktion hingegen schweigt man erst einmal zu dem Thema. Und auch das Finanzministerium – die neue Heimstatt des Parteivorsitzenden Klingbeil – druckst ein wenig herum: „Die Bundesregierung prüft derzeit die mögliche Ausgestaltung eines solchen Mittelstand-Fonds“, so eine Sprecherin.

Bleibt die Frage, wie es der Passus eigentlich in den Koalitionsvertrag schaffen konnte, wo die SPD doch immer dagegen war. Im Abschlussbericht der Koalitionsarbeitsgruppe Finanzen jedenfalls fand sich der Satz nicht. Er muss also erst ganz am Ende der Gespräche von der Union in das Papier hinein verhandelt worden sein, zu einem Zeitpunkt, als nur noch die Chefs am Tisch saßen. Darunter: Weihnachtsmann Klingbeil.

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