Süddeutsche Zeitung

Banken:Näher an die Klippe

Die deutschen Banken sind bislang halbwegs unbeschadet durch die Corona-Krise gekommen. Doch das dicke Ende kann noch kommen.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Es lag ein Hauch von Finanzkrise in der Luft, als die Sparer zu Corona-Beginn im April auf einmal mehr Bargeld abhoben als sonst. Die Sparda-Bank in München begrenzte sogar das Limit für Neukunden, nachdem das Institut eine "deutlich erhöhte Frequenz" an den Geldautomaten festgestellt hatte. Zum Glück entspannte sich die Lage schnell wieder. Die Bürger horteten zwar Toilettenpapier, aber kein Bargeld.

Allerdings fragten sich nicht nur Fachleute, ob auf die Corona-Wirtschaftskrise nicht unweigerlich auch eine Bankenkrise folgen würde. Werden die vielen tausend Unternehmen, Gaststätten, Hotels, die ihren Betrieb einstellen mussten, nicht nur pleitegehen, sondern auch ihre Kreditgeber mit in den Abgrund reißen? Und: Sind die Banken überhaupt noch in der Lage, die Realwirtschaft mit Kredit und die Privatkunden mit Bargeld zu versorgen oder droht eine Neuauflage der Finanzkrise? Die Aktienkurse von Commerzbank und Deutscher Bank fielen im Frühjahr 2020 erst einmal auf Rekordtiefs.

Doch nicht nur die Kurse erholten sich. Auch die Kreditversorgung funktionierte. Denn anders als in der Finanzkrise griff der Staat beherzt ein, lockerte die Regulierung für Banken, versorgte über staatlich garantierte Kredite die von Corona betroffenen Unternehmen und bewahrten damit auch die Bankbilanzen vor größeren Verlusten. Zudem pumpte die Europäische Zentralbank (EZB) Liquiditätslinien in den Finanzsektor. Und weil die Geldhäuser seit der Finanzkrise ihre Rücklagen erhöht haben, sind sie auch nicht mehr ganz so anfällig wie vor zehn Jahren.

Die zweite Corona-Welle dürfte den Kreditinstituten nun aber zu schaffen machen. "2021 könnte sich als der härteste Test für Banken seit der globalen Finanzkrise herausstellen", sagt Analyst Gavin Gunning von der Ratingagentur S&P Global. Auch Andrea Enria, oberster Bankenaufseher der EZB, warnte die Institute gerade erst davor, drohende Kreditausfälle nicht ausreichend in den Bilanzen zu berücksichtigen. In einem Brief an die Vorstandschefs der größten europäischen Institute forderte er die Geldhäuser auf, ihre Kreditrisiken sorgfältiger zu bilanzieren.

Die europäischen Banken gingen mit den möglichen Belastungen sehr unterschiedlich um und würden bilanziell zum Teil nicht alle Risiken ausreichend berücksichtigen, so Enria. Angesichts der Corona-Krise sei es aber "immer wichtiger, sicherzustellen, dass das Risiko in ihren Bilanzen angemessen beurteilt, eingestuft und bemessen wird", schrieb er. Beim Auslaufen staatlicher Hilfen könnte es aber gefährlicher werden.

Laut Bundesbank könnten sich die Kreditausfälle der deutschen Banken auf 0,8 Prozent des Kreditbestands vervierfachen. Das klingt erst einmal überschaubar, würde sich aber auf rund 13 Milliarden Euro summieren. Besonders im Blick haben die Aufseher dabei Flugzeugkredite: Die großen deutschen Regionalbanken haben laut Berechnungen von Bloomberg allein 15 Milliarden Euro für die Finanzierung von Flugzeugen verliehen. Allein bei der Deka, der Fondsgesellschaft der Sparkassen, liegt der Anteil notleidender Kredite in der Flugzeugfinanzierung bei relativ hohen 7,7 Prozent.

Die Zahl der Unternehmenspleiten ist rückläufig - aber wie lange noch?

Erstaunlich: Dank Kurzarbeitergeld und KfW-Krediten ist die Zahl der Unternehmenspleiten trotz der Corona-Krise in den ersten neun Monaten aber erst einmal gesunken. Von Januar bis September 2020 meldeten die deutschen Amtsgerichte 12 491 Insolvenzen. Das waren 13,1 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Hauptgrund ist allerdings die bis Ende September ausgesetzte Pflicht einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn das Unternehmen kippelt. Für Corona-bedingt überschuldete Unternehmen gilt die Ausnahme sogar bis Ende Januar 2021. Die Hilfsmaßnahmen aber werden irgendwann auslaufen - selbst im Wahljahr. Dann wird wohl auch die Insolvenzwelle kommen.

Die beiden größten deutschen Geldhäuser, Deutsche Bank und Commerzbank, befinden sich derzeit zu allem Überfluss auch noch im Umbau. Das ist insofern wenig erstaunlich, als dass beide schon seit Jahren von Strategiewechsel zu Strategiewechsel taumeln. Erst drei Tage vor Weihnachten gab die Commerzbank bekannt, dass sie 2020 erneut Verlust machen wird, weil sie erneut Rückstellungen bilden muss für einen weiteren Stellenabbau. Und die Deutsche Bank? Die profitiert auf den ersten Blick sogar von Corona, was nicht nur an den staatlichen Hilfen für deutsche Unternehmen liegt, sondern auch daran, dass sich viel mehr Firmen über den Kapitalmarkt refinanzieren wollten. Ob sich dieser positive Trend im Investmentbanking 2021 wiederholen wird, daran aber zweifeln viele Experten.

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