Banken in der Finanzkrise:Monster in unserer Mitte

Im Jahr fünf der Finanzkrise müssen Regierungen und ihre Bürger erkennen, dass all ihre Pläne fehlschlugen. Das zeigt das Beispiel der britischen Barclays Bank. Noch immer lässt sich die Politik von hemmungslos spekulierenden Banken erpressen, die den Wohlstand und die Stabilität des Westens bedrohen. Um sich aus der Umklammerung der Geldhäuser zu befreien, müssen die Regierungen endlich aufs Ganze gehen.

Alexander Hagelüken

Der Vorgang war so spektakulär wie erstaunlich. Da verärgerte der britische Bankchef Bob Diamond viele Menschen, weil er in den vergangenen Jahren 150 Millionen Euro verdiente, während die Welt unter der von Bankern verursachten Finanzkrise litt. Diamond aber zeigte kein Verständnis für die Kritik, sondern ließ wissen, die Zeit müsse vorbei sein, da sich seine Branche entschuldige.

Banken in London Barclays Bank. Finanzkrise

Die Barclays Bank in London: Das Institut hat jahrelang einen wichtigen Zinssatz manipuliert.

(Foto: dpa)

Derselbe Mann räumt nun ein, dass sein Institut, die Barclays Bank, jahrelang einen Zinssatz manipulierte. Nicht irgendeinen Zins, sondern den sogenannten Libor-Satz. Der ist für Geschäfte maßgeblich, die dem 100-Fachen der deutschen Wirtschaftsleistung eines Jahres entsprechen. Millionen Menschen sind von der Manipulation betroffen.

Inzwischen gibt es wohl wenige Schurkereien, die die Bürger den Geldmanagern nicht zutrauen würden. Mit den Erwartungen verhält es sich wie bei der nach oben offenen Erdbeben-Skala. Das überrascht kaum, produziert doch die Branche auch im Jahr fünf der Finanzkrise reichlich Skandale. Während viele Geldmanager längst wieder exorbitant verdienen, verursachen sie oft auch exorbitante Verluste. Das gilt für spanische Banken mit faulen Immobilienkrediten ebenso wie für das lange gefeierte US-Haus JP Morgan, das gerade viele Milliarden Dollar verzockte.

"Too big to fail"

In der einen oder anderen Form müssen immer wieder Steuerzahler für diese Pannen bezahlen. Wobei die Steuerzahler nicht nur zahlen, sondern von den Bankern auch noch verhöhnt werden. So wie vom Ex-Chef der Skandalbank Hypo Real Estate (HRE), Georg Funke, der sich just am Dienstag meldete, als ein neuer Zehn-Milliarden-Euro-Verlust seines früheren Hauses bekannt wurde. Funkes Botschaft: Er sei natürlich nicht Schuld am Desaster.

Im Jahr fünf der Finanzkrise müssen Regierungen und ihre Bürger erkennen, dass all ihre Pläne nach Ausbruch der Krise fehlschlugen: Sie haben immer noch keinen Weg gefunden, die Geldhäuser und ihre Geschäfte zu zähmen, diese Monster in ihrer Mitte. All die Gipfelbeschlüsse und Gesetze verhindern nicht, dass die Banken weiter den Wohlstand und die Stabilität des Westens bedrohen.

Hemmungslos spekulierende Geldhäuser

Worin das Problem liegt, zeigt ein simpler Vergleich. Die Bundesregierung lässt Schlecker und Karstadt mit Zehntausenden Mitarbeitern pleitegehen, doch sie rettet die Hypo Real Estate und spanische Banken. Ganz einfach, weil Finanzgeschäfte längst ein Vielfaches dessen ausmachen, was Drogerieketten, Kaufhäuser und alle anderen Firmen der Realwirtschaft umsetzen. Die riesigen Summen, mit denen die Banker jonglieren, funktionieren wie eine Versicherung: Keine Regierung kann ein Geldhaus pleitegehen lassen, das womöglich das ganze Geldsystem mitreißt.

Seit der Finanzkrise ist dieses Problem eher noch größer geworden, denn viele Banken sind gewachsen. Die Geschäfte der fünf größten US-Institute entsprechen 60 Prozent der US-Wirtschaftsleistung, der Anteil ist doppelt so hoch wie vor einem Jahrzehnt. Diese Banken sind inzwischen erst recht "too big to fail" - zu groß, als dass man sie pleitegehen lassen dürfte. Mit dieser Feststellung ist quasi eine Einladung zu riskanten Geschäften ausgesprochen, die wiederum hohe Boni versprechen, und deren Risiken sich am Ende auf die Steuerzahler abschieben lassen.

Die Hilfe Europas muss die Ausnahme bleiben

Es wird Zeit, dass sich die Regierungen und ihre Bürger nicht mehr von den Banken erpressen lassen, dass sie den Geldmanagern ihre kostenlose Versicherung gegen Missmanagement wegnehmen. Dazu ist eine wirkliche Reform des Finanzsystems nötig, eine, in der nicht mehr die Lobbyisten den Politikern die Feder führen. Eine solche Reform bedarf mehrerer Schritte.

Zum einen sollten die Regierungen die Banken zwingen, die riskanten Geschäfte mit noch mehr Kapital zu puffern, sodass die Häuser Verluste selbst ausgleichen können und nicht die Steuerzahler in Haftung nehmen müssen. Viele volkswirtschaftlich sinnlosen Milliardenjonglierereien würden sich dann nicht mehr lohnen. Zum zweiten sollten Banken, die mit Sparkonten und Firmenkrediten für die Wirtschaft wichtig sind, keine größeren riskanten Geschäfte erlaubt sein - so bleiben sie auch in einer Krise stabil. Hemmungslos spekulierende Geldhäuser könnte der Staat dann den Weg von Schlecker gehen lassen. Und zum dritten sollten die Regierungen Aktionäre und Gläubiger zur Kasse bitten, bevor sie mit Steuergeldern eine Bank retten.

Statt eine solche Reform anzugehen, lädt sich Europa indes immer mehr Risiken seiner Banken auf. Die beim EU-Gipfel besprochene Direkthilfe aus dem Schirm könnte die Haftung von der spanischen Regierung auf Europas Steuerzahler verlagern. Ein gefährlicher Trend: Die Banken in den maroden Euroländern drücken drei Mal so hohe Schulden wie die Staaten selbst.Deswegen darf Europa Banken nur ausnahmsweise helfen, wenn eine EU-weite Aufsicht Geldhäuser saniert - und im Zweifel auch dichtmacht. Aber die Hilfe Europas muss die Ausnahme bleiben. Um sich aus der Umklammerung der Banken zu befreien, müssen die Regierungen aufs Ganze gehen: Mit einer Reform, die den Geldmanagern ihre Erpressungswaffe nimmt.

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