Finanzindustrie:Banken drohen Klima-Allianz mit Austritt

Wall Street in New York

Wall-Street-Banken gehören ebenfalls zur Klima-Allianz Gfanz, nun denken einige darüber nach, sie wieder zu verlassen.

(Foto: MIKE SEGAR/REUTERS)

Eine der wichtigsten Klima-Initiativen im Finanzbereich gibt sich konkretere Ziele, und schon wollen einige große US-Banken austreten. Experten halten dies für ein "fatales Signal".

Von Meike Schreiber, Frankfurt

In puncto Nachhaltigkeit hatten die Marketingleute von Banken zuletzt freies Spiel: Fast erschien es so, als wollten sich die Geldhäuser gegenseitig überbieten. Wer schneller welcher Klima-Initiative beitritt, und warum man "Grün" längst zum Zentrum der eigenen Strategie gemacht habe. Dass die 60 größten Banken einer Studie der Organisation Banking on Climate Chaos zufolge allein 2021 immer noch mit 742 Milliarden Dollar fossile Brennstoffe finanzierten? Geschenkt.

Inzwischen aber wird manchen Bankchefs oder -chefinnen offenbar doch mulmig, wenn sie an die eigenen Versprechen denken, etwa wie genau das eigene Geldhaus über das Kredit- und Finanzierungsgeschäft den CO₂-Ausstoß reduzieren will. Mehrere der größten Wall-Street-Banken, darunter Morgan Stanley, die Bank of America oder JP Morgan denken laut Financial Times darüber nach, eine der wichtigsten Klima-Allianzen zu verlassen.

Es geht um Gfanz, die Glasgow Financial Alliance for Net Zero, gegründet auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow vor mehr als einem Jahr von dem ehemaligen britischen Notenbankchef Mark Carney, dem heutigen UN-Sondergesandten für Klimaaktion und Finanzen. Es ist die größte Initiative dieser Art im Finanzbereich. Rund 500 Banken, Versicherungen, Pensionsfonds, Börsen und Ratingagenturen, Indexanbieter und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben sich im Zuge der Initiative "hochambitionierte, wissenschaftsbasierte Ziele gesetzt".

Bis 2050, so haben sich die Mitglieder geschworen, wollen sie netto kein CO₂ mehr auszustoßen. Das ist lange hin, aber bis 2030 sollen immerhin bestimmte Zwischenziele erreicht werden. Während die Gfanz-Ziele zu Beginn eher schwammig waren, scheint die Initiative nun konkreter zu werden: Sie gab sich neue Leitlinien zur Finanzierung fossiler Brennstoffe und neuer Kohleprojekte. Zugleich bekräftigte sie, dass die Mitglieder immer dazu aufgefordert wurden, aus der Kohlefinanzierung auszusteigen.

Für Greenwashing benutzt

So weit, so gut, aber nun fürchten die Banken offenbar, dass die strengen Anforderungen der Organisation sie rechtlich angreifbar machen. Es kommt zum Schwur: Welche Bank meint es ernst mit den Klimazielen und welche sieht darin vorrangig ein Marketinginstrument? Klimaexperten verfolgen die Entwicklung jedenfalls mit Sorge. Es sei zu vermuten, dass einige Banken die Gfanz verlassen wollten, um Klagen und Reputationsrisiken zu vermeiden, sagt Thomas Küchenmeister von der Organisation Facing Finance. Die Berichterstattung der Gfanz könnte ja offenlegen, dass Banken die Initiative eher als Greenwashing-Instrument benutzt haben, weil viele Banken in Wirklichkeit nie vorhatten, aus der Finanzierung fossiler Energien auszusteigen, sagt er. "Ein Ausstieg von US-Banken aus der Gfanz wäre ein fatales Signal an den Finanzsektor, der sich ja eigentlich einer Beschleunigung der Dekarbonisierung der Wirtschaft verschrieben hatte." Schnell könnten europäische Banken folgen, womit die Initiative dann gescheitert wäre. Auch Magdalena Senn, Nachhaltigkeitsexpertin von Finanzwende, sieht die Sache kritisch. "Die Allianz will nun offenbar tatsächlich etwas bewegen, aber viele Banken setzen weiter darauf, mit fossilen Brennstoffen Geld zu verdienen. Es zeigt sich immer mehr: Zahlreiche Banken schmücken sich gerne mit irgendwelchen Zielen und Initiativen, ohne dann wirklich etwas zu tun."

Dass ausgerechnet die US-Banken Bedenken haben, dürfte auch daran liegen, dass der neue Chef der Börsenaufsicht SEC "Greenwashing" verfolgen will: Banken, die sich nachhaltiger geben, als sie sind, drohen Strafen. Im Visier haben die US-Aufseher bereits die DWS, die Fondstochter der Deutschen Bank, die derzeit wegen Greenwashing-Vorwürfen untersucht wird. Hinzu kommt ein aufziehender Kulturkampf in den USA, der sich explizit gegen Nachhaltigkeit richtet: Der US-Bundesstaat Texas verbietet seinen Pensionskassen neuerdings, ihr Geld bei zehn großen Vermögensverwaltern anzulegen. Der Vorwurf: Die Finanzfirmen boykottierten die Öl- und Gasindustrie. Es ist auch ein Angriff der Republikaner auf einen Teil der Finanzbranche, den sie linker Ideologien bezichtigen. Zudem fiel den US-Banken zuletzt offenbar auf, dass sich Geldhäuser aus China, Indien und Russland der Gfanz nicht angeschlossen haben. Nun wittern sie Wettbewerbsnachteile. Und natürlich spielt auch der Krieg in der Ukraine eine Rolle, der die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen eher weiter angeheizt hat.

Europas Banken dürften Gfanz vorerst die Treue halten. Die Commerzbank teilte mit, sie stehe weiterhin fest zu Ihren Net-Zero-Zielen und damit zu Ihrer Mitgliedschaft der Net-Zero-Banking-Alliance der Unep FI. Die Deutsche Bank, die Nachhaltigkeit zum Zentrum des Handels ausgerufen hat, wollte sich am Donnerstag nicht dazu äußern.

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