Süddeutsche Zeitung

Bankgebühren:Schluss mit heimlich

Der Bundesgerichtshof verlangt mehr Gebühren-Transparenz von den Banken. Das ist richtig so.

Ein Kommentar von Meike Schreiber

Man stelle sich vor, der Preis für ein Glas Wein in der Kneipe verdoppelte sich im Laufe eines geselligen Abends, aber keiner nähme es wirklich zur Kenntnis. Alle Gäste akzeptierten es stillschweigend. Ähnlich läuft es seit Jahrzehnten bei den Banken: Mal locken sie mit einem kostenlosen Girokonto, welches sich dann plötzlich in eine gebührenpflichtige Veranstaltung verwandelt. Mal entpuppt sich ein Sparvertrag als ein Produkt, für das die Kunden zahlen müssen, statt Zinsen zu bekommen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) will dem Treiben nun ein Ende bereiten. Er hat allgemeine Ge­schäftsbedingungen (AGBs) grundsätzlich für unwirksam erklärt, welche das Schweigen des Kunden automatisch als Zustimmung werten. Bislang teilten die Banken den Kunden die Änderungen mit - meistens geht es dabei auch um neue oder höhere Preise. Sofern die Kunden nicht widersprachen, galt die Sache als angenommen. Verbraucherschützer hatten dies schon lange kritisiert und exemplarisch gegen die Postbank geklagt.

Noch steht die Urteilsbegründung aus. Es ist daher offen, ob die Kunden am Ende sogar Geld zurückverlangen können oder nur künftigen Änderungen aktiv zustimmen und besser informiert werden müssen. Klar ist aber, dass Finanzdienstleistungen insgesamt transparenter werden - die Zeit versteckter Kosten und ungestrafter Schwurbelei ist vorbei. Die Rechtsprechung weist nicht erst mit diesem Urteil in Richtung von mehr Transparenz bei Bankprodukten. Erste Geldhäuser wie die Commerzbank-Tochter Comdirect haben eine geplante Gebührenerhöhung nun bereits ausgesetzt.

Das Unwissen der Kunden ausnutzen

Das alles ist überfällig. Denn kaum eine Branche neigt so sehr dazu, die Trägheit, aber vor allem die Unwissenheit der Kunden auszunutzen, wie die Banken. Das trieb jahrelang die unterschiedlichsten Blüten: So knüpfte man den Kunden lange Zeit erst einmal fünf Prozent der Anlagesumme für den Vertrieb von Investmentfonds ab, obwohl die Kunden im Gegenzug nur eine dürre, vielleicht sogar schlechte Beratung erhielten und die Fonds später womöglich kaum Rendite erwirtschafteten. So senkten etwa die Sparkassen anders als vereinbart einfach die Zinsen in ihren Prämiensparverträgen. Selbst eine harmlos daherkommende Bank wie die ING schrieb lange verdruckst von "Zinsanpassungen" beim Tagesgeld, wenn es doch eigentlich um Zinssenkungen ging. Wer Briefe der Bank verstehen will, muss vom Fach sein oder sich viel Mühe geben. Aber wer liest sich schon das Kleingedruckte? Wer legt schon Widerspruch ein gegen Gebührenerhöhungen? Wer kennt die Tricks, wie und wo die Institute Kosten verstecken?

Die Banken sollten das Urteil als Warnruf sehen, ehrlich zu sein mit ihren Kunden. Sie sollten sich darum bemühen, Dienstleistungen und Produkte anzubieten, für die die Kunden wirklich zahlen wollen - etwa weil sie praktisch sind, wie gut gemachte Konto-Apps, oder weil sie helfen, für das Alter vorzusorgen, etwa über preisgünstige Anlagemöglichkeiten. Finanzen sind kein Produkt wie jedes andere, es geht dabei auch um finanzielle Teilhabe. Nach den Eskapaden der Finanzkrise ist das Vertrauen der Kunden in die Banken ohnehin erodiert. Dieses Restvertrauen sollten die Institute nicht verspielen, es ist der letzte Vorteil gegenüber den Tech-Konzernen. Denn wenn's ums Geld geht, vertrauen die Kunden den Geldhäusern immer noch mehr als Tech-Riesen wie Google oder Amazon, die ebenfalls ins Bankgeschäft drängen.

Die Geldhäuser tun außerdem gut daran, nicht dem Reflex zu erliegen, sich die Gebühren auf anderem Wege zurückzuholen, weil sie angesichts der Niedrigzinsen angeblich kein Geld verdienen könnten. Sie sollten sich vielmehr um ihre eigenen Strukturen und Kosten kümmern. Im Vergleich zu Instituten in anderen Ländern operieren Deutschlands Banken immer noch deutlich teurer. Auf Dauer wird es sich in Deutschland eben nicht rechnen, 400 Sparkassen mit jeweils eigenem Vorstand, Fahrern und üppiger Altersvorsorge durchzufüttern. Auch eine Deutsche Bank muss sich fragen, ob man sich die Milliarden-Boni wirklich leisten kann. Wer gute Produkte hat, wird die Kunden schon dazu bringen, zu bezahlen. Wer das nicht hat, wird scheitern.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5284531
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.