Banken:Es wird ungemütlich

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Die Commerzbank tut sich schwer, zu wachsen. Nun steigt auch noch die Risikovorsorge für faule Kredite. Mit der Konjunktur habe dies aber noch nichts zu tun.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Es ist gerade mal wenige Monate her, da stand die Commerzbank angeblich kurz davor, von einer anderen europäischen Bank geschluckt zu werden. Unicredit, ING, BNP Paribas, sie alle schickten sich demnach an, eher heute als morgen ein Übernahmeangebot für Deutschlands zweitgrößte Privatkundenbank abzugeben. Ganz klar, dass die Deutsche Bank den ausländischen Angreifern dringend zuvorkommen müsse, so die Narrative der PR-Profis in Berlin und Frankfurt. Andernfalls werde Deutschland bald eine großbankenfreie Zone. "Nehmt sie, sonst nimmt sie ein anderer", raunte man seinerzeit in den einschlägigen "Finanzkreisen", ohne dabei freilich das jeweilige Eigeninteresse an einer Großbankenfusion zu erwähnen.

Die Aktie der Commerzbank ist auf den tiefsten Stand seit Zielkes Amtsantritt gefallen

Die Fusion mit der Deutschen Bank ist bekanntlich gescheitert. Bislang aber hat sich trotzdem kein Ausländer zur Commerzbank bekannt - und das, obwohl der Aktienkurs des Instituts seit Abbruch der Fusionsgespräche um 30 Prozent gefallen ist. Bis Mittwochnachmittag ging es um 7,0 Prozent auf 5,32 Euro bergab, auf ungefähr den tiefsten Stand, seit Martin Zielke 2016 den Chefposten übernommen hat. An der Börse ist die Bank nur noch 6,75 Milliarden Euro wert - eigentlich ein Schnäppchen. Dennoch erwartet kaum einer in Frankfurt, dass nun bald ein Ausländer zugreift. Denn: Auch die Aktienkurse der Angreifer gaben zuletzt nach. "Eine Übernahme macht nach wie vor Sinn, aber die Konjunktur flaut ab, und in so einer Situation setzt niemand zu einer Bank-Übernahme an", sagt ein Investmentbanker. Auch Commerzbank-Finanzchef Stephan Engels betonte am Mittwoch bei der Vorstellung der Quartalszahlen, "es klopft niemand an".

In der Tat macht sich zunehmend Unsicherheit breit, welche Auswirkungen ein möglicher Konjunkturabschwung auf die Bankbilanzen hätte. Die Institute mögen seit Jahren unter den Niedrigzinsen leiden, zugleich aber profitierten sie enorm von der robusten Konjunktur und der Kreditnachfrage. Sie mussten so wenig für faule Kredite zurücklegen, wie selten zuvor.

Was aber, wenn die Zinsen unter der Nulllinie verharren und die Banken zugleich mehr Rücklagen für faule Kredite bilden müssen? Das wäre der "perfekte Sturm", sagen Finanzexperten. Wegen der guten Konjunktur waren die Firmenpleiten in Deutschland neun Jahre in Folge zurückgegangen. Seit Jahresanfang aber dreht sich der Trend. Viele Banken und Sparkassen müssen auf absehbare Zeit womöglich die Risikovorsorge erhöhen und könnten sogar Verluste schreiben.

Die Quartalszahlen der Commerzbank boten nun einen Vorgeschmack: Die Risikovorsorge für faule Kredite verdoppelte sich im Vergleich zum Vorjahresquartal auf 178 Millionen Euro. Die Erträge - also die gesamten Einnahmen der Bank - sanken im zweiten Quartal um mehr als zwei Prozent auf 2,2 Milliarden Euro. Der operative Gewinn brach stärker ein als Analysten erwartet hatten - um ein Viertel auf 298 Millionen Euro. Dank einer ungewöhnlich niedrigen Steuerbelastung und erfreulichen Entwicklungen im Privatkundengeschäft stagnierte der Überschuss aber immerhin bei 271 Millionen Euro. Das Segment Firmenkunden - einst die Vorzeigesparte - verdiente operativ nur noch 22 Millionen Euro. Im Vorjahresquartal war es noch mehr als das Zehnfache. Zwar peilt das Institut für das laufende Jahr weiter einen etwas höheren Gewinn an, als im Vorjahr. Dieses Ziel sei wegen der sich "spürbar eintrübenden gesamtwirtschaftlichen Lage" und der unsicheren Situation in der Weltpolitik aber "deutlich ambitionierter" geworden, sagte Vorstandschef Martin Zielke.

Sein Kollege Engels versuchte, Bedenken hinsichtlich der Risikovorsorge zu zerstreuen. An den "Kernindikatoren" der Kreditvergabe habe sich nichts verändert. Die Bank halte an der Strategie fest, Kundenzahl und Kreditvergabe zu steigern, um damit die Belastung aus dem Zinsumfeld auszugleichen. Die erhöhte Risikovorsorge sei auf weniger als eine Handvoll Unternehmen zurückzuführen, die sich etwa mit Projekten übernommen hätten. Die Probleme dieser Kunden hätten nichts mit der Konjunktur zu tun. Im Privatkundengeschäft sei die Risikovorsorge sogar gesunken. Im Gesamtjahr werde sie auf mindestens 550 Millionen Euro steigen, aber nicht deutlich darüber.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

Selbst wenn: eine deutlich höhere Risikovorsorge könne die Bank verarbeiten, sagte Engels. In einem Konjunkturabschwung würden sich die Rahmenbedingungen zudem ändern. "Wir werden dann vermutlich schnell einen Rückzug der ausländischen Institute aus dem deutschen Markt sehen", sagte er. "Dann haben wir in der Regel höhere Gewinnmargen im Neugeschäft mit Krediten". Tatsächlich war dies in der Finanzkrise der Fall. Chefs ausländischer Institute betonen jedoch stets, sie würden dem Land auch im Abschwung die Treue halten. Dafür ist der deutsche Bankenmarkt zu wichtig für viele Häuser.

Im Herbst will der Commerzbank-Vorstand aufzeigen, wie das Institut nach 2020 weiterentwickelt werden soll. Dann läuft der seit Herbst 2016 geltende Strategieplan aus. Details dazu wollte Engels noch nicht nennen.

© SZ vom 08.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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