Banken:Ende eines Machtkampfs

Banken: Nach knapp fünf Jahren endet seine Karriere ähnlich spektakulär, wie sie begonnen hatte: Tidjane Thiam.

Nach knapp fünf Jahren endet seine Karriere ähnlich spektakulär, wie sie begonnen hatte: Tidjane Thiam.

(Foto: MICHAEL BUHOLZER/AFP)

Nach der Bespitzelungsaffäre bei Credit Suisse muss Bank-Chef Tidjane Thiam gehen.

Von Isabel Pfaff, Bern

Nun ist es doch zum Knall gekommen: Tidjane Thiam, seit 2015 Konzernchef der Schweizer Großbank Credit Suisse (CS), tritt in wenigen Tagen von seinem Amt zurück. Das teilte das Institut am Freitagmorgen mit und machte damit den Gerüchten ein Ende, die rund um die zweitgrößte Bank der Schweiz kursierten.

Seit vergangenem September ist Credit Suisse nicht mehr aus den Negativschlagzeilen herausgekommen. Damals war aufgeflogen, dass die Bank Privatdetektive damit beauftragt hatte, ihr ehemaliges Konzernleitungsmitglied Iqbal Khan zu beschatten. Der Banker hatte kurz zuvor bekannt gegeben, zur wichtigsten Konkurrentin der Credit Suisse, der UBS, zu wechseln. Aus Angst, Khan könne Mitarbeiter und Kunden abwerben, ordnete Pierre-Olivier Bouée, damals operativer Chef der Credit Suisse und Thiams rechte Hand, die Überwachung des Topmanagers an. Eine interne Untersuchung kam zwar zu dem Schluss, dass Konzernchef Thiam davon nichts gewusst habe. Doch der Imageschaden war bereits da.

Als Ende Dezember herauskam, dass neben Khan noch eine weitere Führungsfigur der Credit Suisse - Peter Goerke, zum Zeitpunkt der Bespitzelung oberster Personalchef - beschattet worden war, wurde die Luft für Thiam dünn. Pierre-Olivier Bouée musste die Bank nun endgültig verlassen, doch dass der Konzernchef nichts von den Spionageaktivitäten seines Vertrauten gewusst habe, glaubte kaum jemand in der Schweizer Finanzwelt. Auch die eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma war inzwischen hellhörig geworden und setzte nach Bekanntwerden des zweiten Beschattungsfalls einen Prüfbeamten bei der Bank ein, um "aufsichtsrechtlich relevante Fragen" zu klären. Die Untersuchung läuft bis heute.

Die Finanzaufsicht setzt ihre Untersuchung fort. Die Anleger sind vom Wechsel nicht angetan

In der Mitteilung seines Rücktritts beteuert Thiam nochmals, keinerlei Kenntnisse von der Beschattung seiner Ex-Kollegen gehabt zu haben. Gehen muss er nun trotzdem. Für Präsident Urs Rohner kommt der Schritt einem Befreiungsschlag gleich: Zuletzt war immer wieder spekuliert worden, welcher der beiden CS-Spitzenmänner in der Affäre wohl seinen Hut nehmen muss. Kurz vor der Verwaltungsratssitzung am Donnerstag hatte es zunächst nicht gut für Rohner ausgesehen. Mehrere Aktionäre der Bank hatten sich öffentlich dafür ausgesprochen, Thiam an der Spitze der Konzernleitung zu belassen. Mit der einstimmigen Entscheidung für dessen Abgang hat der Verwaltungsrat nun Unabhängigkeit demonstriert.

Nach knapp fünf Jahren endet also das Kapitel Thiam bei Credit Suisse - ähnlich spektakulär, wie es begonnen hat. Als Rohner den damals 52-jährigen Franko-Ivorer an die Spitze der Bank holte, war die Überraschung in Zürich groß. Thiam, geboren in der Elfenbeinküste als Sohn einer einflussreichen Familie, hat eine steile und für einen Banker ungewöhnliche Karriere hinter sich. Teilweise aufgewachsen in Marokko, wo sein Vater als Diplomat arbeitete, zog es den jungen Thiam bald nach Paris. Er studierte Mathematik und Physik, später machte er einen MBA in Fontainebleau. Thiam stieg zunächst bei der Beratungsfirma McKinsey ein. Als ihm der ivorische Präsident 1994 einen Job in einer Staatsagentur anbot, kehrte Thiam in seine Heimat zurück, stieg dort sogar zum Minister auf. Ein Militärputsch machte seiner politischen Karriere ein Ende, und so landete Thiam wieder bei McKinsey. 2002 wechselte er in die Versicherungsbranche: zuerst zur britischen Aviva, schließlich zu Prudential, deren erfolgreicher Chef er 2009 wurde.

In Zürich angekommen, räumte der 1,90-Mann erst einmal auf: In seinen ersten Jahren bei Credit Suisse strukturierte er um, stärkte die Vermögensverwaltung, schwächte das Investmentbanking, erhöhte das Eigenkapital. Auch Sparmaßnahmen setzte er um. Inzwischen verzeichnet die Bank wieder Gewinn, wenn auch der Aktienkurs während Thiams Amtszeit um rund die Hälfte absackte. Auch Verwaltungsratschef Rohner lobte am Freitag Thiams Leistungen: "Es ist klar sein Verdienst, dass die Credit Suisse heute wieder als grundsolide Bank dasteht." In einem Interview mit dem Schweizer Medienhaus SRF begründete er die Trennung von Thiam damit, dass es nun mal um die Reputation des Unternehmens gegangen sei.

Thiams Nachfolger wird der bisherige Chef der erfolgreichen Schweiz-Einheit der Credit Suisse, Thomas Gottstein. Die Anleger reagierten nicht begeistert, der Kurs der Bank fiel am Freitag zeitweise um bis zu fünf Prozent ab. Dabei hat der Schweizer Gottstein zwar nicht die Aura eines Tidjane Thiam. Doch er gilt als fähiger und fleißiger Arbeiter. Wahrscheinlich genau das, was die Credit Suisse nach Monaten der Skandale gebrauchen kann.

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