Banken:Der Höllenhund setzt zum Sprung an

Jahrelang drehten sich die deutschen Geldhäuser um sich selbst. Mit dem US-Fonds Cerberus kommt nun Druck von außen. Und es gibt neue Spekulationen um eine Megafusion von Deutscher Bank und Commerzbank.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Hercules und Cerberus

In der Zeichnung von Antonio Tempesta aus dem Jahr 1606 steht Hercules dem Cerberus gegenüber. Um ein Gott zu werden, muss er den dreiköpfigen Höllenhund aus der Unterwelt holen.

(Foto: LACMA/Public Domain)

Es gibt wohl kaum einen Finanzinvestor, der es derart auf hoffnungslose Fälle abgesehen hat, wie Cerberus. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass sich der US-Fonds (Namensgeber ist der dreiköpfige Höllenhund aus der griechischen Mythologie) nun auf die schwächelnden deutschen Banken stürzt. Ausgerechnet ein aggressiver Finanzinvestor wird damit wohl maßgeblich über das Schicksal von Deutscher Bank und Commerzbank, also den beiden wichtigsten deutschen Geldhäusern, entscheiden. Im Jahr 2018 und ganz gewiss auch darüber hinaus.

Im Juli stiegen die Amerikaner mit gut fünf Prozent bei der Commerzbank ein. Bereits im November folgte der nächste Paukenschlag, da kaufte sich der Fonds auch noch mit mindestens drei Prozent bei der Deutschen Bank ein. Beides ist ungewöhnlich für Finanzinvestoren, die in der Regel lieber Mehrheiten an Unternehmen übernehmen, damit sie durchregieren können. Im Visier hat Cerberus aber nicht nur die großen Institute, sondern auch mehrere kleinere und mittelgroße Banken, etwa die zum Verkauf stehende Landesbank HSH Nordbank. Den kriselnden Schiffsfinanzierer aus Hamburg müssten die Amerikaner sogar komplett übernehmen.

Es geht auch um Einblicke in die Zahlenwerke der Kunden, dazu zählen führende Mittelständler

Und nicht nur Cerberus hat sich 2017 von den notorisch niedrigen Aktienkursen der deutschen Banken anlocken lassen, auch andere Investoren wie das chinesische Industriekonglomerat HNA, das im Frühjahr mit knapp zehn Prozent zum größten Aktionär der Deutschen Bank avanciert, sind engagiert. Das neu erwachte Interesse fußt auf gleich mehreren Wetten: Erstens auf der Hoffnung, dass die Leitzinsen bald wieder steigen und die Banken im Kreditgeschäft leichter Geld verdienen. Zweitens auf der Annahme, dass die Geldhäuser nach dem lange verhandelten Kompromiss um "Basel III" im Dezember endlich Planungssicherheit haben, wie viel Eigenkapital sie als Sicherheit vorhalten müssen. Drittens, und das gilt vor allem für die kleineren Banken, geht es wohl auch um Einblicke in die Zahlenwerke von deren Kunden. Gerade Landesbanken sind hier von Interesse, haben sie doch viele Geschäftsbeziehungen zu Mittelständlern. Und diese wiederum sind nicht selten begehrte Kaufobjekte für internationale Investoren. Einer Studie der Unternehmensberatung Ernst&Young zufolge haben Finanzinvestoren 2017 in Deutschland so viele Firmen gekauft wie nie zuvor. 210 Übernahmen zählen die Experten, und für 2018 erwarten sie abermals einen Rekord.

Und viertens, und das ist vielleicht noch spektakulärer, setzen Investoren wie Cerberus auch darauf, dass sich Commerzbank und Deutsche Bank doch irgendwann zu einer Art nationalem Bankenchampion zusammenschließen. Als Großaktionär der Geldhäuser würde Cerberus von einer solchen Fusion ganz klar profitieren.

Stephen Feinberg, der Gründer von Cerberus, ist jedenfalls nicht dafür bekannt, die Dinge einfach nur laufen zu lassen. Vorexerziert hat er das erst jüngst bei der österreichischen Bank Bawag, die er mit einem großen Stellenabbau gnadenlos auf Rendite trimmte. Selbst als Minderheitsaktionär weiß er, wie er seinen Einfluss geltend macht. "Cerberus ist ein Investor, der Veränderungen wirklich anstößt, statt sie nur zu begleiten", sagt Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volksbanken. Die Amerikaner, so zeige die Historie, hätten immer eine klare Meinung zur Strategie und stellten Forderungen. "Der Einstieg bei der Deutschen Bank markiert durchaus eine Zeitenwende", sagt Speich.

Spätestens seit im Herbst ruchbar wurde, dass ausländische Großbanken wie die französische BNP Paribas oder die italienische Unicredit an einer Übernahme der Commerzbank interessiert sind, drängt das Fusionsthema auf die Tagesordnung. Der Bund, der noch immer mit 15 Prozent an der Commerzbank beteiligt ist, wird seinen Anteil indes nicht leichtfertig an eine ausländische Bank abgeben, so das Kalkül vieler Beobachter in Frankfurt und Berlin. Die Commerzbank spielt eine zu wichtige Rolle bei der Finanzierung des Mittelstandes. Das Risiko, dass sich eine französische oder italienische Bank als neuer Eigner der Commerzbank bei der nächsten Krise zurückzieht, will niemand eingehen.

Viel eher, so heißt es sowohl im politischen Berlin als auch in Frankfurt, würde der Bund eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank befürworten. "Eine Fusion würde absolut Sinn machen, schon allein, weil man dann nur noch eine IT-Plattform bräuchte ", sagt der Vorstand eines anderen Geldhauses, der nicht genannt werden will. Zudem kämen beide dann auf nennenswerte Marktanteile in der Heimat.

Ganz so einfach ist es freilich nicht: Im Sommer 2016 hatten Deutsche Bank und Commerzbank schon einmal ein Zusammengehen ausgelotet. Der "Sommerflirt" wurde schnell beendet. Man war sich einig, dass beide Banken erst einmal ihre Hausaufgaben erledigen müssten. Außerdem würde bei einer Fusion ein weiterer großer Stellenabbau drohen, vor allem in den deutschen Filialen. Deutsche-Bank-Chef John Cryan will daher zunächst seine Strategie umsetzen, also die Vermögensverwaltung an die Börse bringen sowie endlich die Postbank integrieren. Letzteres kann sich bis ins Jahr 2022 hinziehen. Commerzbank-Chef Martin Zielke hat kein minder volles Pflichtenheft. Er baut Tausende Stellen ab, will Milliarden in die Digitalisierung investieren und trotzdem Hunderttausende neuer Kunden gewinnen.

Und Cerberus? Bislang, so ist zu hören, gibt sich der Höllenhund überaus höflich und interessiert. Im Bundesfinanzministerium in Berlin sprach man unlängst vor; in Bonn bei der Finanzaufsicht und natürlich auch in Frankfurt beim Management von Commerzbank und Deutscher Bank. Das alles spricht für größere Ziele.

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