Banken:Der Geldautomat ist der neue Bankschalter

Banken: Ein eigenes Konto – das ist längst nicht für alle selbstverständlich.

Ein eigenes Konto – das ist längst nicht für alle selbstverständlich.

(Foto: imago)

Weil die Kunden kaum mehr in die Filialen kommen, müssen sich die Kreditinstitute etwas überlegen. Jetzt nutzt die erste Sparkasse die Geräte, um Beratungsgespräche anzubahnen.

Von Harald Freiberger

Es ist nur ein kleiner Button, aber er könnte große Wirkung entfalten. Wer bei der Frankfurter Sparkasse am Automaten Geld abhebt, sieht neuerdings Werbung für Versicherungen. Das ist nichts Neues für Bankkunden, auch andere Institute nutzen den Automaten, um etwa für Festgeld zu werben. Beim Angebot der Frankfurter Sparkasse aber ist etwas anders: Am Rande der Werbung befindet sich nämlich ein Button, auf den der Kunde klicken kann. Er bekundet damit Interesse an dem Produkt und kann später von einem Bankberater angerufen werden.

Die Sparkasse in Frankfurt ist damit das erste Kreditinstitut in Deutschland, das Bankautomaten auf diese Weise für den Vertrieb nutzt. Die Geräte spucken nicht nur Geld aus - sie werden genutzt, um weitere Geschäfte anzubahnen. Das neue Tool wird zunächst an zehn Automaten ausprobiert. "Wir wollen mit der Testphase in Erfahrung bringen, wie bei unseren Kunden die Ansprache über diesen Kanal ankommt", sagt eine Sprecherin. Für die Bank sei es eine weitere Möglichkeit, zusätzlich zu Brief, Plakat oder Flyer.

Das Beispiel könnte Schule machen. "Wir gehen davon aus, dass weitere Banken den Geldautomaten nutzen werden, um den Vertrieb von Produkten zu unterstützen", sagt Christian Richter von der Unternehmensberatung Accenture Strategy. Er sieht vielfältige Möglichkeiten: Wenn ein Kunde sich in der Filiale zum Beispiel über eine Geldanlage informiert hat, es sich aber noch einmal überlegen will, kann ihn der Geldautomat beim nächsten Abheben daran erinnern.

Ein anderes Beispiel: Hat der Kunde eingewilligt, dass die Bank seine Daten auswerten darf, kann sie an den Konto- oder Kreditkartenaktivitäten sehen, wenn er sich etwa ein Fahrrad gekauft hat. "Es ist vorstellbar, dass die Bank den Kunden dann am Geldautomaten fragt, ob er sein Rad bei ihr versichern will", sagt Richter. Solche einfachen Policen ließen sich auch online abschließen, bei komplexeren Produkten wie einer Lebensversicherung sei es dagegen schwieriger. "Es muss relativ schnell gehen, denn niemand will 15 Minuten am Geldautomaten stehen."

Die Frankfurter Sparkasse beschränkt sich in der Testphase darauf, Kunden am Geldautomaten über den "S-Privatschutz" zu informieren, ein Paket aus Unfall-, Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung, das die Sparkasse zusammen mit Versicherungspartnern anbietet. Signalisiert der Kunde Interesse, könne man auf ihn zugehen. "Der Abschluss einer Versicherung über den Automaten ist aber nicht möglich", betont die Sprecherin.

Hintergrund der Entwicklung ist, dass die Kunden immer weniger an den Schalter kommen, wo Mitarbeiter sie ansprechen könnten, ob sie nicht Geld anlegen, einen Bausparvertrag oder eine Versicherung abschließen wollen - mit diesen Dienstleistungen verdient die Bank Geld. Die meisten Kunden kommen zwar noch ein-, zwei- oder dreimal im Monat in die Bank, aber nur, um sich Geld zu ziehen. Am Schalter schaut der Kunde im Durchschnitt nur noch einmal im Jahr vorbei, haben Bayerns Sparkassen gezählt.

Viele Kreditinstitute könnten bald neue Einnahmequellen über die Geldautomaten erschließen

Wenn der Kunde am Geldautomaten einen Beratungstermin anbahnen kann, bedeutet dies auch, dass der Schalter zum Teil in den Automaten verlagert wird. Er ist sozusagen die Fortsetzung des Schalters mit anderen Mitteln, nach dem Motto: Wenn die Leute nicht mehr zum Schalter kommen, dann muss der Schalter sich eben auf die Leute zubewegen. "Die Banken versuchen damit nicht nur, einen zusätzlichen Vertriebskanal zu installieren, sie wollen die Geldautomaten auch stärker auslasten", sagt Holger Sachse von der Unternehmensberatung Boston Consulting Group. Im Durchschnitt verdienten die Banken kaum Geld mit der Dienstleistung, einige Institute machten damit auch Verlust. Im vergangenen Jahr ging die Zahl der Geräte um 1,5 Prozent auf 58 000 zurück. "Erst sterben die Filialen, dann die Geldautomaten", sagt Sachse. Den Kosten für Anschaffung, Unterhalt und Sicherheit der Automaten stehen die Gebühren gegenüber, die Institute von Fremdkunden verlangen. Immer mehr Häuser gingen zuletzt dazu über, auch eigene Kunden zu belasten, ermittelte das Internetportal Biallo. Rund 400 Banken tun dies bereits. Meist ist das bei Girokonten mit einer günstigen Grundgebühr der Fall; bei einem teureren Kontomodell ist das Abheben in der Regel noch kostenlos.

Berater Sachse kann sich "gut vorstellen, dass viele Häuser weitere Einnahmequellen über die Geldautomaten erschließen werden". Es könnte also sein, dass auch Kunden anderer Banken demnächst beim Geldabheben nicht nur Werbung auf dem Bildschirm finden - sondern auch einen Button dazu.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: