Finanzmarkt:Eine Unterschrift fehlt

Finanzmarkt: Das Frankfurter Bankenviertel: Die Finanzinstitute sollen sich besser gegen Krisen wappnen. Über das "Wie" wird heftig gerungen.

Das Frankfurter Bankenviertel: Die Finanzinstitute sollen sich besser gegen Krisen wappnen. Über das "Wie" wird heftig gerungen.

(Foto: AP)

Hochrangige Zentralbanker und Aufseher kämpfen für strengere Bankenregeln. Doch der neue Bafin-Chef macht nicht mit - warum nur?

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Die EU-Kommission arbeitet gerade an einem strengeren Gesetz für den Bankensektor. Es geht um die Lehren aus der Finanzkrise 2008. Damals gaben sich Politiker und Experten gleichermaßen geschockt über die Verletzlichkeit des Bankensektors. Doch es dauerte bis 2017, bevor sich überhaupt die Fachleute im Baseler Ausschuss auf strengere Regeln einigen konnten. Dieses "Basel III" getaufte Vorschriftenwerk muss nun noch in Gesetzesform gegossen werden.

Bloß: Das Misstrauen der Experten, die EU-Politiker könnten auf Druck der Bankenlobby noch einknicken, muss groß sein. Anders ist es nicht zu erklären, dass 25 hochrangige Zentralbanker und Bankenaufseher einen offenen Brief an die zuständige EU-Kommissarin Mairead McGuinness und den Generaldirektor John Berrigan geschrieben haben. Darin mahnen sie "eine in allen Aspekten vollständige, zeitnahe und konsequente Umsetzung des Basel-III‑Rahmenwerks in der EU" an, und zwar "sowohl dem Wortlaut als auch der Intention des global vereinbarten Rahmenwerks" nach. Unter den Unterzeichnern sind auch Stefan Ingves, Chef der schwedischen Reichsbank, der die Verhandlungen im Basler Ausschuss für Bankenaufsicht damals leitete, und Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Ein anderer deutscher Behördenchef fehlte hingegen: Mark Branson, der neue Präsident der Finanzaufsicht Bafin, verweigerte die Unterschrift.

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Mark Branson, seit August Präsident der Bundesfinanzaufsicht Bafin, sorgt für Verwirrung. Wie unabhängig ist die Behörde von der Politik?

(Foto: Bloomberg)

Die Unterlassung Bransons ist erstaunlich. In der Schweiz fiel der damalige Chef der Schweizer Finanzaufsicht noch als Verfechter hoher Kapitalquoten für Banken auf. Und nun die Kehrtwende? Die Bafin untersteht dem Bundesfinanzministerium von Olaf Scholz (SPD). Die Börsen-Zeitung berichtete am Freitag, dass Branson offenbar nach Rücksprache mit dem Dienstherrn die Unterschrift des strengen Aufrufs verweigert hat. Haben die deutschen Bankenlobbyisten im Ministerium Erfolg gehabt? Schon lange jammert die Branche über die neuen Regeln, offenbar mit Erfolg: Man setze sich für eine "vollständige und fristgerechte Umsetzung der Basel III-Standards ein", so das Bundesfinanzministerium, allerdings versehen mit der Erwartung, dass "die Kapitalanforderungen insgesamt nicht signifikant steigen". Die Politik möchte also nachjustieren.

Deutschland hatte sich auf EU-Ebene zusammen mit Frankreich, Dänemark und Luxemburg schon länger offen gezeigt für die von Banken geforderten Erleichterungen. Doch sollte das einen unabhängigen Mark Branson kümmern? Eigentlich sollte die Bafin nach dem Debakel um Wirecard unabhängiger werden von der Politik. Die Bafin erklärte auf Anfrage, man stehe "klar zu den getroffenen Beschlüssen zu Basel III". Aber warum hat Branson den offenen Brief, der genau das einfordert, dann nicht unterschrieben?

Die Erwartungen an Branson sind hoch. Er soll seiner Truppe "mehr Biss" verpassen

Branson, der mit britisch-schweizerdeutschem Akzent spricht, folgte im Sommer dem glücklosen Felix Hufeld, der in der Wirecard-Affäre eine denkbar schlechte Figur abgegeben hatte. In Zürich leitete Branson vorher sechs Jahre lang die Schweizer Finanzaufsichtsbehörde Finma. Branson kennt auch die Bankenwelt, er arbeitete in leitenden Positionen bei der Schweizer Großbank UBS. Im Internet findet man bis heute die Aufzeichnung einer Sitzung des Untersuchungsausschusses im US-Senat, mit ihm als Zeugen. Es war der 4. September 2009, die UBS musste sich rechtfertigen, weil sie US-Bürgern viele Jahre lang Steuerschlupflöcher geboten hatte. Die UBS assistierte damals durch das Führen entsprechender Konten auch deutschen Steuerhinterziehern. Das Landgericht Bochum verhängte 2014 in dieser Causa 300 Millionen Euro Strafe.

Nun also der Sprung zur Bafin: Die Erwartungen an Branson sind hoch. Er soll seiner Truppe "mehr Biss" verpassen, so die Forderung von Bundesfinanzminister Scholz. Doch "Biss" bei der Durchsetzung strengerer Regeln ist wohl weniger gefragt.

Dabei geht es um ein wichtiges Thema, nämlich darum, wie viel Eigenkapital die Banken vorhalten müssen, um Verluste auszugleichen, damit sie in einer schweren Krise nicht vom Steuerzahler gerettet werden müssen. Die Frage wurde 1974 mit der Pleite der Herstatt-Bank erstmals virulent. Deshalb wurde damals der Basler Ausschuss gegründet, der in der Folge die Regelwerke Basel I, II und schließlich III entwickelte. Der Bankensektor hat in den vergangenen 50 Jahren eigentlich bei jeder Verschärfung lamentiert, man müsse bei einer Umsetzung quasi die Kreditvergabe einstellen. Das war natürlich stets schamlos übertrieben. Allen voran in Deutschland gab es die vergangenen Jahre eher ein Überangebot an Kredit.

Dennoch klagen die Banken stets: Wenn sie mehr Eigenkapital vorhalten müssen, dann können sie die Wirtschaft nicht mehr mit Kredit versorgen. "Hier wird ein typisches Schreckgespenst heraufbeschworen, mit dem uns weisgemacht werden soll, wir müssten zwischen Wirtschaftswachstum und Finanzstabilität wählen, könnten aber nicht beides haben. Wer wollte wohl einer Regulierung das Wort reden, die Wachstum und damit Wohlstand für alle kostet?", schreiben die Ökonomen Martin Hellwig und Anat Admati in ihrem Buch: "Des Bankers neue Kleider".

Mit der Umsetzung von Basel III dürften die Kapitalanforderungen an Banken deutlich steigen. Deshalb gelten auch jahrelange Übergangsfristen. Der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission wird Ende Oktober erwartet. Angesichts der politischen Gemengelage hat derweil auch Frankreichs Notenbankgouverneur François Villeroy de Galhau die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt: Er ist ebenfalls aus der Phalanx der Unterzeichner ausgeschert, fungiert zugleich allerdings als Chair des Lenkungsgremiums (GHOS) des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, der Basel III erarbeitet hat. Noch im vergangenen Jahr hatte er erklärt, die GHOS-Mitglieder hätten einstimmig bekräftigt, dass alle Aspekte von Basel III vollständig, zeitnah und konsistent umgesetzt würden.

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