Süddeutsche Zeitung

Psychologie:Das steckt hinter den typischen Bankberater-Sprüchen

Lesezeit: 4 min

Von Felicitas Wilke und Veronika Wulf

Die Bankkundin sitzt am Küchentisch, irgendwo in Bayern. Den Laptop hat sie aufgeklappt, vom Bildschirm lächelt sie der Finanzberater an. Die "Rentenlücke" seiner Kundin hat er längst erkannt. Wenn sie nicht monatlich mehrere Hundert Euro zurücklege und gewinnbringend investiere, dann werde das nichts im Alter. Er rät zu einem aktiv gemanagten Investmentfonds mit zusätzlichem Versicherungsschutz. "Und was kostet das Ganze?", will die Kundin wissen. Er windet sich. "In den ersten Jahren geht schon einiges für die Provision drauf." Er habe ja auch eine Familie zu ernähren. Als sie nicht locker lässt, lächelt er gequält und sagt: "Sie wollen es aber genau wissen!" Eine konkrete Zahl nennt er nicht.

Kein Banker ist wie der andere, zu langjährigen Beratern haben viele Menschen ein Vertrauensverhältnis aufgebaut und gute Erfahrungen gemacht. Klar ist aber: Wer für die Beratung selbst kein Honorar erhält, verdient an den Produkten mit - und ist damit vor allem eins: Verkäufer. Hinter den Floskeln, die Banker häufig verwenden, steckt meist eine klare Intention.

Sagt ein Berater beispielsweise: "Da können Sie mir vertrauen", dann knüpft er gezielt an das oft langjährige Geschäftsverhältnis mit dem Kunden an. "In den meisten Gesprächen verlassen Berater die Sachebene und versuchen, die Beziehungsebene reinzubringen", sagt die Finanzpsychologin Birgit Bruckner. Man spricht erst mal über den Lieblingsfußballverein oder das miserable Wetter, um Gemeinsamkeiten aufzubauen. Im ersten Beratungsgespräch geht es oft noch gar nicht um einen Vertragsabschluss.

Die Strategie: Wenn der Kunde mir vertraut, glaubt er auch an das Produkt. "Wenn Menschen akkurat gekleidet sind, Brille, strenge Frisur, und wir das mit konservativ, sicher und seriös verbinden, dann übertragen wir das auf das Produkt, das wir nicht kennen", sagt Bruckner.

Deshalb bedient sich die Werbung gern beliebter Testimonials. Im Umkehrschluss bedeute das aber: Wenn der Kunde das Produkt ablehnt, lehnt er auch den Berater als Mensch ein Stück weit ab. Das trauen sich manche Kunden aber aus Höflichkeit nicht.

Ebenfalls auf die persönliche Ebene zielt der Satz: "Das Produkt habe ich selbst im Depot". Das könnte sogar stimmen, meint Bruckner, warnt aber dennoch davor, daraus Schlüsse für die eigene Geldanlage zu ziehen. "Ich weiß nicht, welche anderen Papiere er im Depot hat, mit welchem Mix, wie viel er verdient und so weiter", sagt sie. Auch kein Indiz für eine sichere Anlage ist es, wenn Berater sagen, sie würden das Produkt "auch meiner Mutter verkaufen" oder es sei "bei unseren Kunden sehr beliebt." Psychologen sprechen dabei von sozialer Bewährtheit: Wenn das alle machen, denkt der Kunde, kann es ja nicht schlecht sein. "Aber es gibt kein Produkt, das für alle passend ist und kaum eines, das für niemanden geeignet ist", sagt Bruckner.

Das Gegenteil zur Herdentrieb-Strategie ist der Spruch: "Wir haben hier nur ein begrenztes Kontingent, das ich Ihnen als Topkunde anbieten kann." Das sei reines Marketing, meint Bruckner, um Kunden unter Druck zu setzen. "Da sollte man immer sagen: Halt, Stopp!", empfiehlt sie. "Alles, was begrenzt verfügbar ist, wirkt wertvoller." Man kennt das aus anderen Bereichen wie dem Winterjoghurt mit Zimtgeschmack oder den verschiedenen Kollektionen in der Mode.

In der Geldanlage gibt manchmal tatsächlich ein begrenztes Kontingent: bei geschlossenen Fonds, der Zeichnung von Anleihen oder wenn Unternehmen neu an die Börse gehen. "Die meisten Dinge sind danach aber sehr wohl handelbar, und der Kapitalmarkt ist riesengroß", sagt Bruckner. Zudem sollte man den Berater direkt fragen: "Was macht mich denn zum Topkunden? Aus Sicht einer Bank ist ein Topkunde jemand, an dem die Bank viel verdient", sagt Bruckner.

Der Spruch "Früher an später denken" dagegen ist nach Einschätzung der Finanzpsychologin ein Indiz für einen guten Berater, weil er an die Zukunft denkt. Das Ziel ist zwar dasselbe: Dem Kunden ein Produkt zu vermitteln. "Aber die Schwierigkeit des Sparens liegt daran, dass ich heute verzichten muss, um morgen etwas zu haben", sagt Bruckner. Daran zu erinnern, könne sich langfristig auszahlen. "Einen guten Berater erkennt man auch daran, dass er nicht nur ein Gespräch führt und dann eine Anlage festmacht, sondern regelmäßig nachfragt, was sich beruflich und bei den Erwartungen verändert hat."

Bei aller Gefühligkeit weiß jeder Verkäufer, dass es auch rationale Argumente braucht, um die Kunden davon zu überzeugen, sich für ein bestimmtes Produkt zu entscheiden. Was im Elektrohandel die Akkulaufzeit oder der Speicherplatz ist, heißt bei der Beraterin in der Bankfiliale "Performance-Chance" oder Steuervorteil. Die vermeintliche Chance kann allerdings nicht nur durch das Risiko getrübt werden, das im Wert schwankende Geldanlagen wie Aktien mit sich bringen. Auch hohe Gebühren können die "Performance", also den Wertzuwachs, beeinträchtigen. Sie fallen oft bei aktiv gemanagten Investmentfonds oder bei einer fondsgebundenen Versicherung an. Rückt der Berater auch nach mehrmaliger Nachfrage nicht damit heraus, wie viel ein Finanzprodukt tatsächlich kostet, verheißt das viel - nur kein Schnäppchen.

Kommen Verkäufer mit ihren Argumenten nicht weiter, zitieren sie gern die Bafin

Ähnlich verhält es sich, wenn Verkäufer immer wieder darauf hinweisen, welche steuerlichen Vorteile eine bestimmte Geldanlage mit sich bringe. Zwar behandelt der Staat bestimmte Finanzprodukte steuerlich tatsächlich anders als andere. Aber, schränkt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, ein: "Der Staat hat keine Geschenke zu verteilen. Ein Vorteil im Hier und Jetzt bedeutet meist, dass die Steuern erst zu einem späteren Zeitpunkt anfallen." Wirbt die Bank besonders offensiv mit einer vermeintlichen Ersparnis, dann spreche das vor allem dafür, dass sie sonst keine guten Verkaufsargumente hat.

Kommen Verkäufer mit den eigenen Argumenten nicht weiter, zitieren sie gern unabhängige Dritte. Eine beliebte Quelle ist dabei die Bafin, die deutsche Finanzaufsichtsbehörde. "Das hat die Bafin geprüft", heißt es dann - und ist freilich nicht ganz falsch: Tatsächlich müssen Anleger in Deutschland die Chance haben, sich in einem Prospekt über ein Wertpapier oder eine Vermögensanlage zu informieren. Und tatsächlich kontrolliert die Bafin, ob der Prospekt gesetzlich vorgeschriebene Angaben enthält und ob diese verständlich und frei von Widersprüchen sind. Sie überprüft jedoch "weder die Seriosität des Emittenten noch kontrolliert sie das Produkt", schreibt die Behörde auf ihrer Website. Und weiter: Sie missbillige es, wenn Anbieter damit werben, sie hätten einen Prospekt bei der Bafin hinterlegt.

Den Prospekt hat sich die Bankkundin gar nicht erst angesehen. Zu misstrauisch war sie, weil der Berater kein Wort zu den Gebühren verlor. Was sie die fondsgebundene Versicherung gekostet hätte, weiß sie bis heute nicht.

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Quelle:
SZ vom 31.12.2018
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