EU-Kommission:Banken fürchten strengere Kapitalvorschriften

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Banken-Türme in Frankfurt. Die künftigen Eigenkapitalregeln sind noch unklar. (Foto: Jan Eifert/dpa)

Die Bankenlobby bringt sich in Stellung: Warum die EU bei der Reform von Basel III noch lange nicht am Ziel ist.

Von Jan Diesteldorf, Frankfurt

Christian Ossig weiß, wie diplomatisch verpackte Warnungen klingen müssen. Der Co-Cheflobbyist der deutschen Privatbanken kommt schnell auf den grünen Wandel der Wirtschaft zu sprechen, wenn es um die Bankenregeln in der EU geht. Denn die drohen, so wie sie jetzt auf dem Tisch liegen, gerade den deutschen Instituten zu streng zu werden. "Ohne ausreichend Spielraum in den Bankbilanzen wird diese Transformation nicht gelingen", sagte Ossig am Donnerstag. Mit zu strengen Vorschriften kann man das mit der grünen Transformation aus Sicht der deutschen Banken also gleich vergessen. Denn wer vergibt wohl die Kredite für den Bau von Windparks und Recyclinganlagen?

Dabei sind die Aussichten wohl deutlich besser, als es der Branchenverband BdB befürchtet. Vor zwei Wochen hatte die EU-Kommission ihr Bankenpaket vorgestellt. Darin enthalten ist ein Fahrplan für die konkrete Umsetzung der "Basel III" genannten, verschärften Kapitalvorschriften für Banken. Vereinfacht gesagt geht es dabei vor allem um die Frage, wie riskant Banken wirtschaften dürfen. Und ob es ihnen erlaubt bleiben soll, die Risiken ihrer Kreditvergabe weitgehend im eigenen Haus zu berechnen, anstatt sich an allgemein gültige Mindeststandards zu halten.

Eine Reform wäre vor allem für Großbanken eine Umstellung

Solche verbindlichen Mindeststandards wären vor allem für Großbanken schmerzhaft, etwa für die Deutsche Bank. Deutschlands größtes Institut ist bekannt dafür, stark auf die sogenannten internen Modelle zur Risikoberechnung zu vertrauen. Kleinere Institute müssen schon heute die von den Aufsichtsbehörden vorgegebenen Modelle verwenden. Basel III soll die Freiheit der Großbanken beschneiden, mit einem sogenannten Output Floor von 72,5 Prozent. Der funktioniert schematisch so: Wenn eine Großbank Kredite vergibt und der Standardsatz einen Eigenkapitalpuffer von 1000 Euro vorsieht, dann muss die Bank künftig mindestens 725 Euro vorhalten - auch dann, wenn interne Berechnungen einen niedrigeren Wert ergeben.

Bislang neigen große Banken dazu, ihren Kapitalbedarf mit diesen internen Modellen klein zu rechnen. Das macht es nicht zuletzt den Aufsichtsbehörden schwer, die Risiken im Finanzsystem präzise zu erfassen: "Der unbegrenzte Spielraum, den wir bislang haben, ist zu schwer nachzuvollziehen", sagt Jan Pieter Krahnen, Direktor des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE in Frankfurt. "Mit viel Fantasie kann ich im Prinzip alles modellieren und dabei die Kapitalanforderungen beinahe beliebig reduzieren." Die klare Botschaft des Gesetzesentwurfs: Ihr könnt gern weiter eure internen Modelle benutzen, aber nur bis zu einer verbindlichen Untergrenze.

Der Bankenverband will das nicht einfach hinnehmen. Verbandsgeschäftsführer Ossig kündigte am Donnerstag an, in nächster Zeit auf Nachbesserungen zu dringen. Mit dem Vorschlag der Kommission müssen sich noch der Rat der EU und das Europäische Parlament beschäftigen - was erstens dauern wird und zweitens der Lobby viel Spielraum lässt, noch auf Änderungen hinzuwirken.

Den Instituten bleibt noch viel Zeit

Dabei hat der BdB vor allem europäische und deutsche Besonderheiten im Blick. Zweites Kernargument neben dem grünen Wandel: Dem solide wirtschaftenden Mittelstand drohten mit Basel III höhere Finanzierungskosten. Denn die internen Modelle ergeben für deutsche Familienunternehmen regelmäßig Kapitalpuffer weit unter dem Output Floor. "Aus unserer Sicht ist es nicht richtig, flächendeckend die Finanzierung des deutschen Mittelstands mit zusätzlichem Eigenkapital zu belasten", sagte Ossig. Ausnahmen sind laut EU-Entwurf nur erlaubt, wenn Firmen ein externes Kreditrating vorweisen können - was deutsche Unternehmen in Privathand oftmals weder haben noch wollen.

"Das teuerste für Industrie und Mittelstand ist ein instabiles Bankensystem", hält SAFE-Direktor Krahnen dagegen. Deswegen sollten die in Basel III festgelegten Vorgaben auch so umgesetzt werden, "wie sie gemeint waren".

Mit ihrem Entwurf bleibt die Kommission tatsächlich nah an den 2017 beschlossenen Vorschlägen des Baseler Ausschusses und gab der Lobby nur in Detailfragen nach. In einem ersten Szenario der Brüsseler Behörde müssten Banken in der Europäischen Union bis 2030 ihre Kapitalpuffer um bis zu 8,4 Prozent verstärken. Die Bundesbank geht von ungefähr 20 Milliarden Euro aus, die deutsche Banken in den kommenden Jahren zusätzlich einsammeln müssten.

Dabei ist keine Eile geboten. Die Umsetzung der Basel-III-Regeln soll nach den Plänen der EU erst 2025 beginnen, zwei Jahre später als geplant. Und der Output Floor soll erst von 2032 an vollständig greifen. Das ist viel Zeit für Anpassungen, die SAFE-Direktor Krahnen für "vergleichsweise überschaubar" hält.

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