Bank of England:Die Zeiten des Wegschauens sind vorbei

Devisenhändler in London haben systematisch Währungskurse manipuliert. Die Bank of England wusste seit acht Jahren davon, ohne etwas zu unternehmen. Das zeigt wieder einmal: Die Selbstverwaltung der Finanzmärkte ist endgültig gescheitert.

Ein Kommentar von Markus Zydra

Es war der 4. Juli 2006, in den Vereinigten Staaten feierten sie den Unabhängigkeitstag, und im Dortmunder Westfalenstadion verlor Deutschland das Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft gegen Italien. In einem noblen Restaurant in der Londoner City hatten an diesem Abend die wichtigsten Devisenhändler der Welt ganz andere Sorgen - Finanzen statt Fußball.

Gastgeber der Runde war der Chefhändler der Bank of England. Dreimal im Jahr trafen sich die Geldprofis in dieser Runde, um die Zustände am Markt zu diskutieren. Bei diesem Gespräch brachten einige Teilnehmer einen schlimmen Verdacht vor: Sie erzählten von Devisenhändlern, die den Preis für Währungen in eine bestimmte Richtung steuerten - und das, obwohl sie an dem Fixing eigentlich kein besonderes Interesse gehabt hätten.

Diese Begebenheit ist erst dieser Tage an die Öffentlichkeit gelangt - acht Jahre zu spät. Die Bank of England steht deshalb nun unter enormem Druck, der Ruf der ehrwürdigen "Old Lady of Threadneedle Street" ist beschädigt. Und das zu Recht. Es geht um die naheliegende Frage, warum die Bank of England den Verdacht von 2006, der in späteren Treffen wiederholt wurde, nicht an die zuständigen Stellen weitergab.

Manipuliertes Fixing auf Kosten der Kunden

Der Devisenhandel ist mit einem täglichen Umsatz von 5,3 Billionen Dollar der größte Finanzmarkt der Welt. Die globale Wirtschaft braucht den Devisenhandel, er ist der Lebensnerv. Unternehmen, Banken und Privatkunden tauschen regelmäßig Dollar, Euro und kleinere Währungen, um ihre internationalen Geschäfte abrechnen zu können.

London ist das Zentrum, in der britischen Hauptstadt wird gut die Hälfte der globalen Devisengeschäfte umgeschlagen. Dort wird auch das Londoner Fixing berechnet. Das ist ein fester Wechselkurs zwischen Währungen, der wichtigste wird täglich um 16 Uhr veröffentlicht. Das Geschäft wird von wenigen Großbanken kontrolliert.

Im Herbst 2013 gab es erstmals öffentlich den Verdacht, dass Händler das Fixing manipuliert haben, um so auf Kosten der Kunden einen Gewinn zu machen. Es soll auch zu Absprachen gekommen sein. Da lagen das Treffen in der Londoner City und die schmerzliche Niederlage gegen Italien schon mehr als sieben Jahre zurück. Finanzaufseher der ganzen Welt starteten daraufhin ihre Untersuchungen. Betroffen sind etwa 15 Banken. Die Institute haben mindestens 21 Devisenhändler suspendiert oder gefeuert. Einige dieser Personen saßen 2006 mit am Tisch, als der Verdacht erstmals geäußert wurde.

Im Sommer 2006 waren die Zeiten noch andere. Die Ausläufer der Finanzkrise, die ab 2008 die Welt an den Rand des Kollapses führen sollte, spürte kaum jemand. Finanzaufseher wollten den Akteuren damals nicht zur Last fallen. Die Freiheit der Finanzmärkte galt als hohes Gut. Sehr gerne überließen es Regulierer und Kontrolleure deshalb auch den Großbanken, für Preisanker zu sorgen, an denen sich die globale Wirtschaft orientieren konnte. Das war ein riesiger Fehler, wie man heute weiß. Großbanken haben das Vertrauen der Gesellschaft hemmungslos missbraucht.

Selbstverwaltung der Märkte ist komplett gescheitert

Die Manipulationen am Devisenmarkt sind nur eins von vielen Beispielen dafür, wie gefährlich es ist, wenigen Großbanken das Recht zu geben, wichtige volkswirtschaftliche Preise festzulegen. So ist auch der Libor-Zins über Jahre manipuliert worden. Dieser Zins ist Basis für Kreditkosten, Sparzinsen und Hypotheken - ein Markt im Wert von 400 Milliarden Dollar. Die Manipulation schädigte unbeteiligte Banken, Unternehmen und Privatpersonen. Auch Referenzpreise für Derivate und Gold sollen von einigen wenigen Banken manipuliert worden sein.

Die Selbstverwaltung der Finanzmärkte ist komplett gescheitert. Die Tatsache, dass die Bank of England von dem Manipulationsverdacht an den Devisenmärkten wusste und nichts unternommen hat, zeigt wie betriebsblind Notenbanker damals sein konnten, wobei man zumindest entlastend hinzufügen sollte, dass dieses Wegschauen in diesen Jahren politisch so gewollt war. Nun hat sich der Wind gedreht, und das ist richtig so. Die Zügelung der Finanzmärkte muss weitergehen.

Wenn Großbanken jemals die Freiheit alter Tage zurückfordern, dann sollte man sich daran erinnern, wie sie in der Vergangenheit mit diesem Privileg umgegangen sind.

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