Bank-Manager:"Es reicht nicht, einen Scheck auszustellen"

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Große Firmen sollten sich stärker für das Gemeinwohl engagieren, fordert Peter Scher von JP Morgan.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Sich um soziale Belange zu kümmern, war für Unternehmen lange Zeit lästige Pflicht, bestenfalls schmückendes Beiwerk. In Zeiten aber, da sich - zumindest in den USA - der Staat zunehmend aus der Verantwortung zurückzieht und zugleich weltweit der Populismus erstarkt, rückt Corporate Social Responsibilty (CSR), die soziale Verantwortung von Unternehmen, stärker in den Vordergrund.

Das jedenfalls sieht Bankmanager Peter Scher so. Der Amerikaner ist verantwortlich für das gesellschaftliche Engagement der amerikanischen Großbank JP Morgan. Das Geldhaus ist nicht nur eine der größten Banken der Welt, ihr langjähriger Vorstandschef Jamie Dimon gilt auch als eine Art Sprachrohr der Wall Street. Als Demokrat ist Dimon US-Präsident Donald Trump erklärtermaßen abgeneigt. Scher wiederum ist ein Vertrauter Dimons.

Große Unternehmen müssten sich dringend stärker engagieren, sagt Scher im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Es gehe darum, dem wachsenden Populismus und der zunehmenden Ungleichheiten etwas entgegenzusetzen. "Die soziale Instabilität hat zum Brexit geführt, zur Wahl von Trump, zu wachsendem Populismus in Italien und nun auch in Deutschland. Viele Menschen fühlen sich abgehängt, sind frustriert und haben kein Vertrauen mehr", sagt er. Scher arbeitet seit 2008 bei JP Morgan; Ende der 90er-Jahre war er Handelsbeauftragter von US-Präsident Bill Clinton. "Es reicht nicht, einen Scheck auszustellen, die Unternehmen müssen sich stärker um die Probleme der Menschen kümmern", so Scher. JP Morgan fördere daher vor allem Projekte, die Menschen besser für gute Jobs ausbildeten, um sie so vor Arbeitslosigkeit zu schützen. Das sei auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung enorm wichtig, die viele Tätigkeiten überflüssig mache. In Deutschland unterstützt JP Morgan zum Beispiel ein Projekt, das Arbeitslosen mit und ohne Migrationshintergrund hilft, Programmieren zu lernen. Deutschland ist außerhalb der USA der drittwichtigste Markt für die Bank.

Angesichts des wachsenden Populismus weltweit soll die Stiftung von JP Morgan nun deutlich mehr ausgeben. Man habe sich verpflichtet, über die nächsten fünf Jahre insgesamt 1,75 Milliarden Dollar zu spenden, sagt Scher. Pro Jahr sind das 350 Millionen Dollar. Zuvor hatte die Stiftung 250 Millionen Dollar jährlich gespendet.

Mit ihrem Engagement ist JP nicht alleine, auch andere Wall-Street-Häuser wie Goldman Sachs oder Citigroup spenden spätestens seit der Finanzkrise jährlich vergleichbar hohe Beträge. Leisten kann man sich das locker. Schließlich laufen die Geschäfte der US-Banken ausgesprochen rund, zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise. JP Morgan verdiente 2017 enorme 24 Milliarden Euro.

Die deutschen Banken geben deutlich weniger aus, nicht nur, weil sie weniger Gewinn machen, sondern auch, weil der Staat hierzulande mehr Aufgaben wahrnimmt. Die Deutsche Bank hat 2017 immerhin gut 60 Millionen Euro für gesellschaftliches Engagement aufgewandt. Die Sparkassen geben jährlich mehr als 400 Millionen Euro fürs Gemeinwohl aus, was aber auch ihrem öffentlichen Auftrag geschuldet ist.

Scher geht es nach eigener Aussage nicht darum, den Staat zu ersetzen. Dem öffentlichen Sektor falle aber häufig eine andere Rolle zu als dem privaten. "Wir ersetzen den Staat nicht, wir arbeiten sehr häufig zusammen", sagt er. Der öffentliche Sektor sei nicht immer in der Lage, innovative Dinge zu fördern, da die Möglichkeiten zur Mittelverwendung oft eingeschränkt seien. "Daher müssen Unternehmen mehr Verantwortung übernehmen. Alle sollten ihre jeweiligen Kenntnisse einbringen."

In der US-Krisenstadt Detroit investiert JP Morgan derzeit mehrere Hundert Millionen Euro in soziale Projekte. Das wäre laut Scher nicht möglich gewesen ohne die Mitarbeit des Bürgermeisters und lokaler Organisationen. In Deutschland habe die Bank ein Projekt angestoßen, das erst dann mit staatlichen Mitteln unterstützt wurde, als bewiesen war, dass es funktionierte - ein Theaterprojekt, das Langzeitarbeitslose für Bewerbungen fit macht.

Der Bank geht es mit ihrem Engagement darum, das System zu erhalten. "JP Morgan profitiert wie alle Unternehmen von der Marktwirtschaft, weswegen es in unserem Interesse ist, das System zu stützen und zu verbessern, wo nötig", sagt Scher. Die Marktwirtschaft sei gleichzeitig "das beste System, das wir kennen", um die weltweiten sozialen Probleme anzugehen, "aber derzeit fühlen sich zu viele Menschen ausgeschlossen, was das ganze Gefüge instabil machen kann".

Die höheren Gewinne, die die Bank dank der seit Januar geltenden US-Steuerentlastung erwirtschafte, wolle man daher auch nicht eins zu eins an die Aktionäre durchreichen, sondern zu großen Teilen in neue Niederlassungen investieren oder in Lohnerhöhungen für die Filialmitarbeiter.

Doch ist es nicht ein wenig heuchlerisch, wenn sich nun gerade Banken zu Weltenrettern aufschwingen, nachdem sie vor zehn Jahren die Finanzkrise mit ausgelöst haben und jahrelang krumme Geschäfte zu Lasten der Allgemeinheit machten? Scher ficht derartige Kritik nicht an. "Dass es eine Finanzkrise gab, an der die Banken sicher ihren Anteil hatten, kann kein Grund sein, die Hände in den Schoß zu legen und damit aufzuhören, soziale Verantwortung zu übernehmen", sagt der Amerikaner. "Wir machen das alles hier nicht fürs Schaufenster."

© SZ vom 13.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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