Moderna-Chef:Der Scharfmacher

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Geht es nach Stéphane Bancel, soll der menschliche Körper zur Produktionsstätte werden. Die Impfung besteht nur aus einem Arbeitsauftrag für die Zelle. (Foto: Bloomberg)

Stéphane Bancel, der Chef des Biotech-Unternehmens Moderna, will das Coronavirus besiegen. Sein Führungsstil ist umstritten, seine Methode interessant.

Von Hans von der Hagen

Der 48-jährige gebürtige Franzose Stéphane Bancel kommt als Chef der US-Biotechfirma Moderna mit seiner Mischung aus Mut und Brutalität in den Vereinigten Staaten hervorragend an - zumindest bei jenen, die nicht unmittelbar davon betroffen sind. Der Chemieingenieur und Harvard-Absolvent verfügt dazu über ein großes Verkaufstalent und einen starken Willen zum Führen: "Ich habe immer gedacht, eines Tages wird jemand entscheiden müssen, ob ich einen Chef-Job bekomme", sagte er mal. Wer Führungskraft werden wolle, dürfe sich keinesfalls mit der Rolle des stets nur fast Ausgewählten begnügen.

Nun ist er nicht mehr nur Chef, sondern einer derjenigen, die den Amerikanern besonders Hoffnung machen: Bancel könnte es sein, der am Ende als einer der Ersten mit seiner Firma einen Impfstoff entwickelt und damit dem Corona-Wahnsinn ein Ende bereitet. Unlängst hieß es jedenfalls, dass erste Tests an Probanden vielversprechend verlaufen seien. So etwas hat die Konkurrenz zwar auch schon gesagt, trotzdem findet Moderna besondere Beachtung. Vielleicht, weil das Unternehmen 2018 mit Aplomb an die Börse ging und viele den Namen kennen. Ganz sicher aber, weil Moderna mit Stéphane Bancel einen Chef hat, der provoziert, der oft zu hören ist und viel verspricht - und der es mit seiner Eloquenz schafft, das Geld von Investoren regelrecht anzusaugen.

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Mut bewies Bancel schon 2011, als er Chef von Moderna wurde. Denn so kühn die Technologie ist, der Bancel zum Durchbruch verhelfen will, so umstritten ist, wann sie am Ende wirklich funktioniert. Die Idee dahinter: Moderna will den menschlichen Körper zur Produktionsstätte machen. Anstatt also wie bei einer herkömmlichen Impfung etwa abgeschwächte Erreger zu spritzen, soll nur ein genetischer Code, also ein Arbeitsauftrag in die Zellen geschleust werden. Das Ziel: Die Zelle produziert ein Antigen, das dem eines Erregers gleicht, und aktiviert damit das Immunsystem, das dann die passenden Antikörper bildet. So soll es auch beim Coronavirus funktionieren.

Als ein Risikokapitalgeber 2011 einen Chef für die damals neu gegründete Moderna suchte, war man von der "Intensität, Neugier und Ungeduld" Bancels beeindruckt, schreibt das Wall Street Journal. Bancel leitete seinerzeit noch die französische Biotechfirma Biomerieux. An dem Vorhaben von Moderna soll er anfangs gezweifelt haben, weil er sich nicht habe vorstellen können, dass der Ansatz funktioniert. Trotzdem nahm er den Posten dort an. Es folgten: Fehlschläge. Moderna versuchte sich an der Bekämpfung von Krankheiten, von denen dem Branchendienst Stat zufolge Forscher dachten, dass sie sich besonders gut mit dem Moderna-Ansatz behandeln ließen. Doch die Erfolge blieben aus, darum wandte sich Moderna stärker den einfacher zu entwickelnden, aber weniger ertragreichen Impfstoffen zu. Es war eine schwierige Zeit für das Unternehmen, zumal Bancel auch noch ein Klima der Angst schuf. Stat beschrieb 2017, dass Mitarbeiter schnell mal gefeuert wurden, wenn Experimente scheiterten. Als dann auch viele Topkräfte Moderna verließen, habe sich Bancel im Silicon Valley bei Firmen wie Facebook oder Google erkundigt, wie er Mitarbeiter an sein Unternehmen binden könnte. Eine Anfrage der SZ dazu ließ Moderna unbeantwortet.

Aber Bancel war es eben auch, der während des Weihnachtsurlaubs aufmerksam verfolgte, wie sich das Coronavirus in China verbreitete. Während sich andere Gedanken darüber machten, wie man die Krankheit benennen könnte, begann Bancel bereits mit der Entwicklung eines Impfstoffs. Der könnte nun sein erster großer Coup werden - oder eine weitere krachende Niederlage.

© SZ vom 20.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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