Süddeutsche Zeitung

Bakschischzahlungen:Großrazzia bei Siemens

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Ein Großaufgebot aus rund 200 Polizeibeamten, Steuerfahndern und Staatsanwälten hat am Mittwoch über 30 Siemens-Bürohäuser und Wohnungen teils ranghoher Siemens-Mitarbeiter durchsucht. Es geht offenbar um Bestechung im "großen Stil".

,,Es besteht der Verdacht, dass Angestellte des Konzerns Gelder veruntreut haben'', sagte Oberstaatsanwalt Anton Winkler in München.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung gehen die Behörden dem Verdacht nach, dass Mitarbeiter hohe Summen als Bestechungsgelder gezahlt haben, unter anderem an Kunden in Osteuropa. Auch ranghohe Mitarbeiter sollen in die Affäre verstrickt sein.

Für die vermuteten Schmiergeldzahlungen sollen sogenannte Schwarze Kassen im Ausland gebildet worden sein, und zwar in der Schweiz und möglicherweise auch in Liechtenstein.

Auf den betreffenden Konten seien von Personen und Firmen, die Siemens nahe stünden, Millionenbeträge verwaltet worden; insgesamt offenbar mehr als zehn Millionen Euro. Über solche Schwarze Kassen seien dann, so die Vermutung, Schmiergelder ausgezahlt worden.

Mindestens eine Festnahme

Es gehe offenbar um ,,Bestechung im großen Stil'', heißt es aus dem Unternehmen. Nach weiteren Angaben aus dem Unternehmen nahmen die Ermittler mindestens einen Verdächtigen fest. Insgesamt werden sechs Mitarbeiter beschuldigt.

Bei der Aktion wurden den ganzen Dienstag über 30 Bürohäuser und Privatwohnungen von Siemens-Beschäftigten an mehreren Standorten durchsucht, darunter München und Erlangen. Unterlagen seien sichergestellt worden.

Weitere Affäre

Weitere Aktionen könnten an diesem Donnerstag folgen, hieß es. Damit bringt den Konzern nach der umstrittenen Gehaltserhöhung für Vorstände und der Pleite seiner ehemaligen Handytochter BenQ Mobile eine weitere Affäre in Bedrängnis.

Mit den Siemens-Richtlinien sind Geldzahlungen an Auftraggeber nicht zu vereinbaren, sagte ein Sprecher des Unternehmens. ,,Es gibt bei uns klare Regeln, was an Geschenken erlaubt ist.'' Der Konzern arbeite mit den Behörden zusammen. Weitere Einzelheiten nannten Unternehmen und Staatsanwaltschaft unter Verweis zunächst nicht.

Ermittlungen in der Schweiz

Dreh- und Angelpunkt vieler fragwürdiger Geschäfte soll jedoch die Schweiz gewesen sein. Dem Vernehmen nach soll die dortige Justiz gegen mehrere Personen aus dem Umfeld von Siemens wegen des Verdachts der Geldwäsche ermitteln. Es seien, so der erste Anschein, erhebliche Beträge aus Siemens herausgezogen und in Schwarze Kassen geleitet worden.

Die Schweizer Justiz habe diverse Zahlungen gestoppt und die deutschen Ermittlungsbehörden informiert. An deren Razzia am Mittwoch seien auch Fahnder aus der Schweiz beteiligt gewesen.

Brisante Erkenntnisse

Betroffen ist nach Angaben aus Unternehmenskreisen die Kommunikationssparte von Siemens, vor allem das Festnetzgeschäft. Die Erkenntnisse der Ermittler sind brisant, denn Siemens bringt große Teile des Geschäftsfeldes derzeit in ein Joint-Venture mit Nokia ein, das Anfang des Jahres an den Start gehen soll. Nokia wollte sich am Mittwoch nicht zu den Vorgängen äußern.

Zwar sind nach internen Siemens-Richtlinien Bakschischzahlungen verboten. Trotzdem tauchten in den vergangenen Jahren immer wieder Fälle auf, bei denen Angestellte Mitarbeitern von Kunden, zum Beispiel dem italienischen Energiekonzern Enel, Schmiergelder in Millionenhöhe zahlten, um so ins Geschäft zu kommen.

Im Dezember 2005 erhob die Staatsanwaltschaft Frankfurt im Fall Enel Anklage gegen ein früheres Mitglied des Bereichsvorstandes der Sparte Energieerzeugung und einem weiteren Ex-Beschäftigten. Sie sollen für einen Großauftrag mehr als sechs Millionen Euro Schmiergelder gezahlt haben. Der Prozess läuft noch.

Vorwürfe der UN

Auch eine Untersuchungskommission zum Öl-für-Lebensmittel-Programm der UN warf Siemens vor, über Töchter illegale Zahlungen an den Irak geleistet zu haben.

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Quelle:
SZ vom 16.11.06
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