Bahn: Warnstreiks:"Die Lokführer nehmen die Allgemeinheit in Geiselhaft"

Bald droht den Bahnkunden ein Chaos: Von Montag an kann es zu Streiks kommen. Der Hamburger Bahnchef Günter Elste attackiert die Gewerkschaft der Lokführer massiv.

Detlef Esslinger

Von Montag an muss mit Streiks der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) gerechnet werden, bei der Deutschen Bahn (DB) und ihren Konkurrenten. Zu denen gehört die Hamburger Hochbahn AG, die über ihre Tochter Benex in mehreren Bundesländern Nahverkehr betreibt. Hochbahn-Chef Günter Elste, 62, hält das GDL-Vorgehen für unredlich.

Lokfuehrergewerkschaft GDL beschliesst Warnstreiks

Die Lokführer könnten von Montag an streiken.

(Foto: dapd)

SZ: Ein Lokführer bei Ihnen leistet die gleiche Arbeit wie einer bei der Deutschen Bahn. Warum wollen Sie ihm dann nicht auch das gleiche Geld zahlen?

Elste: Die Tätigkeit ist nicht vergleichbar. Bei uns ist alles Nahverkehr. Wer von Hamburg nach Buchholz fährt, ist abends wieder zu Hause. Bei der DB gibt es darüber hinaus Fern- und Güterverkehr, da fahren Sie von Hamburg nach München und müssen übernachten.

SZ: Die DB hat auch Nahverkehr.

Elste: Wir sind gerne bereit, mit der GDL über einen Tarifvertrag für den Nahverkehr zu reden. Aber die GDL will eine einheitliche Bezahlung für sämtliche Lokführer. Das machen wir nicht mit.

SZ: Das heißt, im Nahverkehr wären Sie bereit, auf DB-Niveau zu zahlen?

Elste: Die DB ist überhaupt nicht unser Maßstab. Die sechs großen Wettbewerber der Bahn haben sich auf einen Tarifvertrag eingelassen, und zwar mit der GDL-Konkurrenz, der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Der liegt ziemlich dicht am Niveau der DB, nur sechs Prozent darunter. Das bedeutet eine Differenz zum heutigen Lohnniveau im zweistelligen Prozentbereich. Was meinen Sie, was das für ein Höllenritt war, die Sechs beieinanderzuhalten?

SZ: Warum brauchen Sie überhaupt einen Lohnabstand zur DB?

Elste: Die DB hat früher alle Strecken, die sie fährt, per Direktvergabe von den Bundesländern bekommen. Wir haben dafür Ausschreibungen gebraucht. Dabei waren aber nicht so sehr die Personalkosten ausschlaggebend, sondern unsere bessere Qualität. Wir fahren mit neuen Fahrzeugen, wir haben häufig mehr Zugbegleiter, wir sind pünktlich und bei unserer Tochtergesellschaft Metronom haben Sie zum Beispiel als Berufspendler im Abo eine Sitzplatzreservierung dabei. Dadurch hat Metronom die Zahl der Fahrgäste innerhalb von drei Jahren um 60 Prozent gesteigert.

SZ: Warum sollen Ihre Lokführer mit Einkommensnachteilen büßen, dass Sie auf Ausschreibungen angewiesen sind?

Elste: Darf ich das Pferd mal von der anderen Seite aufzäumen? Der Punkt ist doch, dass sich die GDL den Verhandlungen, die wir mit der EVG geführt haben, schlichtweg entzogen hat. Wir sind dabei am Ende zugegebenerweise in den Händen eines Schlichters gelandet. Aber es saßen die sechs Privatbahnen am Tisch, die DB und die EVG. Nur die GDL nicht. Und warum? Weil sie seit Jahren immer dieselbe Strategie fährt: Sie wartet, bis sich alle anderen in der Branche auf ein Ergebnis verpflichtet haben - um dann hinterher ihre konkurrierende Gewerkschaft zu toppen. Und dazu nimmt sie mit einem Streik die Allgemeinheit in Geiselhaft. Wir haben uns bisher erheblich bewegt, die GDL aber hat nicht um einen Cent nachgegeben.

"Es findet ja nicht einmal ein Gespräch statt"

SZ: Nun wissen Sie selbst am besten, dass die Lokführergewerkschaft nicht streiken wird, nur um am Ende doch noch Ihren Tarifvertrag mit der EVG für die Lokführer zu übernehmen. Wie geht's also weiter?

Elste: Wir sind ja bereit zu Tarifverhandlungen. Mit der Betonung auf Verhandlungen. Wir sind aber nicht bereit, ein Tarifdiktat zu akzeptieren. Ein Tarifvertrag für die Lokführer kann durchaus gleichberechtigt neben den Tarifvertrag für den Rest der Branche treten.

SZ: Und was wäre für die Lokführer da herauszuholen?

Elste: Das Tarifdiktat der GDL enthält Elemente, die bei uns überhaupt nicht realisierbar sind. Das Entgeltsystem der DB mit all den Zulagen aus der alten Beamten-Bundesbahn wird es bei uns nicht geben. Arbeitsplatzsicherheit bis zur Rente und auch bei Berufsunfähigkeit? Das mag in einem Konzern wie der DB mit 290.000 Beschäftigten möglich sein, wo es immer Alternativen gibt. Aber nicht bei uns.

SZ: Und worauf könnten Sie sich einlassen?

Elste: Man kann auch über Personal-Übernahme verhandeln, wenn man im Wettbewerb dem Konkurrenten eine Strecke abgenommen hat. Man kann zum Beispiel über unterschiedliche Entlohnung im Nah- und Fernverkehr reden.

SZ: Das will die Gewerkschaft nicht

Elste: Oder über unterschiedliche Sozialleistungen, ist doch vollkommen klar. Aber es findet ja nicht einmal ein Gespräch statt. Seit 40 Jahren habe ich mit Gewerkschaften zu tun. Und immer gab es unspektakuläre, vernünftige Ergebnisse. So etwas wie mit der GDL habe ich noch nie erlebt.

SZ: Hört sich nach langem Arbeitskampf an. Bis Ostern? Bis Pfingsten?

Elste: Keine Ahnung, die Frage ist doch immer, wer hält am längsten durch? Die Deutsche Bahn ist der Marktführer, daher ist sie von der GDL auch am ehesten in die Knie zu zwingen. Das ist meine größte Sorge dabei.

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