Süddeutsche Zeitung

Bahn: Tarifkonflikt:Zieht Euch warm an!

Vor drei Jahren hielten Streiks bei der Deutschen Bahn die Republik in Atem. Die aktuellen Warnstreiks sind noch Drohgebärden - doch Bahnkunden sollten in den kommenden Monaten lieber öfter dicke Socken tragen.

Detlef Esslinger

Erinnert sich noch jemand an den Lokführerstreik vor drei Jahren? Im März 2007 begann die Auseinandersetzung, im Februar 2008 endete sie. Es war einer der kompliziertesten Tarifkonflikte überhaupt - und war vielleicht wenig im Vergleich zu dem, was nun nicht allein bei der Deutschen Bahn (DB), sondern auch bei deren Konkurrenten bevorsteht.

Damals ging es nur um ein Unternehmen, die DB. Damals ging es auch nur um die Interessengegensätze zwischen einer Berufsgruppe - den Lokführern - und sämtlichen anderen Beschäftigten in diesem Unternehmen.

Diesmal aber geht es darum, einen gemeinsamen Tarifvertrag für Unternehmen zu finden, bei denen die Gehälter nicht nur unterschiedlich hoch sind, sondern auch ganz unterschiedlich zusammengesetzt; "Vorfeiertagszuschläge" zum Beispiel sind Komponenten, die sich kein DB-Konkurrent jemals aufhalsen wird.

Darüber hinaus geht es darum, mit Arbeitgebern zu verhandeln, die nicht einmal zusammen an einem Tisch sitzen wollen. Und es geht darum, dass zwei Gewerkschaften über viele Monate hinweg eine Engelsgeduld bewiesen haben, jetzt aber ein bisschen Rabatz gut gebrauchen können: Am 1. Dezember werden die alte Arbeitergewerkschaft Transnet und die Beamtenorganisation GDBA fusionieren. Abgesehen davon, dass ein Streik immer die beste Methode der Mitgliederwerbung ist, werden sie beide gegen ein gemeinschaftsstiftendes Ereignis nun wenig einzuwenden haben.

Vorerst wird den Bahnkunden nur einmal Langmut zugemutet werden. Aber sie sollten in den kommenden Monaten lieber öfters ihre dicksten Socken anhaben, wenn sie Richtung Bahnsteig gehen. Könnte dauern.

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Quelle:
SZ vom 26.10.2010/hgn
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