Deutsche Bahn:Den Osten trifft der Bahnstreik besonders hart

Auch am zweiten Lokführer-Streiktag fallen bundesweit viele Verbindungen aus. Regional gibt es große Unterschiede. SPD-Chef Walter-Borjans kritisiert die GDL.

Wegen des Streiks der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) kommt es bundesweit weiter zu Zugausfällen und Verspätungen. Die Züge im Fern- und Nahverkehr der Deutschen Bahn seien stabil nach Ersatzfahrplänen in den Betrieb gestartet, teilte die Bahn mit. Im Fernverkehr fahren damit etwa 25 Prozent der Züge, im Regionalverkehr waren es am Mittwoch um die 40 Prozent - mit starken regionalen Unterschieden. Ähnliches sei für Donnerstag zu erwarten.

Nach wie vor ist der Osten stärker von dem Streik betroffen als der Westen: Insbesondere in den westdeutschen Regionetzen könnten etwas mehr Züge fahren, weil hier noch mehr verbeamtete Lokführer ohne Streikrecht ihren Dienst tun. Wegen des höheren Organisationsgrads der GDL im Osten waren unter anderem zwischen Berlin, Leipzig und Dresden am Mittwoch kaum Züge unterwegs.

In Bayern sind etwa die S-Bahnen im Großraum München stark von dem Ausstand betroffen. Sie sollen mindestens im Stundentakt fahren. Auf einigen Linien innerhalb der Landeshauptstadt ist ein Takt von 20 bis 40 Minuten geplant. Für die Linie S 8 zum Flughafen sieht der Ersatzfahrplan einen 20-Minuten-Takt vor. In Baden-Württembergs Hauptstadt Stuttgart sollen die Bahnen auf den wichtigen Linien möglichst im Stundentakt fahren.

An den Bahnhöfen in NRW sei die Lage bislang ruhig, sagte ein Sprecher: "Wir haben das Gefühl, dass die meisten Reisenden informiert sind." In Köln, wo die Bahn am Mittwochmorgen von einer "angespannten Lage" berichtet hatte, habe sich die Situation mittlerweile stabilisiert. Auch am Donnerstag könne es jedoch weiter zu kurzfristigen Ausfällen und Wartezeiten kommen.

Die Bahn setzt nach eigenen Angaben alles daran, nach dem Ende des Streiks in der Nacht zum Freitag schnellstmöglich den Regelbetrieb zu erreichen. Am Wochenende will die Gewerkschaft nicht streiken, wie GDL-Chef Weselsky sagte. Über weitere Arbeitskämpfe soll in der kommenden Woche beraten werden. "Ich verspreche euch nicht, dass es am Freitag schon vorbei ist. Aber wir gehen sorgsam mit unserer Tarifmacht um."

Die Lokführergewerkschaft kämpft um mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen für ihre Mitglieder bei der Deutschen Bahn. Anders als die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) will sie in diesem Jahr keine Nullrunde bei den Gehältern akzeptieren. So will die GDL bei den Mitarbeitern im internen Machtkampf mit der EVG punkten.

Walter-Borjans: Kunden werden "durch praktisch unangekündigte Streikaktionen düpiert"

Die GDL fordert Lohnerhöhungen wie im öffentlichen Dienst von rund 3,2 Prozent sowie eine Corona-Prämie von 600 Euro im laufenden Jahr. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll 28 Monate betragen. Auch um Betriebsrenten wird gerungen. Wegen Milliardenverlusten in der Pandemie will die Bahn die Erhöhung auf spätere Stufenzeitpunkte verteilen, bei einer Vertragslaufzeit von 40 Monaten. Hinzu kämen Leistungen zur Altersvorsorge und der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen. Die Bahn ließ offen, ob sie der GDL ein neues Angebot macht.

Nicht bestreikt werden Konkurrenten der Deutschen Bahn, die im Regional- und Güterverkehr beträchtliche Marktanteile haben. Bei ihnen kam es am Mittwoch ihren Verbänden zufolge nur zu vereinzelten Störungen.

Kritik am Streik der GDL kommt nicht nur vonseiten der Bahn und von Wirtschaftsvertretern, sondern auch von der traditionell gewerkschaftsfreundlichen SPD. Deren Parteichef Norbert Walter-Borjans stellte sich im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland zwar an die Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, mahnte aber an, eine wirksame Interessenvertretung setze voraus, "Kräfte zu bündeln und Verständnis bei den Reisenden zu gewinnen". Dies gelänge nicht, "wenn die Beschäftigtengruppen der Bahn auseinanderdividiert und die Kunden durch praktisch unangekündigte Streikaktionen düpiert werden".

Einer Yougov-Umfrage zufolge haben 31 Prozent der Menschen in Deutschland Verständnis für den Streik der GDL. Im stärker betroffenen Osten ist der Wert demnach mit 39 Prozent etwas höher als im Westen (29 Prozent). Bundesweit habe mehr als jeder Zweite (55 Prozent) kein Verständnis für den Ausstand.

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