Bahn:SPD plant rasanten Ausbau des Bahnverkehrs

Jahresrückblick 2015 - Bewegende Bilder

Die Bahn (hier der Güterbahnhof Köln Eifeltor) muss ihre Infrastruktur modernisieren.

(Foto: Oliver Berg/dpa)
  • Die Bahn kämpft mit enormen Problemen: Die SPD stellt darum ihren "Schienenpakt 2030" vor.
  • Im Zentrum von 19 Maßnahmen steht ein großes Ziel: "Wir wollen die Verdoppelung der Kapazitäten im Schienennetz bis 2030 erreichen."

Von Markus Balser, Berlin

Wie es um den Bahnverkehr in Deutschland bestellt ist? In der Bundesregierung ist das Ausmaß des Problems bekannt. Über 25 000 Brücken verläuft das Schienennetz der Deutschen Bahn. 1400 davon sind dringend sanierungsbedürftig. Bahnhöfe verfallen, Schienenanlagen verrotten.

Selbst große Städte sind vom Fernverkehr abgehängt. Auf den Gütertrassen bilden sich Staus. Doch bislang tat Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nicht viel, um Missstände auf den insgesamt 33 000 Bahnkilometern in Deutschland zu beseitigen. Sein Interesse gilt eher der Elektromobilität und dem Ausbau des Straßenverkehrs.

Eine Entwicklung, die man beim Koalitionspartner SPD mit Sorge sieht. Denn nicht nur das jahrelange Ziel, Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, gerät so immer stärker in Gefahr. Auch der gerade gefundene Kompromiss für mehr Klimaschutz im Verkehrssektor wäre ohne starke Zuwächse beim Schienenverkehr wenig wert.

Der kleinere Koalitionspartner feilt deshalb seit einiger Zeit hinter verschlossenen Türen an einem Gegenentwurf zur aktuellen Verkehrsstrategie. "Wir brauchen in Deutschland eine neue Schienenpolitik", sagt SPD-Fraktionsvize Sören Bartol jetzt der Süddeutschen Zeitung. "Ein Weiter-So können wir uns nicht leisten. Die internationalen Klimaschutzziele erfüllen wir nur, wenn es gelingt, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern." Laut neuem Klimaschutzplan muss der Verkehrssektor bis 2030 rund 40 Prozent an Emissionen einsparen. Das gilt als gewaltige Herausforderung, denn seit 1990 hat der Sektor gerade mal zwei Prozent zur Reduzierung der Treibhausgase beigetragen.

Dass es zwischen den Koalitionspartnern rumort, wird an diesem Mittwoch in Berlin nun auch öffentlich deutlich. Denn dann wollen Verkehrs-, Wirtschafts- und Umweltpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion ihren eigenen "Schienenpakt 2030" vorstellen. Das zehnseitige Papier liegt der Süddeutschen Zeitung vorab vor. Im Zentrum von 19 Maßnahmen steht ein großes Ziel: Der rasante Ausbau des Bahnverkehrs in der Bundesrepublik: "Wir wollen die Verdoppelung der Kapazitäten im Schienennetz bis 2030 erreichen", schreiben die Arbeitsgruppen Verkehr und digitale Infrastruktur, Wirtschaft und Energie, sowie Umwelt. Das gelte sowohl für den Personenverkehr als auch für den Güterverkehr.

Der SPD schwebt ein großes Investitionsprogramm für bessere Infrastruktur und mehr Komfort vor. Ziel sei etwa ein "Tausend-Bahnhöfe-Förderprogramm", mit dem Bund, Länder und Kommunen die Sanierung der Bauten fördern könnten. Alle Oberzentren und möglichst vieler Mittelzentren sollten flächendeckend an ICE-Trassen angeschlossen werden. Engpässe im Netz müssten beseitigt, aus eingleisigen Strecken zweigleisige werden, Nadelöhre auf internationalen Gütertrassen verschwinden. Dabei solle auch die Bahn sich rasch wandeln. Nur 59 Prozent der Strecken seien bislang elektrifiziert - im europäischen Vergleich gerade mal ein Platz im Mittelfeld. Nur wenn Dieselloks aussortiert würden, wäre der Verkehr wirklich klimaschonender als Laster auf der Straße. Um die Wirtschaftlichkeit der Bahn zu fördern, sollen die Stromsteuer abgeschafft und Trassenpreise gesenkt werden.

Seit Jahren werden immer weniger Güter auf der Schiene transportiert

Damit versucht die SPD eine radikale Verkehrswende einzuläuten. Seit Jahren geht der Anteil der auf der Schiene bewegten Güter zurück. 2015 war er halb so groß wie in den sechziger Jahren. Im gleichen Zeitraum hat sich der Anteil der auf der Straße transportierten Güter verdoppelt. Auch für eine Maut auf Fernbusse macht sich die SPD dem Papier zufolge stark.

Das Konzept nimmt auch die Politik selbst in die Pflicht und stellt höhere Investitionen in Aussicht. "Mehr Verkehr auf der Schiene wird es nur geben, wenn wir für eine Schieneninfrastruktur mit ausreichender Kapazität und hoher Qualität sorgen." Bund, Länder aber auch die Wirtschaft müssten sich künftig stärker engagieren. Welche Investitionen nötig sind, um das Ziel zu erreichen, teilt das Papier nicht mit. Es dürfte allerdings um viele Milliarden Euro gehen. Die Deutsche Bahn würde die SPD in diesem Zug gerne stärker an die Leine nehmen. Der Konzern sei bislang eher an den eigenen Börsengängen als an den Kunden interessiert, klagen Sozialdemokraten.

Nach einer weltweiten Expansion erzielt die Bahn heute fast die Hälfte der 40 Milliarden Euro Umsatz im Ausland. Nur die Hälfte der 300 000 Mitarbeiter hat überhaupt etwas mit dem früheren Kerngeschäft zu tun, dem Bahnverkehr in Deutschland. "Das Konzernziel der Bahn muss künftig heißen: Nicht mehr Gewinn, sondern höhere Marktanteile", fordert Bartol. "Dafür müssen wir auch die Gesellschafterverträge anpassen." An der unternehmerischen Selbstständigkeit der Bahn wolle man indes festhalten, heißt es in dem Konzept. Der Vorstoß der SPD deutet an, dass die Verkehrspolitik zu einem zentralen Wahlkampfthema der Bundestagswahl im Herbst 2017 werden könnte. Damit drohen bereits in den nächsten Monaten neue Debatten in der großen Koalition. Ziel sei es, schon in dieser Legislaturperiode mit dem Umsteuern zu beginnen. Spätestens in zwei bis drei Jahren müssten die meisten Punkte auf den Weg gebracht sein.

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