Bahn:So funktioniert Zugfahren im Ausland

ICE und TGV

Beim Tempo des TGV (links) kann der deutsche ICE nicht mithalten. In zwei Stunden und vier Minuten rast der Zug von Paris nach Bordeaux.

(Foto: dpa)

In Frankreich geht es rasend schnell, in Großbritannien sind die Preise happig: SZ-Korrespondenten berichten über das Bahnfahren in anderen EU-Ländern.

Von Björn Finke, Leo Klimm, Ulrike Sauer und Thomas Urban

Millionen Deutsche nutzen die Fernzüge der Deutschen Bahn, und nicht wenige von ihnen sind unzufrieden mit dem Angebot des Staatsunternehmens. Mal sind es die Verspätungen über die Zuggäste schimpfen, mal die vermeintlich teuren Tickets. Doch wie organisieren andere EU-Staaten eigentlich ihren Bahnverkehr? Und wie schnell ist man dort auf den beliebten "Rennstrecken"? SZ-Korrespondeten berichten.

Erschwingliche Hochgeschwindigkeit

Zwei Stunden und vier Minuten von Paris nach Bordeaux - so schnell ist der TGV auf der Strecke, die in etwa so lang ist wie die von München nach Berlin, seit dem Sommer. Die Tickets sind nicht teuer: Am Montag kostete eine Fahrkarte für den selben Tag 89 bis 111 Euro. Zweiter Klasse, ohne Ermäßigung. Wer im Februar fahren wollte, fand Angebote für 36 Euro.

Seit Jahrzehnten folgt das Preissystem der französischen Staatsbahn SNCF bei Fernstrecken dem sogenannten Yield-Management, wie man es von Airlines kennt: Der Preis verändert sich mit der Nachfrage, Frühbucher sind im Vorteil. Überhaupt konkurrierten die TGV-Boliden mit Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen Großstädten erst nur mit dem Flugzeug. Ihre hohe Reisegeschwindigkeit verdanken sie vor allem Frankreichs geringer Siedlungsdichte und der Topografie: Anders als der Berlin-ICE muss der Bordeaux-TGV unterwegs nicht halten, kaum Dörfer umfahren und kein Mittelgebirge überwinden.

Die Bordeaux-Strecke kommt bestens an. Das Auto kann mit dem Tempo sowieso nicht mithalten. Bei Kunden jedoch, die es nicht eilig haben und aufs Geld achten, spürt die Bahn die zunehmende Fernbus-Konkurrenz. Der Konzern reagiert, indem er die Fahrpreise seit 2013 leicht senkte.

Aber die Politik der erschwinglichen Hochgeschwindigkeit, die Frankreich seit den Achtzigern verfolgt, stößt an Grenzen. Der Trassenbau ist so teuer, dass unter Berücksichtigung dieser Kosten kaum eine TGV-Strecke rentabel ist. Präsident Emmanuel Macron fordert daher "eine Pause" bei Großprojekten. Zumal die Pflege bestehender Infrastruktur oft dringlicher erscheint: Erst am Wochenende gab es im Pariser Bahnhof Montparnasse wieder mal eine Riesenpanne. Kein Zug fuhr. Auch nicht nach Bordeaux.

Italien

Schnelles Duell

Der rote Pfeil, den sie metropolitana d'Italia nennen, rast in weniger als drei Stunden von Rom nach Mailand. In Stoßzeiten verkehrt er im Viertelstundentakt, teilweise ohne Zwischenstopp. Der "Frecciarossa", den die italienischen Staatsbahnen (FS) nun seit elf Jahren betreiben, hat die beiden Millionenstädte im Norden und in der Mitte Italiens enger zusammenwachsen lassen. Im Leben mobiler Italiener hat der Schnellzug einen festen Platz erobert.

Bereits im Jahr 2007 bereitete Italien die vorgezogene Liberalisierung des superschnellen Schienenverkehrs vor - und machte das Land zu einem interessanten Testfall. Vor fünf Jahren trat das private Bahnunternehmen NTV an, um das Monopol der Staatsbahnen auf den lukrativen Hochgeschwindigkeitsstrecken zu brechen. NTV-Mitgründer Luca di Montezemolo schickt heute täglich 40 seiner "Italo"-Züge gegen den Frecciarossa ins Rennen. Im Jahr 2018 sollen es schon 50 sein.

Im Jahr 2002 erschien das Bahn-Debüt des damaligen Ferrari-Chefs vielen als gewagtes Abenteuer. Doch Italo hat mit dem Preiswettbewerb das Angebot verbessert und stetig neue Nachfrage geschaffen. Der Markt für die schnellen Züge wächst im stagnierenden Italien konstant zweistellig. Gleichzeitig sinken die Ticketpreise. Für Frühbucher kostet die Fahrt von Rom nach Mailand im Frecciarossa nur 39,90 Euro. Wer höheren Komfort will, zahlt in der Executive-Klasse bis zu 220 Euro. Auf der Strecke Mailand-Rom ersetzen die beiden Schnellzüge das Flugzeug nahezu komplett, was die Krise der Fluglinie Alitalia maßgeblich verschärfte. Der Zug holt aber auch viele Autofahrer auf die Schiene. Warum soll man sich sechs Stunden hinters Steuer klemmen und allein für die Maut mit 41,30 Euro mehr bezahlen als für ein Bahnticket?

Großbritannien

Privatisiert und teuer

In Großbritannien ähnelt das Preissystem fürs Bahnfahren dem in Deutschland. Es gibt Sparpreise, bei denen sich Kunden im Voraus auf einen bestimmten Zug festlegen. Stornieren ist nicht möglich, umbuchen kostet eine Gebühr. Und es gibt flexible Tickets, die zum happigen Normalpreis verkauft werden. Wer zum Beispiel am Dienstag, 9. Januar, morgens von London ins schottische Edinburgh reisen will, hat die Wahl zwischen einem Sparticket für 32,50 Pfund (gut 36 Euro) und dem normalen Ticket für 151,50 Pfund (171 Euro). Die Distanz beträgt 534 Kilometer, etwas mehr als zwischen München und Berlin.

Die Fahrt dauert viereinhalb Stunden. Ein Auto braucht mehr als sieben Stunden. Allgemein sind Bahnverbindungen von London zu anderen Städten schnell und bequem. Doch wer fernab von London zwischen Städten reist, steigt manchmal in Züge ein, die mit Dieselloks über nicht-elektrifizierte Strecken zuckeln.

Ein weiterer Nachteil gegenüber Deutschland ist, dass kein Pendant zur Bahncard 50 existiert, mit der regelmäßige Nutzer den Preis der flexiblen Tickets auf ein erträgliches Maß drücken könnten. Es gibt zwar diverse Railcards in Großbritannien, aber die sind auf bestimmte Gruppen beschränkt - junge Leute, Senioren - oder gelten nur in einer Region.

Insgesamt ist Bahnfahren recht teuer auf der Insel. Ein Pendler, der täglich aus Luton in Londons Zentrum reist, zahlt für seine Monatskarte viereinhalb Mal so viel wie ein Pendler zwischen Düsseldorf und Köln, obwohl die Strecke im Rheinland kaum kürzer ist. Das hat die Gruppe Action for Rail berechnet. Das Gewerkschaftsbündnis setzt sich dafür ein, die Bahnen wieder zu verstaatlichen. Der Staatskonzern British Rail wurde in den Neunzigerjahren privatisiert.

Spanien

Der AVE macht Fluglinien zu Verlierern

Es ist die klassische Rennstrecke: Mehr als 500 Kilometer von Madrid entfernt liegt das aufmüpfige Barcelona. Ganze zweieinhalb Stunden sieht die schnellste Verbindung vor, knapp über 300 km/h werden dann in den Wagen für die Fahrgäste angezeigt. Allerdings hält der Zug unterwegs nicht. Bei den meisten Verbindungen legt er aber zwei bis drei Zwischenstopps ein, die Fahrtzeit verlängert sich bis zu einer halben Stunde. Doch selbst dann macht der Hochgeschwindigkeitszug AVE noch alle Fluglinien zu Verlierern, denn so schnell kommt niemand von Zentrum zu Zentrum. Mit dem Wagen braucht man sogar rund dreimal so lange, denn es gibt meist verstopfte Autobahnzubringer, Mautstationen und ein Tempolimit bei 120 km/h.

Doch lohnt sich das Autofahren, wenn man mindestens zu zweit unterwegs ist und Zeit hat. Denn die AVE-Tickets mit Pflichtreservierung sind, spontan gebucht, für spanische Verhältnisse teuer: meist deutlich über 100 Euro. Manche Billigflieger liegen darunter, ebenso wie die Fernbusse, bei denen Tickets für 25 Euro zu haben sind. Dafür sind die Preisunterschiede im AVE zwischen der Touristen- und der Vorzugsklasse, wie es in Spanien heißt, nicht so groß wie zwischen 1. und 2. Klasse bei der Deutschen Bahn.

Sparsamer ist man unterwegs, wenn man lange im Voraus Züge bucht, außerhalb des Berufsverkehrs. Die Preise ändern sich täglich, die Algorithmen dafür sind wie bei den Fluggesellschaften: Sie berücksichtigen Angebot und Nachfrage. Dies bedeutet, dass die Züge am Morgen und die am Abend fast immer ausgebucht sind, nicht zuletzt von Dauerkarteninhabern. Viele Berufstätige ziehen es vor, in der Provinz zu leben, weil Wohnungen in Madrid oder Barcelona für sie zu teuer geworden sind.

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