Süddeutsche Zeitung

Bahn-Infrastruktur:"Zu knapp, zu alt, zu störanfällig"

Die "Beschleunigungskommission Schiene" zieht eine äußerst ernüchternde Bilanz zum Zustand des Schienenverkehrs in Deutschland. Verkehrsminister Wissing gelobt Besserung.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing will mehr Tempo bei der Sanierung des maroden Bahnnetzes machen. "So wie es ist, kann es nicht bleiben", sagte der FDP-Politiker am Dienstag. Wissing nahm den Abschlussbericht der Beschleunigungskommission Schiene entgegen. Er sprach von einer "Ersten Hilfe für die Schiene". Die Kommission schlägt umfassende Maßnahmen vor. Damit soll auch die Pünktlichkeit erhöht werden. So sollen für neue Weichen, längere Überholgleise oder die Elektrifizierung Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Außerdem schlägt die Kommission mit Vertretern des Schienensektors vor, das "Finanzierungsdickicht" zu lichten und zwei mehrjährige Schienen-Finanzierungsfonds aufzulegen.

Für einen Ausbau- und Modernisierungsfonds sollten auch Anteile an erwartenden Mehreinnahmen aus der Lastwagenmaut verwendet werden. Der Infrastrukturvorstand der Deutschen Bahn, Berthold Huber, sagte, das Schienennetz sei dem hohen Verkehrsaufkommen kaum noch gewachsen. "Es ist schlicht zu knapp, zu alt und zu störanfällig. Um hier kurzfristig Verbesserungen erzielen zu können, muss deshalb vor allem das bestehende Netz in hohem Tempo erneuert und in seiner Kapazität erweitert werden." Dazu könnten die Ergebnisse der Beschleunigungskommission einen wertvollen Beitrag leisten.

Die Bestandsaufnahme der Kommission ist allerdings ernüchternd: Das heutige Schienennetz sei in Teilen überlastet und in schlechtem Zustand. "Verspätungen und Zugausfälle gehören zu den Folgen, die Bahnkundinnen und -kunden zu spüren bekommen." Vom kommenden Jahrzehnt an sollten große Neu- und Ausbaumaßnahmen Abhilfe schaffen. Dann soll auch der "Deutschlandtakt" kommen: der Fernverkehr zwischen den großen Metropolregionen soll enger getaktet werden, Fern- und Regionalverkehr sollen besser aufeinander abgestimmt sein. "Bis dahin verschärft die deutlich unterfinanzierte Netzinfrastruktur die Situation noch weiter", heißt es im Bericht der Kommission.

Radikale Reform der Finanzierung gefordert

Einer der Kernpunkte ihrer Vorschläge ist eine radikale Reform der Finanzierung für die Schiene. Bisher gebe es 190 Fördertöpfe, das führe zu sehr komplexen Verwaltungsverfahren und am Ende eines Haushaltsjahres seien viele Gelder nicht abgeflossen, sagte Tobias Heinemann, Präsident von Mofair, in dem Konkurrenten der Deutschen Bahn vertreten sind. Deswegen soll es nach dem Willen der Kommission künftig nur noch zwei Fonds geben, die mehrjährig wirken sollen - und nicht von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr: Einen zur Sanierung des Bestandsnetzes und einen Ausbau- und Modernisierungsfonds - für diesen sollten auch Anteile an erwartenden Mehreinnahmen aus der Lkw-Maut verwendet werden. Bisher werden die Einnahmen aus der Lkw-Maut für die Straßeninfrastruktur verwendet. Ob diese Fonds kommen, darüber muss am Ende der Bundestag entscheiden.

Die Kommission schlägt außerdem schnell umsetzbare Maßnahmen vor, mit denen sich das Schienennetz bereits jetzt deutlich verbessern könnte. So solle im Planungsrecht ein "Vorrang der Schiene" eingeführt werden. Für neue Weichen, längere Überholgleise oder die Schließung von Elektrifizierungslücken sollen Umfang und Dauer von Genehmigungsverfahren reduziert werden. Sperrzeiten durch Baustellen im Schienennetz sollen verringert werden. Zentral sei eine Sanierung sogenannter Hochleistungskorridore. Das sind besonders stark genutzte Strecken, auf denen Störungen gravierende Konsequenzen für den gesamten Zugbetrieb haben.

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